Finanzinvestor wird 90 Warren Buffett ohne Biss?
Die amerikanische Börsenlegende Warren Buffett wurde am Sonntag 90 Jahre alt. Fast ein Jahrhundert lang schrieb der Boss von Berkshire Hathaway Wirtschafts- und Börsengeschichte. Doch Warren Buffetts Nimbus schwindet, die Kritik an seiner Strategie wird lauter.
"Ich plane zu arbeiten, bis ich über 100 bin", hatte das Geburtstagskind Buffett einst versprochen. Das klang für die Aktionäre seiner Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway einst wie eine gute Nachricht, weil sie über viele Jahrzehnte vom Geschick des legendären Investors durch reiche Rendite profitiert haben. Heute empfinden einige das eher wie eine Drohung.
Die Aktien seiner Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway, ein Konglomerat aus mehr als 90 Firmen, hinken seit ein paar Monaten dem Gesamtmarkt hinterher. Während die New Yorker Börsen klettern und Technologiewerte von Allzeithoch zu Allzeithoch springen, schwindet bei vielen Investoren das Vertrauen in seine Fähigkeiten, sie reich zu machen.
Wer zuletzt Buffetts einstigem Motto folgte und gierig war, wenn andere ängstlich sind, konnte in den vergangenen Wochen Kaufgelegenheiten nutzen und Milliarden verdienen, denn nach dem Corona-Tal kannten die Börsen fast nur noch den Vorwärtsgang.
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Buffett wirkt wie ein freundlicher Onkel
Dabei macht seine vermeintliche Ferne zu den überspannten Raubtierkapitalisten der Wall Street mit ihrem zügellosen Lebensstil Buffett für viele Menschen besonders sympathisch. Der Selfmade-Multimilliardär ist mit einem Vermögen von knapp 80 Milliarden Dollar aktuell der fünftreichste Mensch des Planeten. Um sein milliardenschweres Imperium zu steuern, muss Buffett natürlich auch ein knallharter Geschäftsmann sein.
Trotzdem wirkt er immer geerdet als hätte er trotz seines ungeheuren Reichtums nie den Kontakt zur wirklichen Welt verloren. Der bekennende Liebhaber von Fastfood und Coca Cola pflegt einen einfachen, fast kleinbürgerlich anmutenden Lebensstil, der sich kaum vom Leben vieler Amerikaner unterscheiden dürfte – wenn man davon absieht, dass er in seinem Domizil ein paar Gemächer und Badezimmer mehr zur Verfügung hat als der Durchschnitt, und vermutlich kein Selbstbucher für Linienflüge ist.
Superreiche, vom Kongress verhätschelt
Immer wieder fällt Buffett sogar durch einen Hauch von Systemkritik auf. Einst monierte er, dass seine Sekretärin prozentual mehr Steuern zahle als er selbst. Und er stellte in kritischer Absicht fest, dass in den USA ein Klassenkampf herrsche, den die reiche Klasse gewinne.
"Meine Freunde und ich sind lange genug von einem Milliardär-freundlichen Kongress verhätschelt worden. Es ist Zeit, dass unsere Regierung Ernst damit macht, allen gemeinsame Opfer abzuverlangen", forderte er. Wie es sich für einen echten US-Superreichen gehört, ist er Philanthrop und spendet viel Geld für wohltätige Zwecke.
Warum ist Buffett so reich geworden? Buffetts Anlagestrategie wird oft als Value-, also Wert-Strategie bezeichnet. Demnach sind an der Börse Unternehmen zu finden, deren wahre Werte gegenwärtig noch im Verborgenen schlummern. Solche Firmen weisen meist eine aussichtsreiche Marktposition, überdurchschnittliche Profitabilität und eine stabile Gewinnentwicklung auf. Kern seiner Philosophie ist Langfristigkeit.
"Das Woodstock der Kapitalisten"
Zur Hauptversammlung von Berkshire Hathaway im verschlafenen Omaha, Nebraska, pilgern Jahr für Jahr Zehntausende aus aller Welt, um den Altmeister zu feiern. Das sogenannte Woodstock für Kapitalisten findet nicht auf der grünen Wiese statt, sondern in einer schmucklosen Event-Halle. Dort stellen sich Buffett und sein Kompagnon, der 96-jährige Charlie Munger, den Fragen der Aktionäre und stellen die Ergebnisse vor.
In Woodstock war das Publikum glücklich, wenn die Stars auf der Bühne rockten, die Musik laut und man zusammen war – jedenfalls die, die etwas von der Show mitbekommen haben. In Omaha genügt es nicht, wenn Buffett einfach nur da ist.
Denn eine Eintrittskarte ist nicht gerade günstig. Mit einem Preis von rund 325.000 Dollar ist die Aktie Berkshire Hathaway A die teuerste der Welt. Wer nicht den Preis für ein Einfamilienhaus auf dem Land zahlen möchte, kann sich auch mit der B-Aktie den Zugang erkaufen, die für etwa 210 Dollar zu haben ist. Aber ob für reiche Finanzinvestoren oder Fans und Kleinanleger: Buffett muss performen, also Rendite liefern, um die Menge zufriedenzustellen.
Stillstand ist Rückschritt
Und das ist ihm zuletzt immer weniger gelungen. Nicht nur, dass die letzte Hauptversammlung Corona-bedingt per Videokonferenz stattfand hat die Stimmung verdorben. Ausgerechnet an seinem 90sten Geburtstag stehen der legendäre Investor und sein Unternehmen auch noch scharf in der Kritik, weil die Zahlen schon länger nicht stimmen. Während der marktbreite S&P 500 in den vergangenen zwölf Monaten 20 Prozent zugelegt hat, tritt die Berkshire-Aktie auf der Stelle.
Es sieht fast so aus als hätte Buffett einfach keine Ideen mehr, wie er seinen gigantischen und ständig wachsenden Barmittelbestand von rund 147 Milliarden Dollar anlegen soll. Stattdessen kauft er zur Kurspflege lieber eigene Aktien zurück, was oft als Zeichen für mangelnden Esprit gesehen wird.
Abschied von der Airlinebranche
Viele Investoren werfen Buffet zudem vor, dass er sich ausgerechnet in der tiefsten Krise von Airline-Aktien getrennt hat. Würden mutige Investoren nicht eher zukaufen, wenn die Kurse tief stehen und eine Erholung zu erwarten ist? Auch seine traditionelle Abneigung gegenüber Technologiewerten wird äußerst kritisch hinterfragt.
Ausgerechnet sie sind faktisch Motor der aktuellen Kurserholung und schon seit Jahren Garant für satte Renditen. Zwar ist Apple der mit Abstand größte Posten in seinem Depot, aber auch darin liegt ein Problem. Der Anteil ist so bedeutend, das ein Kursrücksetzer tiefe Spuren hinterlasse würde. Hat Buffett seinen Biss verloren?
Was plant das "Orakel von Omaha"?
Aber es gibt auch Anzeichen dafür, dass Buffett sehr wohl eine rationale Strategie verfolgt. Das "Orakel von Omaha", wird der Starinvestor oft genannt. Und wie das mit einem Orakel so ist, sind die Äußerungen interpretationsbedürftig. Buffett trennte sich nicht nur von Fluggesellschaften. Auch seine Beteiligungen in die Bankenbranche fuhr er deutlich zurück und kaufte sich stattdessen völlig überraschend beim Goldminenbetreiber Barrick Gold ein.
Das deutet darauf hin, dass Buffett nicht damit rechnet, dass die konjunkturelle Erholung sich in diesem Tempo fortsetzt, sondern von künftigen Rückschlägen ausgeht, die insbesondere Banken und ihre Kreditportfolios betreffen würden. Und die anhaltend expansive Geldpolitik der Notenbanken dürfte die Nachfrage nach Gold weiterhin antreiben.
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Vielleicht sind also die immer lauter werdenden Rufe nach einem Nachfolger verfrüht. Vermutlich ist Buffett mit 90 Jahren nicht mehr so bissig und risikofreudig wie früher, aber das dürfte für viele Menschen schon ab Mitte 30 zutreffen. Mit wachsender Erfahrung kann er das ausgleichen – und mit der richtigen Strategie.