Streit um Gehälter für EU-Beamte Zu viel Geld, zu viel Urlaub?
Rund um die EU-Haushaltsverhandlungen hat die Kritik an den EU-Beamtengehältern wieder zugenommen. Die Kommission verteidigt das System. Doch auch EU-Abgeordnete wollen eine Reform. Hinter der erneuten lauten Kritik vermuten sie aber ganz andere Interessen.
Von Wolfgang Landmesser, WDR-Hörfunkstudio Brüssel
"4365 EU-Beamte verdienen mehr als die Bundeskanzlerin" - die Schlagzeile der "Welt am Sonntag" traf ins Brüsseler Herz. Und das kurz vor den entscheidenden Verhandlungen über den EU-Haushalt bis 2020. Schon Referatsleiter der EU-Kommission hätten mehr auf dem Gehaltszettel als Angela Merkel, schrieb die Zeitung.
Die Behörde dementierte direkt: Das stimme einfach nicht. Den genauen Nachweis blieb Brüssel aber vorerst schuldig. Kommissionsvizepräsident Maros Sefcovic verwies stattdessen auf den Bedarf an hoch qualifiziertem Personal: "Die EU muss sich immer größeren Herausforderungen stellen".
Beispielsweise durch neue Aufgaben bei der Überprüfung der nationalen Haushalte, sagte Sefcovic weiter. Bei Handelsabkommen stehe man den besten Verhandlungsführern aus der ganzen Welt gegenüber, und die Richter am Europäischen Gerichtshof hätten es mit den besten Rechtsanwälten zu tun. Solchen Topleuten müsse die EU auch Topgehälter bieten können.
Neun statt sechs Wochen Urlaub
Dennoch: Im europäischen Beamtenapparat stecke viel Sparpotenzial, meint Ingeborg Gräßle. Die CDU-Europaabgeordnete kämpft seit Jahren für ein transparentes europäisches Gehaltssystem mit weniger Privilegien. So haben die EU-Beschäftigten zusätzlich zum Urlaub freie Tage - als Ausgleich für flexible Arbeitszeiten. "Ich will, dass Leute gut verdienen - aber ich will auch, dass sie dann da sind", sagt sie. "Ich kriege die Krise, wenn ich sehe, dass sie in diesem System leicht auf neun Wochen Urlaub kommen, wenn sie eigentlich nur sechs Wochen haben."
Die schwäbische Abgeordnete hat genau nachgerechnet: Demnach verdienen nicht Tausende EU-Beamte mehr als die Bundeskanzlerin, sondern eher unter hundert. Trotzdem: Das Gehaltssystem gehöre gründlich reformiert, Zulagen müssten abgeschafft oder deutlich gekürzt werden, meint Gräßle.
Ein Diskussion im Interesse der Regierungen?
Das findet auch die grüne Europaabgeordnete Helga Trüpel. Aber für sie ist es kein Zufall, dass die Diskussion über die hohen Brüsseler Gehälter gerade jetzt hochkocht: "Ich glaube, der Rat nutzt das ganz bewusst, um uns in Misskredit zu bringen - und um die eigenen Interessen an einem viel geringeren Haushalt durchzusetzen."
Deswegen habe es System, dass die Sache jetzt so hochgespielt worden sei, meint Trüpel. Man könne nicht mehr fair über mögliche Veränderungen verhandeln, "sondern es hat auf Seiten des Rats fast schon den Charakter einer politischen Kampagne". Der Rat, das sind die Regierungschefs der 27 Mitgliedsstaaten. Die wollen den siebenjährigen Haushalt weiter kürzen - und ran an die Verwaltungsausgaben.
Ein kleiner Posten im Gesamthaushalt
Dabei lässt sich beim Posten "Verwaltung" gar nicht so viel herausholen. Knapp sechs Prozent der Ausgaben insgesamt fließen in die europäischen Behörden. Seit 2004 hat die EU-Kommission hier zehn Milliarden Euro eingespart, weitere Stellenkürzungen sind bereits beschlossen. Und das Sparen bei den Beamten habe Grenzen, sagt Jutta Haug, SPD-Haushaltsexpertin im Europaparlament. "Auch bei Bürokratien ist irgendwann der Punkt erreicht, wo das nicht mehr vom Personal mit noch so viel Effizienz und Effektivitätssteigerung aufgefangen werden kann - sondern es dann bergab geht und wir eine schlechte Verwaltung kriegen."
Eine Reform des EU-Beamtenstatus ist geplant, liegt aber derzeit auf Eis. Am Ende könnte die Dauerauslandszulage gestrichen oder hohe Gehälter könnten gedeckelt werden. Aber ausgerechnet diejenigen, die Einschnitte fordern, blockierten die Verhandlungen, klagt die Sozialdemokratin Haug. Die Kommission habe einen Vorschlag gemacht, das Parlament seine Meinung dazu gesagt: "Jetzt muss sich der Rat dazu verhalten - die tun's aber nicht und lassen es einfach liegen. Sie sind nicht in der Lage, dazu ihre eigene Haltung zu formulieren."
"Reform mit Augenmaß" - statt populitische Kampagne
Ihre CDU-Kollegin Gräßle sieht dagegen vielmehr die EU-Kommission in der Pflicht. Deren Reformvorschläge hätten die Besitzstände der europäischen Beamten bisher nicht angetastet: "Meine Vorschläge zielen darauf ab, dass endlich mal bei denen mitgespart wird, die schon drin sind - die hätte ich gerne getroffen." Sie sei für eine Reform mit Augenmaß.
Eine Reform der EU-Gehälter wird also dringend gebraucht. Eine populistische Kampagne gegen den angeblich aufgeblasenen Beamtenapparat dagegen kaum.