Zukunft der Rente in der EU Zwischen Gleichmacherei und Chancengleichheit
Die EU-Kommission möchte die Renten in Europa sicher und gerecht machen und deswegen einen gemeinsamen Rahmen setzen. Dazu macht die Kommission heute Vorschläge. Doch schon gibt es Streit: Es geht vor allem um die deutsche Betriebsrente.
Von Christoph Prössl, NDR-Hörfunkstudio Brüssel
Die Menschen in Europa werden immer älter. 16 Prozent aller Europäer sind heute über 65 Jahre alt. 2060 hingegen werden schon 30 Prozent der Bevölkerung in der EU 65 oder älter sein. Das wird Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die Sozialsysteme haben. Die EU will die Mitgliedsstaaten deswegen unterstützen und hat in einem so genannten Weißbuch Ideen dazu gesammelt.
Der CDU-Europaabgeordnete Thomas Mann hat im Prinzip nichts dagegen: "Die Kommission macht zunächst etwas richtiges - sie hat gesagt: 'Wir wollen versuchen, dass wir angemessene, sichere und verlässliche Regelungen angesichts des demographischen Wandels finden.' Aber ich denke da muss man mit Maß und Ziel vorgehen."
Deutsche Betriebsrenten könnten teurer werden
Maß und Ziel sind nach einhelliger Meinung der deutschen Abgeordneten, der Gewerkschaften und der Arbeitgeber verloren gegangen. Die Kommission argumentiert, dass betriebliche Renten gut sind. Bislang gibt es eine betriebliche Altersversorgung vor allem in Großbritannien, in den Niederlanden und in Deutschland.
Die Kommission will diese Art der Vorsorge in den anderen Ländern fördern. Dazu will die Kommission aber einheitliche Standards für Betriebsrenten einführen. Dies würde für Deutschland strengere Eigenkapitalregeln bedeuten. Und die wären teuer. Bislang haften die Firmen in Deutschland für die Renten. Die Altersversorgung bleibt bei einer Insolvenz auch unangetastet.
Brüssel feilt an der Zukunft der Betriebsrente.
Von den Gewerkschaften komme deswegen Kritik an den Vorschlägen der Kommission, sagt Claudia Menne vom Dachverband der Europäischen Gewerkschaften: "Die großen Betriebsrenten-Systeme, die natürlich eine gute Versorgung darstellen, sehen sich deutlich bedroht. Das Argument ist, sie sollen gleiche Regeln anwenden die andere Versicherer und Anbieter auch haben. Und da argumentieren wir gemeinsam mit den Arbeitgebern, dass man Birnen mit Äpfeln vergleicht."
Tickt die Kommission richtig?
In Deutschland haben Unternehmen in den vergangenen Jahren 450 Milliarden Euro für die betriebliche Altersversorgung angesammelt. Die Versicherungsträger rechnen mit Mehrkosten von bis zu 45 Milliarden Euro, sollten die EU-Vorschläge sich durchsetzen.
Der Europaabgeordnete Mann meint dazu: "Das ist ein Bereich, wo die Kommission nicht richtig tickt, finde ich. Wir sagen, wir wollen Betriebstreue belohnen. Also diejenigen Arbeitskräfte, die man im Unternehmen haben will, denen gibt man nachher diese betriebliche Rente. Die Europäische Kommission sagt, eine solche Betriebstreue ist ein völliger Gegensatz zur Mobilität. Sorry, das kann nicht funktionieren!"
Die Kommission will auch die Mobilität in Europa fördern. Und dazu gehört aus Sicht der Behörde auch, dass Arbeitnehmer Rentenansprüche von einem Unternehmen zum anderen mitnehmen können. Grundsätzlich eine sinnvolle Idee, doch nicht zu Lasten der deutschen betrieblichen Altersvorsorge, argumentieren Abgeordnete, Gewerkschaften und Unternehmen.
Barnier: Regulierung tut not
Die Kommission gibt sich stur: Der zuständige Kommissar Michel Barnier sagte, er wolle nichts unternehmen, was den Bestand der betrieblichen Altersvorsorge gefährde. Aber eine Regulierung sei nötig. Es gehe darum, es Anbietern zu erleichtern, Rentenprodukte in ganz Europa anzubieten. Das bedeute Wahlfreiheit für Verbraucher.
Das Weißbuch umfasst noch weitere Vorschläge, die in den kommenden Monaten die Mitgliedsstaaten und die EU-Abgeordneten beschäftigen könnten. Aus einem Entwurf geht hervor: Das Renteneintrittsalter soll höher ausfallen, es soll weniger Frühverrentungen geben. Die EU will zudem die Mitgliedsstaaten unterstützen, damit ältere Arbeitnehmer länger in ihrem Beruf arbeiten können. Der Unterschied zwischen Mann und Frau soll verkleinert werden und die EU will Alternativen und Ergänzungen zur gesetzlichen Rente fördern. Stichwort betriebliche Altersvorsorge. Die Gewerkschaften kritisieren in diesem Zusammenhang auch, dass die gesetzliche Rente nicht zu einer Minimalrente verkommen dürfe.