Coronavirus Wirtschaft in Sorge vor Lieferengpässen
Wochenlang stand in China die Produktion still - nun drohen die Auswirkungen mit Verzögerung auf Europa durchzuschlagen: Industrie- und Handelsverbände rechnen mit Lieferengpässen und steigenden Fertigungskosten.
Die Folgen der Coronavirus-Pandemie werden Industrie- und Handelsvertretern zufolge in den nächsten Wochen verstärkt die deutsche Wirtschaft treffen.
Nach dem Ausbruch der Infektionen mit dem Erreger SARS-CoV-2 um das chinesische Neujahrsfest standen dort wochenlang Fabriken still, nun läuft die Produktion langsam wieder an. In der am schwersten betroffenen Provinz Hubei wird nach Berichten chinesischer Staatsmedien gerade erst wieder die Arbeit aufgenommen. Daher sind Vorprodukte oder Bauteile, die nach Deutschland importiert und weiterverarbeitet werden, knapper als sonst.
Dabei hatte der nötige Transport aus Fernost der Wirtschaft hierzulande noch eine Atempause verschafft: Die durchschnittliche Transportdauer von China in die EU beläuft sich auf dem Seeweg auf sechs Wochen, auf dem Landweg per Güterzug sind es etwa drei Wochen. Nun schlagen die Auswirkungen der Coronakrise mit Verzögerung auf Produktion und Handel in Europa durch.
Lieferengpässe ab April in Märkten spürbar?
Betroffen ist vor allem die Elektronikbranche. China sei der "mit Abstand größte ausländische Lieferant für den deutschen Elektromarkt", sagte Andreas Gontermann vom Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI). Die Lieferschwierigkeiten beträfen die Branche zwar "nicht flächendeckend", etliche Unternehmen berichteten aber bereits von Störungen im Ablauf. Bei einem bisherigen Importvolumen von 52 Milliarden Euro pro Jahr lasse sich das Ausmaß der Krise nur abschätzen - denn auch Vorprodukte aus anderen Ländern könnten wiederum Bauteile aus China enthalten.
Auch Verbraucher könnten die Auswirkungen in den Elektro-Fachgeschäften zu spüren bekommen. "Aktuell lassen sich noch keine Lieferengpässe durch die Restriktionen des Coronavirus feststellen, derzeit rechnen wir für April mit ersten möglichen Lieferengpässen und steigenden Wareneinstandspreisen", sagte Alexander Maier vom Elektro-Großhändler Ingram Micro bei München.
Besorgt ist auch die für Deutschland wichtige Autoindustrie. Eine Sprecherin von Audi etwa versicherte, derzeit laufe die Produktion an allen Standorten normal. "Es ist natürlich nicht abzusehen, wie sich die Lage mittelfristig - insbesondere mit Blick auf die Lieferkette - entwickeln wird."
Auch an Transport-Knoten ist der Rückgang spürbar: Am Flughafen Frankfurt am Main sei die Menge an Luftfracht bislang um acht Prozent niedriger als im Vergleich zum Vorjahr ausgefallen, meldete der Betreiber Fraport. An Fluggästen zählte das Unternehmen an Deutschlands größtem Luftfahrt-Drehkreuz bislang vier Prozent weniger als ein Jahr zuvor.
Die Angst vor dem neuartigen Coronavirus hat dem Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport im Februar weitere Rückgänge eingebrockt. Insgesamt zählte das Unternehmen an Deutschlands größtem Luftfahrt-Drehkreuz rund 4,4 Millionen Fluggäste und damit vier Prozent weniger als ein Jahr zuvor, wie Fraport am Donnerstag in Frankfurt mitteilte. Besonders gegen Monatsende habe die Virus-Epidemie stark auf die Nachfrage gedrückt. Zudem hatten Airlines wie die Lufthansa schon den ganzen Monat über Flüge nach China gestoppt. Anfang Februar hatte auch Orkan «Sabine» für Flugausfälle gesorgt. Noch stärker als das Passagieraufkommen ging die Menge an Luftfracht zurück. Mit gut 146 100 Tonnen lag das Cargo-Volumen acht Prozent niedriger als ein Jahr zuvor. Der zusätzliche Tag im Schaltjahr habe die Virus-Folgen bei Weitem nicht ausgleichen können, hieß es.
Kliniken warnen: Spenderblut wird knapp
Wie sich die Corona-Pandemie auf die Versorgung mit Medikamenten und Medizinprodukten auswirkt, ist unklar: Der in Mannheim ansässige Pharmagroßhandel Phoenix etwa wiegelt ab, man rechne nicht damit, "dass es bis zum Sommer 2020 aufgrund von Corona zu Engpässen in der Versorgung in Deutschland kommt". Was das für die Lage im Sommer bedeute, wollte der Sprecher nicht kommentieren.
Vereinzelt teilen Kliniken und Hilfsgesellschaften mit, dass Blutspenden in Kliniken knapp zu werden drohten. Die Unikliniken Greifswald und Rostock meldeten einen Mangel an Blutspendern. Man gehe bereits auf Mitarbeiter der Universitätsmedizin mit der Bitte zu, Blut zu spenden, sagte Andreas Greinacher von der Abteilung für Transfusionsmedizin in Greifswald.
Auch der Blutspendedienst Nord-Ost des Deutschen Roten Kreuzes teilte mit, es komme derzeit zu einem verstärkten Rückgang der Spenderzahlen. Hintergrund sei aber nicht nur die Corona-Epidemie, sondern auch die jahreszeitlich bedingte Zunahme von Erkältungs- und Influenzaerkrankungen - ähnlich äußerten sich auch die Vertreter der Universitätskliniken.