Bildungsvergleich der OECD Weniger junge Menschen mit Berufsabschluss
Immer weniger junge Erwachsene in Deutschland haben eine klassische Berufsausbildung, die Bildungskluft wächst. Der Rückgang bei den Ausbildungen ist der größte im Vergleich der OECD-Länder. Die Studienmacher sehen vor allem zwei Gründe.
Der Anteil junger Erwachsener mit einer klassischen Berufsausbildung ist in Deutschland stark zurückgegangen. Im vergangenen Jahr konnten 38 Prozent der 25- bis 34-Jährigen einen Berufsabschluss vorweisen, 2015 waren es noch 51 Prozent, wie aus dem jährlichen Ländervergleich "Bildung auf einen Blick" der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervorgeht. Der Rückgang sei der größte in allen OECD-Ländern.
Die jungen Menschen fehlen auf dem Arbeitsmarkt. "Im Handwerk gibt es aktuell noch über 31.000 offene Ausbildungsplätze, das sind tausendfach ungenutzte Bildungs- und Karrierechancen für junge Menschen", sagte Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH). Die OECD-Studie müsse daher dringender Anlass sein, dass Bund und Länder die berufliche Ausbildung stärken und ihre Priorität darauf legen, die noch offenen Ausbildungsplätze zu besetzen.
Wer eine Ausbildung hat, findet Arbeit
Die Zahlen der OECD zeigen auch: 94 Prozent der beruflich ausgebildeten Personen finden in Deutschland binnen zwei Jahren eine Arbeit - der höchste Wert aller OECD-Länder. Zudem verdiene diese Gruppe im Durchschnitt 67 Prozent mehr als Menschen mit einem niedrigeren Bildungsgrad.
1,7 Millionen Menschen fehlen als Fachkräfte
Der Anteil derjenigen, die maximal einen mittleren Schulabschluss hatten, aber keine weitere Qualifikation wie Abitur oder eine Ausbildung, erhöhte sich von 13 auf 16 Prozent. Neben Deutschland sei dieser Wert in allen OECD-Ländern nur in Tschechien um einen Punkt gestiegen.
Der Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, Jens Brandenburg, zeigte sich besorgt: "16 Prozent - das sind fast 1,7 Millionen junge Erwachsene, die nicht als dringend benötigte Fachkräfte zur Verfügung stehen", sagte der FDP-Politiker. Diese jungen Menschen hätten weniger Chancen auf gute Beschäftigung und ausreichendes Einkommen.
Gegensteuern will man unter anderem mit einem Förderprogramm für Brennpunktschulen, das in einem Jahr starten soll. Eine Milliarde Euro will der Bund jedes Jahr investieren.
OECD: Lehrermangel und "mehr Migration" als Probleme
Die Leiterin des "OECD Berlin Centre", Nicola Brandt, appellierte an die Politik, bereits "in den jüngsten Jahren" mit der Förderung anzusetzen, um zu verhindern, dass junge Leute zurückfielen und am Ende ohne eine guten Abschluss da stünden. Sie sprach von einem besonderen Druck, dem das deutsche Bildungssystem ausgesetzt sei und nannte als Gründe den Lehrkräftemangel und "mehr Migration" von Kindern als in anderen Ländern - diese müssten integriert werden.
Studium wird immer beliebter
Im OECD-Bericht ist auch von einer "Bildungspolarisierung" in Deutschland die Rede. Denn während die Zahlen von jungen Menschen ohne Berufsaubildung oder einer anderen Qualifikation nach einem mittleren Schulabschluss steigen, streben immer mehr der 25- bis 34-Jährigen höhere Abschlüsse wie ein Studium an. 2015 hatten 30 Prozent aus dieser Gruppe einen Hochschul- oder ähnlichen Abschluss, 2022 bereits 37,5 Prozent.
In der jährlichen Studie werden die Bildungssysteme der 38 Mitgliedsstaaten der OECD und weiterer Partnerländer miteinander verglichen. Die Studie merkt kritisch an, dass Deutschland im Verhältnis zu seinem Bruttoinlandsprodukt weniger Geld in Bildung investiert als der OECD-Durchschnitt.
Zahlenverhältnis Lehrer-Schüler vergleichsweise gut
Das Zahlenverhältnis von Lehrern und Schülern ist hingegen vergleichsweise gut: In der Sekundarstufe II bzw. im Berufsausbildungsteil liegt es in Deutschland bei 1 zu 13, im OECD-Schnitt bei 1 zu 15.
Zudem verdienen Lehrkräfte in Deutschland vergleichsweise sehr gut: Mit 15 Jahren Berufserfahrung und den gängigen Qualifikationen sind es dem Bericht zufolge für Lehrkräfte der Sekundarstufe II umgerechnet mehr als 65.000 Euro. Nur in Luxemburg wird laut dem Bericht mehr gezahlt. Im OECD-Schnitt liegt die Einkommensspanne zwischen 47.000 und 50.000 Euro.
Eine weitere positive Entwicklung: In der jüngeren Gruppe der 18- bis 24-Jährigen hat sich der Anteil derer, die weder in einer Ausbildung sind, noch einer Arbeit nachgehen, wieder verringert: von 9,7 Prozent im Jahr 2021 auf 8,6 Prozent im vergangenen Jahr. Deutschland steht hier im OECD-Vergleich (14,7) sehr gut da und gehört zur Gruppe der Länder mit der niedrigsten Quote.
Mit Informationen von Jim-Bob Nickschas, ARD-Hauptstadtstudio
In einer vorherigen Version des Artikels auf Basis der Nachrichtenagentur dpa hieß es, dass Lehrkräfte in Deutschland mit 15 Jahren Berufserfahrung kaufkraftbereinigt je nach Schultyp etwa 80.000 bis 90.000 Euro pro Jahr verdienen. Tatsächlich steht in der OECD-Studie, dass deutsche Lehrkräfte für die Sekundarstufe II mit 15 Jahren Berufserfahrung und den gängigen Qualifikationen mehr als 70.000 US-Dollar (umgerechnet gut 65.000 Euro) verdienen. Zudem bezieht sich das Zahlenverhältnis von Lehrkräften zu Schülern ebenfalls auf die Sekundarstufe II beziehungsweise die Berufsausbildung und nicht auf alle Schularten von der Grundschule bis zur Universität.
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