Neuer "Cum-Ex"-Prozess Privatbanker muss vor Gericht
Kommende Woche beginnt der bundesweit zweite „Cum-Ex“-Prozess vor dem Landgericht Bonn. Vor Gericht steht ein früherer Generalbevollmächtigter der Hamburger Privatbank MM Warburg. Es wird hart zur Sache gehen.
Die Sicherheitsbestimmungen sind streng in Corona-Zeiten. Nur wenige Zuschauer werden zugelassen sein, wenn am kommenden Dienstag der bundesweit zweite „Cum-Ex“-Prozess vor dem Landgericht Bonn startet. Masken zählen zur Pflicht. Ganz besonders, weil der angeklagte frühere Generalbevollmächtigte der Hamburger Privatbank MM Warburg inzwischen 77 Jahre alt ist und zur Risikogruppe zählt.
Acht Monate, nachdem das Bonner Gericht in einer dramatischen Sitzung kurz vor dem Corona-Lockdown zwei britische Aktienhändler wegen Steuerhinterziehung zu Bewährungsstrafen verurteilte, geht die Aufarbeitung des wohl größten Steuerskandals der Bundesgeschichte nun in die nächste Runde. Doch dieses Mal wird es anders als beim ersten „Cum-Ex“-Verfahren, bei dem zwei geständige Kronzeugen zugaben, mit komplizierten Aktien-Kreisgeschäften Steuererstattungen kassiert zu haben. Für Steuern, die zuvor niemand abgeführt hatte. Ein Griff in die Staatskasse.
Gefängnisstrafe droht
Im bevorstehenden Verfahren stehen die Vorzeichen indes auf Schlagabtausch. Der einstige Warburg-Banker bestreitet vehement die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft, nach denen er sich in 13 Fällen der besonders schweren Steuerhinterziehung schuldig gemacht haben soll. Die Strafverfolger beziffern den Schaden auf 325 Millionen Euro. Sollten die Verteidiger des Ex-Warburg-Managers das Gericht nicht von seiner Unschuld überzeugen, droht ihm eine lange Gefängnisstrafe.
Bereits im schriftlichen Urteil zum ersten Bonner Prozess findet sich der Name des Angeklagten mehr als 150 Mal. Detailliert führt der Vorsitzende Richter Roland Zickler darin aus, dass der Banker die Aktien-Kreisgeschäfte zu Lasten der Staatskassen durchschaut, sie mitgeplant habe und auch an der Gewinnverteilung beteiligt gewesen sei. Wenig plausibel sei es, heißt es im noch nicht rechtskräftigen Urteil, dass sich die verantwortlichen Entscheidungsträger einer deutschen Privatbank auf derart hochvolumige Geschäfte einließen, ohne die dahinterliegende Strategie vollständig verstanden zu haben.
Vorwurf der Befangenheit
Die Anwälte des Bankers sehen in derartigen Ausführungen eine Vorverurteilung - und gaben bereits vor Eröffnung des Verfahrens einen Vorgeschmack auf das, was in der Hauptverhandlung folgen könnte. Unzählige Seiten Schriftsätze reichten sie ein und warfen Staatsanwaltschaft und Gericht Befangenheit vor.
Die Anwältin des Angeklagten reagierte auf eine Anfrage nicht. Im Namen der Privatbank MM Warburg meldete sich die Medienrechtskanzlei Nesselhauf. Antworten auf die Fragen von WDR und „Süddeutscher Zeitung“ werde der bevorstehende Strafprozess geben, dem man nicht vorgreifen werde, heißt es in einem Schreiben.
Zu keiner Zeit habe die Warburg-Gruppe die Absicht verfolgt, steuerrechtswidrige Aktiengeschäfte zu betreiben, zu fördern oder sich an darauf ausgerichteten Absprachen zu beteiligen. Nie habe es die Absicht gegeben, gegenüber Finanzämtern unzutreffende Erklärungen abzugeben oder Steuererstattungen zu verlangen, wenn darauf kein Anspruch bestand.
Warburg-Chef Olearius im Visier?
Nicht nur in Warburg-Kreisen wähnt man hinter dem bevorstehenden Prozess gegen den 77-Jährigen eine Strategie der Strafverfolger. Die Staatsanwaltschaft Köln, so die Einschätzung zahlreicher Prozessbeobachter, habe eigentlich den Warburg-Miteigentümer Christian Olearius im Visier. Sollte der nun Angeklagte vor Gericht doch noch umfassend aussagen und auch Olearius belasten, so das angebliche Kalkül, könne er die drohende Strafe mildern.
Olearius wiederum hat sich zusätzlich zu den bisherigen Anwälten prominenten Beistand aus Bayern geholt: Peter Gauweiler. Der Jurist hat sich unlängst öffentlich positioniert. Er will, so lassen sich seine ersten Äußerungen deuten, aus einem möglichen Gerichtsverfahren gegen seinen neuen Mandanten einen Musterprozess machen. Einen Prozess, in dem es um das Versagen des Staates geht, der Cum-Ex-Geschäfte jahrelang für statthaft erklärt habe.