Chipkonzerne unter Druck Nvidia verliert 279 Milliarden Dollar an Börsenwert
Der US-Chiphersteller Nvidia hat binnen eines Tages so viel an Wert verloren wie kein anderes US-Unternehmen zuvor. Bei Investoren wachsen Zweifel. Sind die Erwartungen an das Geschäft mit Künstlicher Intelligenz überzogen?
Es ist mal wieder ein Rekord, den der US-Chiphersteller Nvidia aufgestellt hat - diesmal allerdings ein negativer: Der Börsenwert des Spezialisten für Künstliche Intelligenz (KI) ist gestern um 279 Milliarden Dollar gesunken. So viel hat noch nie ein US-Unternehmen an einem Tag an Marktwert verloren.
Um 9,5 Prozent ging es für die Papiere des US-Unternehmens gestern nach unten. Die Marktkapitalisierung sank damit auf 2,4 Billionen US-Dollar - nachdem Nvidia Anfang Juni erstmals die Marke von drei Billionen Dollar geknackt hatte und zeitweise zum wertvollsten Unternehmen der Welt aufgestiegen war. Damit hatte Nvidia zu diesem Zeitpunkt sogar Apple und Microsoft überholt.
An den wichtigen Indizes in den USA ging der Ausverkauf bei den Chipwerten nicht spurlos vorüber: Der technologielastige Nasdaq gab 3,3 Prozent auf 17.136,30 Zähler nach, der PHLX-Chipindex verlor 7,8 Prozent. Das war sein stärkster Tagesrückgang seit 2020. Das Angstbarometer VIX, das die erwartete Schwankungsbreite des S&P 500 misst, schnellte nach oben. Anleger flohen aus Aktien und steuerten den als sicher geltenden Hafen der US-Staatsanleihen an.
Schlüsseltechnologie beim Thema KI
Dabei waren es in den vergangenen Monaten vor allem die Chipunternehmen gewesen, die immer neue Rekordgewinne einfuhren. Allein im zweiten Quartal dieses Jahres konnte Nvidia Umsatz und Gewinn erneut mehr als verdoppeln.
Was sich auch an den Aktienmärkten niederschlug: Immerhin hatte sich der Nvidia-Kurs bis zu seinem Rekordhoch zur Jahresmitte allein in diesem Jahr fast verdreifacht, seit 2023 sogar vervierfacht - vor allem dank der Aufregung rund um das Thema Künstliche Intelligenz. Die Graphik-Chips von Nvidia sind besonders leistungsfähig und gelten als Schlüsseltechnologie für das KI-Geschäft. Zusätzlich profitierte zuletzt der Konzern von Umsätzen mit dazugehöriger Software und Diensten.
Schon Quartalsprognose belastete
Ist der KI-Überschwang nun also plötzlich zu Ende? Beobachter werteten die jüngsten Verluste als Zeichen dafür, dass Investoren vorsichtiger gegenüber KI-Technologien werden. So hatte Nvidia in der vergangenen Woche eine Quartalsprognose vorgelegt, die die hohen Erwartungen der Anleger nicht erfüllte.
Bereits nach der Vorlage der Zahlen geriet die Nvidia-Aktie im nachbörslichen Handel unter Druck und büßte zunächst sieben Prozent ein. Marktexperten hatten besonderes Augenmerk auf die Aussagen zur neuen Prozessor-Generation Blackwell gelegt. Sie zeigten sich enttäuscht darüber, dass bei Blackwell noch Nacharbeiten nötig sind.
Hinzu kamen gestern enttäuschende Konjunkturdaten aus den USA und schwache Umsatzzahlen aus der US-Halbleiterbranche. Die Experten von Morgan Stanley schrieben, diese Daten seien über fast alle Produktlinien hinweg schwächer als von der Bank erwartet ausgefallen. Die Sorge, dass sich die hohen Investitionen in KI nur langsam auszahlen könnten, belastete bereits in den vergangenen Wochen die wertvollsten Unternehmen an der Wall Street und zeigte sich gestern nun erneut.
"Handel ist völlig verzerrt"
"In den letzten zwölf Monaten ist so viel Geld in Technologie- und Halbleiterwerte geflossen, dass der Handel völlig verzerrt ist", sagte Todd Sohn, ETF-Stratege bei Strategas Securities. Experten des Fondsanbieters BlackRock schrieben gestern in einer Mitteilung an Kunden, in einigen neueren Studien werde bezweifelt, dass die Einnahmen aus KI allein die Investitionswelle in die Technologie rechtfertigen würden.
"Die Risikoaversion gewinnt die Oberhand", sagte Dec Mullarkey, Managing Director bei SLC Management. Er fügte hinzu, dass die Anleger besonders im Vorfeld der kritischen Daten zur Stärke des Arbeitsmarktes, die am Freitag veröffentlicht werden sollen, vorsichtig seien. "Niemand will auf der falschen Seite stehen, wenn es darum geht, was mit den Gehaltsabrechnungen passiert", sagte er.
US-Kartellwächter haben Fragen an Nvidia
Hinzu kommen weitere schlechte Nachrichten für Nvidia: Die Finanznachrichtenagentur Bloomberg berichtete nach Handelsschluss, dass die Dominanz bei Chips für Künstliche Intelligenz den Chipkonzern laut informierten Kreisen ins Visier amerikanischer Wettbewerbshüter gerückt habe. Das US-Justizministerium habe bei Nvidia und anderen Unternehmen Informationen mit rechtlich verbindlichen Anfragen eingefordert, berichtete der Finanzdienst. Die Aktie fiel im nachbörslichen Handel um weitere 2,4 Prozent.
Mit Informationen von Lilli-Marie Hiltscher, ARD-Finanzredaktion