Personalmangel stört Betrieb Bahn kann immer wieder Stellwerke nicht besetzen
Fernzüge der Deutschen Bahn waren zuletzt so unpünktlich wie selten zuvor. Das liegt auch daran, dass Personal für die Stellwerke fehlt. Einige Regionen Deutschlands trifft es besonders hart.
Wenn Bahnkunden nach diesem ersten Halbjahr mit zahllosen Verspätungen und Zugausfällen gedacht haben, schlimmer geht es nicht mehr, haben sie die Rechnung ohne die Deutsche Bahn gemacht - beziehungsweise ohne deren Personalplanung. Ausgerechnet für die Schaltzentralen des Netzes fehlen Mitarbeitende: Stellwerke können zum Teil über mehrere Schichten hinweg nicht besetzt werden. Doch die Stellwerke sind Kopf und Herz des Bahnsystems.
In diesen Schaltzentralen werden Zugfahrten geplant, Weichen gestellt und Bahnübergänge überwacht. Ein Fahrdienstleiter aus Süddeutschland bestätigt tagesschau.de die zu dünne Personaldecke.
Ein deutschlandweites Problem
"Es fallen immer wieder Stellwerke aus in ganz Deutschland", sagt der Fahrdienstleiter, der aus Angst, entlassen zu werden, anonym bleiben möchte. "Häufig in Thüringen oder gerade jetzt auch in Baden-Württemberg im Raum Mannheim. Zum Beispiel Neckargemünd oder Ludwigshafen Hauptbahnhof. Aber es ist ein deutschlandweites Problem." Was es heißt, wenn ein Stellwerk komplett ausfällt, erleben Bahnkunden beinahe täglich. Ganze Strecken werden gesperrt und Züge müssen weiträumig umgeleitet werden.
Neuere Stellwerke funktionieren automatisch. Trotzdem muss immer ein Mensch vor Ort sein, der das System überwacht, bei Störungen eingreift oder ungeplante Rangierfahrten freigibt. Doch eben diese Fahrdienstleiter fehlen der Deutschen Bahn - es geht um Hunderte Mitarbeitende deutschlandweit. Und so muss die DB Stellwerke teilweise komplett schließen. Das Portal DB-Watch hat ausgerechnet, dass allein von August bis Dezember vergangenen Jahres Stellwerke an mehr als 100 Tagen nicht besetzt waren.
Das vorhandene Personal leidet
Laut Deutscher Bahn handelt es sich um Einzelfälle. "Die absolute Zahl klingt erst einmal hoch", sagt Bahnsprecher Achim Stauß auf Anfrage. "Gemessen an den vielen Stellwerken, die wir haben, ist es ein Ausnahmefall. Aber jeder Ausnahmefall ist einer zu viel. Natürlich ist unser Anspruch, rund um die Uhr besetzt zu sein."
Unter dem Personalmangel leiden aber nicht nur die Reisenden. Lange Zeit haben die vorhandenen Mitarbeiter den Engpass abfedern müssen. "Wir gehen auf dem Zahnfleisch", sagt der Insider. Die Vorgesetzten würden die Fahrdienstleiter massiv unter Druck setzen. "Wenn zum Beispiel jemand wegen Krankheit ausfällt, werden die Mitarbeiter angerufen, die eigentlich frei haben oder Urlaub haben. Und wenn man nicht ans Telefon geht, dann fährt ein Vorgesetzter los zu den Leuten nach Hause und klingelt." Vorgesetzte würden in solchen Fällen dann mit Sonderzahlungen locken, die Gesundheit der Mitarbeitenden allerdings außer Acht lassen.
Die Bahn hat das Problem erkannt
Viele Fahrdienstleiter seien überarbeitet und deshalb auch immer wieder krank. 55 Arbeitsstunden pro Woche seien keine Seltenheit. Und da Züge an sieben Tagen in der Woche fahren müssen, seien auch die meisten Wochenenden nicht frei. Nach Einschätzung des Insiders führt die Überarbeitung sogar dazu, dass die Sicherheit gefährdet sei.
Der DB-Konzern widerspricht - von einem Sicherheitsproblem will der Bahnsprecher nichts wissen. Der Tarifvertrag lasse eine höhere Belastung gar nicht zu. Den Personalmangel an sich hat die Bahn erkannt und versucht gegenzusteuern.
"Wir haben vor zwei Jahren schon gemerkt, dass es knapp wird, dass Engpässe entstehen im Bereich der Fahrdienstleiter", sagt Konzernsprecher Stauß. Man habe eine Ausbildungsinitiative gestartet, bereits 250 Stellen besetzen können. Aber die Initiative brauche Zeit. "Wir sind zuversichtlich, dass wir diese Engpässe nach und nach abbauen können." Dass das Problem schon seit Jahren besteht, möchte er nicht kommentieren.
Offene Stellen noch lange unbesetzt
Aus internen Unterlagen, die dem SWR vorliegen, geht hervor, dass die Ausbildungsinitiative der Bahn die Geduld der Reisenden noch länger strapazieren wird. Während in Norddeutschland noch in diesem Jahr alle offenen Stellen besetzt werden sollen, bleiben im Süden noch mehr Stellen als bisher unbesetzt. Erst Ende 2025 wird die Deutsche Bahn demnach wieder genügend Fahrdienstleiter haben.