Tesla-Fabrik in Grünheide Wird jetzt ganz Brandenburg "giga"?
Tesla hat die ersten in der "Gigafabrik" Grünheide produzierten E-Autos ausgeliefert - unter den Augen von Konzernchef Musk. Brandenburgs Selbstbewusstsein als Automobil-Region wächst, auch wegen weiterer Firmen-Ansiedlungen.
In den vergangenen Tagen hat sich der exzentrische Tesla-Chef ein bizarres Twitter-Gefecht geliefert mit dem tschetschenischen Diktator Ramsan Kaydrow, der auch als "Bluthund Putins" bezeichnet wird. Zuvor hatte der Tech-Milliardär den russischen Präsidenten zum Zweikampf aufgefordert. Einsatz: die Ukraine.
Bei all der Show und seinen vielen schrägen Tweets gerät immer wieder in den Hintergrund, was Musk eigentlich ist: Unternehmer. In dieser Funktion hat der E-Auto-Pionier heute in Grünheide die ersten Fahrzeuge "made in Brandenburg” persönlich an die Kundinnen und Kunden übergeben.
Rekord-Ansiedlung für Ostdeutschland
Es ist die größte Industrieansiedlung im Osten Deutschland seit der Wende. Entsprechend prominent besetzt die Tesla-Gästeliste: Bundeskanzler Olaf Scholz war bei der Eröffnung anwesend, ebenso Wirtschaftsminister Robert Habeck.
Scholz' Parteifreund Dietmar Woidke natürlich auch: Der brandenburgische Ministerpräsident hatte damals zusammen mit seinem Wirtschaftsminister den Hut in den Ring geworfen, als Musk - per Twitter - verkündete, ein Werk in Europa zu bauen. Das war im Frühjahr 2019. Heute, drei Jahre später, spricht Woidke von einem kleinem Sonnenstrahl in dunklen Zeiten - und dass man jetzt nicht mehr "die verlängerte Werkbank des Westens" sei.
"Urplötzlich kennt man uns"
Woidke ist stolz, denn er kennt die Wirtschaftsgeschichte seines Bundeslandes nur zur zu gut, er weiß um die Nackenschläge, die Brandenburg in den vergangenen Jahren erleiden musste. Mehrere Großansiedlungen wurden in den Sand gesetzt.
Cargolifter wollte im Dahme-Spreewald beispielsweise einst Luftschiffe bauen. 500 Arbeitsplätze sollten dort entstehen. Ein anderer Flop: die Chipfabrik in Frankfurt/Oder. Seitdem sei viel passiert, sagt der Wirtschaftsminister des Landes, Jörg Steinbach. Brandenburg habe sich in Sachen Wirtschaftskraft in der Bundesland-Tabelle von unten nach oben gearbeitet: "Urplötzlich kennt man uns, urplötzlich fragt man bei uns an", sagt der SPD-Politiker.
Brandenburg im "Tesla-Zauber"
Und die Zahlen, die im Zusammenhang mit Tesla genannt werden, sind nicht nur für Brandenburger Verhältnisse beeindruckend. Jährlich sollen am Rande Berlins 500.000 Fahrzeuge von Band rollen, produziert von 12.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
"Brandenburg gehört damit auf einen Schlag zu den wichtigen Automotive-Standorten in Deutschland", sagt Steffen Kammradt, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Brandenburg. Die Agentur im Besitz des Landes berät Unternehmen und Investoren, die sich in dem Bundesland niederlassen wollen. Kammradt berichtet von einem wahren Schub an Investitionsanfragen, seit sich Musk für Brandenburg entschieden hat. Brandenburg sei auf der Landkarte neu verortet, so Kammradt. Er spricht von einem "Tesla-Zauber".
Neuansiedlungen in der ganzen Region
Ähnlich optimistisch ist man angesichts der jüngsten Wirtschaftsentwicklung des Landes beim Prognos-Institut. Dort heißt es, in Brandenburg würde die Autoindustrie neu erfunden. In Schwarzheide beispielsweise baut BASF gerade eine Kathodenfabrik. In den Anlagen soll das Material für 400.000 Elektrofahrzeuge pro Jahr hergestellt werden.
In der Nähe der polnischen Grenze ist die Firma Rock Tech aktiv. Das deutsch-kanadische Unternehmen will ab 2024 in Brandenburg das größte Lithium-Werk Europas an den Start bringen. Lithium gilt als einer der wichtigsten Rohstoffe für den Bau von Batterien für Elektroautos.
Dazu kommt das US-Unternehmen Microvast, dass in Brandenburg seine Europazentrale angesiedelt hat und schnellladefähige Batterien für Lkw produziert. In dem Bundesland werde gerade in atemberaubendem Tempo eine neue Wertschöpfungskette aufgebaut, so Wirtschaftsförderer Kammradt.
"Man kann jetzt mitspielen"
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) tritt dagegen, wenn auch sanft, auf die Euphorie-Bremse. Von einem "Autovalley" will Forschungsdirektor Industriepolitik, Martin Gornig, noch nicht sprechen. In seinen Augen hat Brandenburg aber gute Karten auf der Hand.
"Das wird nicht von allein laufen. Da ist jetzt die Wirtschaftspolitik gefordert. Es braucht zum Beispiel Kooperationen zwischen Unternehmen und Universitäten." Der Wirtschaftsexperte verweist auf die Auto-Cluster in Stuttgart oder München. Auch dort baue man Kompetenzzentren auf, so Gornig.
Die großen Unternehmen wie Tesla, BASF und Rock Tech sind da - jetzt hoffen sie in Brandenburg auf kleine, innovative Zulieferer, die sogenannten "Hidden Champions", wie sie die Universität Dortmund in einer Studie bezeichnet hat. Von den 50 deutschen Zulieferern des Model 3 von Tesla kommen beispielsweise immer noch die meisten nicht aus Brandenburg, sondern aus West- und Süddeutschland.
Brandenburg, bringt es Gornig auf den Punkt, sei eben nicht der einzige relevante Standort beim Thema E-Mobilität. "Man kann jetzt aber plötzlich mitspielen. Ohne Tesla ginge das gar nicht."