Künstliche Intelligenz Wie weit ist Deutschland im Tech-Rennen?
Künstliche Intelligenz dürfte den Alltag zunehmend prägen. Eine wachsende Zahl deutscher Unternehmen nutzt die Möglichkeiten, doch viele sind auch zögerlich. Wo steht Deutschland im internationalen Vergleich?
Wenn es um Künstliche Intelligenz (KI) geht, spricht die Wirtschaft gerne vom "next big thing" - der nächsten ganz großen Sache. Eine Auswertung des Münchner ifo-Instituts zeigt: eine ganz so große Rolle spielt die KI für die Unternehmen in Deutschland gegenwärtig nicht. Auf Basis von Daten der EU-Statistikbehörden Eurostat hat das Institut berechnet: 12 Prozent der Unternehmen in Deutschland haben im Jahr 2023 zumindest eine KI-Anwendungen eingesetzt. Es waren vor allem größere Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern.
Beschäftigten fehlen KI-Kenntnisse
Professor Oliver Falck vom ifo-Institut sieht beim Thema KI für die Unternehmen unterschiedliche Hürden. "Das ist Haupthindernis sind die mangelnden Kompetenzen, die mangelnden Fähigkeiten im Umgang mit KI unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern."
Das zeigt: wer KI einsetzt, muss sie auch verstehen und bedienen können. Nicht immer ist das so einfach. Aktuell kommen KI-Anwendungen in deutschen Unternehmen vor allem dann zum Einsatz, wenn es um Prozesse in der IT oder um Textverarbeitung geht, zum Beispiel im Marketing. Insgesamt aber scheint die Zurückhaltung deutscher Unternehmen noch groß.
Ifo-Professor Oliver Falck betont, dass dabei auch rechtliche Gründe eine Rolle spielen. "Was darf man, was darf man nicht? Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind noch ein großes Thema." Es gebe unter den Unternehmen eine große Unsicherheit, vor allem auch mit Blick auf das EU-Gesetz zur Künstlichen Intelligenz und die Frage, wie es in Deutschland umgesetzt wird.
Im EU-Vergleich auf Rang sieben
Trotz der Hürden - deutsche Unternehmen stehen im Vergleich mit den anderen EU-Staaten im vorderen Bereich, auf Rang sieben. Der ifo-Studie zufolge setzen nur Unternehmen in Dänemark, Finnland, Luxemburg, Belgien, den Niederlanden und Malta die KI noch stärker ein.
Wenn es aber um die Entwicklung neuer KI-Anwendungen oder die technische Infrastruktur geht, spielt die Europäische Union nur eine Nebenrolle. Chris-Oliver Schickentanz, Vorstandsmitglied beim Vermögensverwalter Capitell, hebt hervor: Die großen Player sitzen in den USA. Im Silicon Valley habe man den Trend frühzeitig erkannt: "Und wir haben dort natürlich auch Konzerne, die richtig tiefe Taschen haben. Denn KI ist ja zu Beginn gar nicht so billig. Ich muss zunächst mal investieren, um dann überhaupt die Kapazitäten zu haben, meine Modelle zu trainieren und KI dann auch sinnvoll einzusetzen."
Es kostet Zeit und Geld
Der Vorsprung der Tech-Konzerne aus den USA zeigt sich deutlich an der Börse. Nach einer Auswertung der Beratungsfirma EY hat der Boom um KI die Kurse weltweit beflügelt - doch konnten davon vor allem US-Konzerne profitieren. Unter den 100 wertvollsten Börsenkonzernen der Welt fanden sich zur Jahresmitte nur zwei aus Deutschland: Der Industriekonzern Siemens und das Softwareunternehmen SAP.
Chris-Oliver Schickentanz von Capitell sieht aber die Chance, dass bald auch andere europäische Konzerne ins Rennen eingreifen können: "Aktuell konzentriert sich die Euphorie rund um KI noch auf den Technologiesektor. Aber früher oder später werden wir uns als Anleger auch auf die Unternehmen konzentrieren, die mit KI ihr Geschäftsmodell erweitern, neue Kundengruppen erschließen können, effizienter werden." Es gebe auch eine Reihe an europäischen Unternehmen, die bei dieser Entwicklung in erster Reihe dabei sind. Als Beispiel führt Schickentanz Pharmakonzerne an, die KI in der Forschung einsetzen könnten.
Dafür aber brauchen die Unternehmen individuelle Anwendungen: auf sie zugeschnittene Lösungen, die viel Zeit und Geld kosten. Die Chancen der KI scheinen auch in Deutschland grenzenlos, im Alltag der Unternehmen aber ist das heute noch nicht immer auch schon spürbar.