Urteil des Verfassungsgerichts "Ja, aber" zum Tarifeinheitsgesetz
Das Tarifeinheitsgesetz ist weitgehend verfassungskonform. Das Gesetz soll verhindern, dass kleine Gewerkschaften ganze Großbetriebe blockieren können. Dennoch fordert das Bundesverfassungsgericht Nachbesserungen.
Das seit 2015 geltende Tarifeinheitsgesetz ist weitgehend mit dem Grundgesetz vereinbar. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat allerdings Änderungen am Gesetz gefordert.
Das Gesetz greift immer dann, wenn es in einem Betrieb mehrere Tarifverträge für die gleichen Berufsgruppen gibt und die Gewerkschaften sich nicht einigen können. Dann soll der Tarifvertrag gelten, den die mitgliederstärkste Gewerkschaft mit dem Arbeitgeber vereinbart hat. Die kleineren Gewerkschaften können dann diesen Tarifvertrag für ihre Mitglieder übernehmen.
Alle Interessen berücksichtigen
Der Verlust des Tarifvertrags beeinträchtige das Grundrecht der Koalitionsfreiheit, sagte der stellvertretende Verfassungsgerichtspräsident Ferdinand Kirchhof bei der Urteilsverkündung. Grundsätzlich sei der Gesetzgeber aber befugt, Strukturen zu schaffen, "die einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen aller Arbeitnehmer eines Betriebes hervorbringen".
Das Urteil ist kein Freifahrtschein
Der Senat sieht das Risiko, dass die Interessen kleinerer Berufsgruppen wie Piloten oder Krankenhausärzte unter den Tisch fallen. Da müsse der Gesetzgeber nachbessern, bis spätestens Ende 2018.
In anderen Punkten nehmen die Richter die Arbeitsgerichte in die Pflicht und machen verbindliche Vorgaben. Sie sollen beispielsweise dafür Sorge tragen, dass kein Arbeitnehmer Zusagen verliert, auf die er bei der Lebensplanung fest vertraut hat. Dazu gehören die Altersvorsorge, eine Arbeitsplatzgarantie oder die Lebensarbeitszeit.
Zudem müssten die Arbeitsgerichte das Gesetz bei Streiks so auslegen, dass es mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Spaltung von Belegschaften verhindern
Auf den Weg gebracht hatte die neue Regelung Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), die damit eine Spaltung von Belegschaften in immer kleinere Gewerkschaften verhindern will. Die Kläger bestritten den Vorwurf und fürchteten gleichzeitig um ihre Durchsetzungskraft in den Unternehmen, da die von ihnen ausgehandelten Tarifverträge nicht mehr automatisch Geltung hätten.
Angewandt wurde die neue Regelung noch nicht. Allerdings brodeln bereits Konflikte, etwa bei der Lufthansa-Billigtochter Eurowings.
Auch bei der Bahn kommt das Gesetz trotz einer Streikserie nicht zum Zug. Hier dürfen die Lokführergewerkschaft GDL und die größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) unabhängig voneinander Tarifverträge mit der Bahn aushandeln.
Az. 1 BvR 1571/15 u.a.