Debatte über Lohnfortzahlung ver.di gegen "Impfpflicht durch Hintertür"
Die Gewerkschaften kritisieren Pläne der Bundesländer, Ungeimpften in Quarantäne keinen Lohnersatz mehr zu zahlen. ver.di befürchtet eine Benachteiligung Ungeimpfter. Der DGB bemängelt, arbeitsrechtliche Konsequenzen würden nicht bedacht.
Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hat das Vorhaben vieler Bundesländer kritisiert, die Lohnersatzzahlungen für Ungeimpfte in Quarantäne zu beenden. Aus Sicht der Gewerkschaft sei es falsch zu versuchen, eine "Impfpflicht durch die Hintertür einzuführen", sagte der Gewerkschaftschef Frank Werneke den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Die Politik steht im Wort, dass Impfen freiwillig bleiben soll."
Die von Arbeitgeberverbänden und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ausgelöste Debatte zur Streichung des Entgeltersatzes sei kontraproduktiv, sagte der ver.di-Vorsitzende. Diese verlagere die Konflikte in Betriebe und Belegschaften und sorge für Verunsicherung. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften leisteten laut Werneke seit Monaten einen aktiven Anteil daran, das Impftempo in Deutschland zu beschleunigen. "Arbeitgeber sind nun gefordert, nachdrücklich für Impfungen zu werben und sie in der Arbeitszeit zu ermöglichen", sagte Werneke.
Auch der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann kritisierte die Pläne vieler Bundesländer, Ungeimpften bald keine Entschädigung für Verdienstausfälle mehr zu zahlen, wenn sie in Quarantäne müssen. Im Deutschlandfunk sagte er, im Zweifel müssten hier auch Gesundheitsdaten offengelegt werden. Viele arbeitsrechtliche Konsequenzen würden nicht bedacht. Es sei ein Gebot der Solidarität, sich impfen zu lassen, aber nicht mit dem Instrument, den Entgeltersatz zu streichen.
Bund und Länder suchen gemeinsame Linie
Im Streit um die Entschädigung für Verdienstausfälle von Ungeimpften, die sich in Quarantäne begeben müssen, wollen Bund und Länder eine gemeinsame Regelung vorlegen. "Wir versuchen, mit den Ländern eine gemeinsame Linie bei der Lohnersatzleistung zu finden", hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn der "Rheinischen Post" gesagt. Demnach wollten die Gesundheitsministerinnen und -minister der Länder eine übergreifende Einigung erzielen.
Bei der Neuregelung geht es um einen Passus im Infektionsschutzgesetz. Demnach bekommen Menschen, die auf behördliche Anweisung in häusliche Isolation müssen, dadurch nicht arbeiten können und keinen Lohn mehr erhalten, eine staatliche Entschädigung in Höhe des Verdienstausfalls. Keine Entschädigung erhält laut Gesetz allerdings, wer den Ausfall durch Inanspruchnahme einer empfohlenen Schutzimpfung hätte vermeiden können. Bisher wurde in diesen Fällen trotzdem gezahlt - nicht zuletzt, weil in der Vergangenheit nicht genügend Corona-Impfstoff zur Verfügung stand.
Keine Fortzahlung in einigen Bundesländern
Einige Bundesländer haben allerdings inzwischen ein Ende der Lohnersatzleistungen beschlossen - oder ziehen dies in Erwägung. Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist davon unabhängig. Für eine bundeseinheitliche Regelung warb etwa Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier. Es müsse klar sein: "Es gibt nur eine Entschädigung, wenn es für den Betroffenen unvermeidbar war", sagte er dem "Handelsblatt". Allerdings solle man eine solche Neuregelung "nicht überstürzen".
Im öffentlichen Bereich, wo der Zugang für alle nötig ist, soll laut Bouffier künftig ein Schnelltest für Ungeimpfte nicht mehr genügen. Er gehe davon aus, dass "ein PCR-Test nötig sein wird", sagte der CDU-Politiker dem "Handelsblatt". Zudem halte er es für richtig, wenn private Unternehmen Ungeimpften den Zugang in ein Geschäft verwehren. "Wer sich nicht impft, muss das akzeptieren."
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek sprach sich für eine bundeseinheitliche Aussetzung der Lohnersatzleistungen aus. "Klar ist: Jeder darf sich impfen lassen, niemand muss", sagte der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland". Wer sich aber bewusst gegen eine Impfung entscheide, obwohl medizinisch nichts dagegen spreche, handle unsolidarisch. Dann könne er von der Solidargemeinschaft auch keine Entschädigung verlangen.
Ende der Lohnfortzahlung juristisch umstritten
Unter Juristen ist der mögliche Wegfall der Lohnersatzleistung für Ungeimpfte indes umstritten. Der Berliner Verfassungsrechtler Christian Pestalozza sagte dem "Handelsblatt", er halte ein solches Vorgehen für machbar. Allerdings müsse Nichtgeimpften bis zur Umsetzung eine hinreichende Frist gewährt werden, sich doch noch impfen zu lassen. "Ohne eine solche Übergangsregelung würde die Sanktion eine unzulässige Rückwirkung entfalten", sagte Pestalozza. Auch dürften bei Betroffenen keine medizinischen Gründe gegen eine Impfung sprechen.
Der Leipziger Staatsrechtler Christoph Degenhardt hält dagegen einen Stopp von Quarantäne-Entschädigungen nicht generell für zulässig. Möglich wäre dies nach seiner Auffassung nur, wenn sich Ungeimpfte zudem bewusst an einen Corona-Hotspot begeben. Als Beispiel nannte der Jurist im "Handelsblatt" etwa Reisen in ein Corona-Hochinzidenzgebiet.