Neue Investitionspläne Boom für das "Silicon Saxony"
In Sachsens Chipindustrie entstehen immer mehr neue Jobs. Mehrere Zehntausend Menschen sind hier schon beschäftigt. Mit dem globalen Halbleiter-Mangel bekommt die Region einen zusätzlichen Schub.
Zuletzt ging es Schlag auf Schlag: Innerhalb von nur wenigen Tagen verkündeten gleich drei große Halbleiterhersteller milliardenschwere Investitionspläne für ihre Werke in Sachsen. Gute Nachrichten für "Silicon Saxony", wie die Region Chemnitz-Freiberg-Dresden genannt wird, das sich längst zum wichtigsten Standort der Chipindustrie in Deutschland entwickelt hat. Anfang März kündigte der Chip-Auftragsfertiger GlobalFoundries an, die Produktion in Dresden und anderen Standorten zu erweitern. Dazu will der US-Konzern im laufenden Jahr 1,4 Milliarden Dollar in die Hand nehmen, die zu gleichen Teilen in die Chip-Fabriken in Dresden, in Malta im US-Bundesstaat New York und in Singapur gesteckt werden sollen.
In der sächsischen Landeshauptstadt soll die Produktion sogar verdoppelt werden. Eine Million Siliziumscheiben - sogenannte Wafer - will GlobalFoundries künftig in Dresden herstellen. Ob oder wie viele neue Arbeitsplätze dadurch entstehen, sagte das Unternehmen nicht. Mit mehr als 3.000 Beschäftigten ist die Dresdner Fabrik bereits jetzt das größte Halbleiterwerk Europas.
Bosch hofft auf Eröffnung noch in diesem Jahr
Anfang der Woche berichtete auch der Technologiekonzern Bosch über den neuesten Stand seiner künftigen Chipfabrik in Dresden. Eine Milliarde Euro haben die Stuttgarter in die Hand genommen, die größte Einzelinvestition der Firmengeschichte, um in der sächsischen Landeshauptstadt Halbleiter für die Autoindustrie herzustellen.
Die Autofirmen müssen sich aber noch ein paar Monate gedulden. "In diesem Jahr wollen wir die Chipfabrik der Zukunft eröffnen", sagte Bosch-Geschäftsführer Harald Kröger. Seit Ende vergangenen Jahres läuft die Vorproduktion der Halbleiter, die in Elektro- und Hybridautos eingebaut werden sollen. Seit Kurzem ist die vollautomatisierte Fertigung von Prototypen angelaufen. Damit sei ein entscheidender Schritt zu dem für Ende dieses Jahres geplanten Produktionsstart geschafft. Bis zu 700 Arbeitsplätze werden dann entstehen, um die Anlagen zu steuern, zu überwachen und zu warten.
Auch Infineon will in Dresden investieren
Auch der größte deutsche Chiphersteller Infineon will seinen Standort Dresden ausbauen und dort in den kommenden Jahren bis zu 2,4 Milliarden Euro investieren. Das haben die beiden Standort-Geschäftsführer Thomas Morgenstern und Raik Brettschneider in einem Interview mit dem Nachrichtenportal "Oiger.de" angekündigt. Zur Debatte steht dabei eine Erweiterung der bestehenden Fertigungshallen. Ein viertes, sogenanntes Fabrikmodul würde 1,3 Milliarden Euro kosten. Zudem soll die Fertigung in den bestehenden Modulen ausgebaut werden - für zusätzliche 1,1 Milliarden Euro. Neue Jobs seien auch geplant: Bis zum Jahresende 2021 soll die Belegschaft von jetzt etwa 2800 auf 2900 Beschäftigte steigen.
Hintergrund dieses Investitionsschubs ist die weltweite Halbleiter-Knappheit. "Wegen Covid-19 haben sich Technologien in einem Jahr verbreitet, die sonst zehn Jahre dafür gebraucht hätten. Vor Ausbruch der Pandemie habe die Chip-Branche mit einem jährlichen Wachstum von fünf Prozent gerechnet, jetzt sei es doppelt so viel", sagte GlobalFoundries-Chef Thomas Caulfield.
60.000 Beschäftigte in "Silicon Saxony"
Für "Silicon Saxony" sind die Investitionspläne weitere Erfolge im Bemühen der sächsischen Staatsregierung, neben den Autobauern ein zweites industrielles Standbein in dem Bundesland zu errichten. Tatsächlich haben sich die jahrelangen Mühen ausgezahlt: Sachsen ist zu einem der bedeutendsten Standorte für Mikroelektronik in Europa aufgestiegen. Rund 2300 Unternehmen mit insgesamt 60.000 Beschäftigten sind nach Auskunft des sächsischen Wirtschaftsministeriums in der Branche tätig. Sie erwirtschaften einen jährlichen Umsatz von 14 Milliarden Euro. Davon profitieren auch Traditionsbranchen wie der Maschinen- und Anlagenbau, die Fabrikautomatisierung und die Medizintechnik.
In Sachsen hat sich die Halbleiterindustrie nach der Autoindustrie zum zweitwichtigsten Industriezweig entwickelt. Das "Autoland Sachsen" mit seinen fünf Fahrzeug- und Motorenwerken von Volkswagen, BMW und Porsche sowie rund 780 Zulieferern und Dienstleistern hat gut 95.000 Beschäftigte. Sie erbringen ein Viertel der sächsischen Industrieproduktion.
Ohne Subventionen geht es nicht
Zum Erfolg der Branche haben neben der Errichtung eines sogenannten "Clusters" aus Herstellern, Zulieferern, Dienstleistern und Forschungseinrichtungen, die es in der Region Dresden seit DDR-Zeiten gab, auch die massiven Subventionen durch den Freistaat und den Bund beigetragen.
So erwartet auch Infineon für sein Investitionsprogramm Zuschüsse des Staates. "Ein Beihilfeanteil von 25 Prozent oder mehr wäre notwendig", sagte Standort-Geschäftsführer Brettschneider. Eine entsprechende Anfrage habe Infineon nun bei Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier eingereicht.
Verschiedene Förderprogramme
Auch der US-Konzern GlobalFoundries hofft für die Umsetzung seines Vorhabens in Dresden auf öffentliche Fördergelder. Etwa ein Drittel des Geldes komme von Kunden, die sich damit Chip-Nachschub für die kommenden Jahre sichern wollten, sagte der GlobalFoundries-Chef. Ein weiteres Drittel will der Konzern aufbringen. Bliebe ein letztes Drittel, das vom Steuerzahler kommen müsste. Die Firmen verweisen dabei auf die großen Hersteller TSMC aus Taiwan und Samsung aus Südkorea, die ebenfalls massive Subventionen und andere Vergünstigungen aus der Staatskasse erhielten.
In Sachsen und Dresden scheinen die Politiker das längst verstanden zu haben. So ist es der sächsischen Staatsregierung nach eigenen Angaben gelungen, die Bundesregierung sowie die EU-Kommission dafür zu sensibilisieren, dass erfolgreiche Halbleiterhersteller eine wichtige Voraussetzung für die positive Entwicklung der deutschen und europäischen Wirtschaft sind. In der Folge wurden auf EU- und Bundes-Ebene verschiedene Förderprogramme auf den Weg gebracht. "Denn allen sollte allen klar sein, wie wichtig die Halbleiterindustrie für die Lösung großer gesellschaftlicher Probleme bis hin zum Klimawandel ist", betont Infineon-Manager Brettschneider.