China vor grundsätzlichem Umbau der Wirtschaft "Weg vom Export, hin zum Konsum"
Trotz der weltweiten Krise ist die chinesische Wirtschaft im zweiten Quartal um fast acht Prozent gewachsen. Das verdankt die Volksrepublik auch dem staatlichen Konjunkturprogramm. China steht jetzt vor einem grundsätzlichen Umbau der Wirtschaft.
Von Astrid Freyeisen, ARD-Hörfunkstudio Schanghai
Dass das chinesische Statistikamt so schnell hoffnungsvolle Wirtschaftszahlen verkünden würde, überrascht wohl selbst Experten: 7,9 Prozent Wachstum im zweiten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Ein Plus von 1,8 Prozent im Vergleich zum ersten Quartal. Erst kürzlich hatten der Internationale Währungsfonds und die Weltbank ihre Wachstumsprognosen für 2009 nach oben korrigiert. Auf über sieben Prozent, China selbst will acht erreichen.
Arbeitslosigkeit weiter hoch
Dennoch gibt Chefstatistiker Li Xiaochao keine Entwarnung. Es mangele nach wie vor an Arbeitsplätzen. "Obwohl sich unsere Wirtschaft zu erholen beginnt, ist noch viel zu tun, bevor dieser Bedarf an Arbeitsplätzen gedeckt werden kann. Wir spüren nach wie vor einen hohen Druck", sagt er.
Gerade in den westlichen Landesteilen ist die Lage demnach angespannt: Von dort sind über zwei Millionen weitere Wanderarbeiter zur Suche nach einem Job in andere Teile des Landes aufgebrochen. Die Industrieproduktion ist nach Angaben des Statistikamtes um knapp elf Prozent gestiegen. Nach Anweisung aus Peking haben die meist staatlichen Banken im ersten Halbjahr das Volumen der Kreditvergabe gegenüber dem Vorjahr verdoppelt.
"China steht vor Umbau der Wirtschaft"
Chefstatistiker Li betont, dass massiv in den Ausbau des bislang kaum vorhandenen sozialen Netzes investiert werde. Angst vor Elend durch Krankheit und Alter - ein Kernproblem in China. Das weiß auch der Ökonom Tom Doctoroff aus Schanghai. "Solche Reformen sind sehr schwer umzusetzen", meint er. Wenn man sich das Konjunkturprogramm der chinesischen Regierung in der Krise anschaue, gehe es vor allem um Infrastruktur, um Eisenbahn und Bauprojekte. "Es geht nicht um Dienstleistungen, es hilft nicht den kleinen Unternehmen, leichter an Kapital heranzukommen. China steht vor einem grundsätzlichen, langfristigen Umbau der Wirtschaft weg von Investitionen und Export, hin zum Konsum."
Konjunkturprogramm soll Export-Minus ausgleichen
Die Frage ist, ob das Konjunkturprogramm der Regierung den weggefallenen Wachstumsmotor Export lange ausgleichen kann. Im Juni hat sich der Niedergang des Exports zwar verlangsamt, aber verglichen mit Juni 2008 gab es immer noch ein Minus von 21 Prozent.
Dennoch registriert man bei der deutschen Handelskammer Schanghai eine positive Stimmung unter den über 1000 Mitgliedern vor allem aus dem Mittelstand. Auch Großkonzerne geben sich zuversichtlich. "Insgesamt bin ich relativ zufrieden", sagt etwa Siemens-China-Chef Richard Hausmann schon Ende Mai.
Chinesischer Nationalismus
Die europäische Handelskammer beklagt in ihrem jüngsten Stimmungsbericht, dass in der Krise immer wieder wirtschaftlicher Nationalismus zu beobachten sei. EU-Handelskammerpräsident Jörg Wuttke sagt, dass europäische Firmen gern mehr an Chinas Wachstum teilnehmen würden. "Wir haben aber Schwierigkeiten damit. Der Anruf von Kanzlerin Merkel bei Premier Wen war sicher sehr hilfreich. Premier Wen hat ein sehr starkes Statement danach abgegeben: Deutsche oder europäische Investitionen in China werden als chinesische Produkte betrachtet." Allerdings müssten nun Taten folgen.