Schlusslicht in Europa Deutsche kaufen kaum Lebensmittel online
Wenn es um die Buchung von Reisen oder den Kauf von Modeartikeln geht, nutzen viele Deutsche das Internet. Lebensmittel dagegen bestellen sie kaum online. Deutschland hinkt hier anderen Ländern Europas hinterher.
Fleisch, Gemüse und Obst kaufen die meisten Deutschen immer noch am liebsten im Supermarkt oder beim Discounter um die Ecke - bei Aldi, Lidl, Rewe oder Edeka. Online-Shopping meiden sie. Gerade mal zwei Prozent der Umsätze im Lebensmittelbereich kommen hierzulande übers Internet. Das ist das Ergebnis einer Studie des Marktforschungsunternehmens NielsenIQ.
Franzosen und Briten kaufen eher Lebensmittel übers Internet
In anderen Ländern Europas ist der Online-Anteil höher. In Frankreich stammen 10,8 Prozent der Lebensmitteleinkäufe aus dem E-Commerce. In Großbritannien sind es sogar 13,8 Prozent. "Beim Onlinehandel mit Lebensmittel und anderen Konsumgütern ist Deutschland Schlusslicht in Europa", sagt Handelsexperte Thomas Montiel Castro, Mitautor der Studie. "Daran hat auch Corona nichts geändert."
Ein Grund für die Zurückhaltung der Deutschen beim Online-Shopping von Lebensmitteln ist die große Zahl von Supermärkten, Discountern und Drogeriemärkten in Deutschland. Der nächstgelegene Laden ist oft nur ein paar Minuten Fußmarsch entfernt. In anderen Teilen Europas ist die Dichte an Lebensmittelgeschäften geringer.
Handelsriesen halten sich mit Online-Angeboten zurück
Hinzu kommt, dass die meisten großen Handelsketten in Deutschland online nicht sehr präsent seien, meint Nielsen-Experte Montiel Castro. Hierzulande fehle es noch an ausreichenden Konsumgüterangeboten im Internet. Gäbe es die, würden auch mehr Menschen ihre großen Wochenendeinkäufe online erledigen, glaubt Montiel Castro.
Das bestätigt eine Studie des Kölner Instituts für Handelsforschung. Danach hat nur knapp ein Viertel der deutschen Verbraucher wirklich eine Auswahl von Anbietern, die auch im Internet ausliefern.
Online-Lieferdienste drängen in den Markt
Dabei hat es derzeit den Anschein, dass sich im deutschen online-Lebensmittelhandel einiges tut. Online-Lieferdienste wie Gorillas, Flink oder Picnic drängen momentan auf den Markt und expandieren in zahlreichen deutschen Städten. Die Fahrradkuriere haben das Stadtbild verändert. Flink bringt eigenen Angaben zufolge in 41 Städten bestellte Lebensmittel innerhalb weniger Minuten in die Haushalte. Konkurrent Gorillas verspricht in 23 Städten die Lieferung innerhalb von nur zehn Minuten.
Nur Rewe aktiv
Unter den deutschen Handelsriesen ist lediglich Rewe im E-Commerce sehr aktiv. Der Kölner Konzern bietet aktuell in 75 Städten einen Lieferservice für online bestellte Waren. Das Geschäft boomt. In diesem Jahr "haben wir die Umsätze im E-Commerce um rund 50 Prozent auf über 700 Millionen Euro gesteigert", sagt Rewe-Chef Lionel Souqué.
Die Konkurrenz der schnellen Online-Lieferdienste sieht Souqué gelassen. Das Marktsegment wachse sehr schnell, sei aber noch "total unprofitabel", meint er. Am Ende würden ein oder zwei Anbieter überleben, glaubt er. Rewe selbst setzt auf Flink. Der Lebensmittelriese hat sich mit zehn Prozent an dem Schnellieferdienst beteiligt.
Lebensmittelhandel in der "Online-Falle"
Die meisten Lebensmittel-Einzelhändler sehen den Online-Verkauf noch als Bedrohung. Je mehr über das Internet verkauft wird, desto weniger Gewinn gibt es im stationären Einzelhandel. Laut einer Studie des Kreditversicherers Euler Hermes führt jedes Prozent der Lebensverkäufe, das im Internet getätigt wird, zu Gewinneinbußen von mindestens 500 Millionen Euro - bei einem durchschnittlichen Betriebsergebnis von 3,7 Prozent. Euler-Hermes spricht von der "Online-Falle" im Lebensmittelhandel.
Folglich hänge es von Aldi, Lidl, Edeka & Co. ab, ob es im deutschen Online-Lebensmittelhandel zum Durchbruch kommt, betonen die Experten von NielsenIQ in ihrer heute vorgelegten Studie. "Die großen Handelsjetten müssen ihr Onlineangebot deutlich ausbauen - und das im ganzen Land, nicht nur in einigen Ballungsgebieten."