Dichter Verkehr in München

Vorschriften für Verbrennungsmotoren Kippt die geplante neue Abgasnorm Euro 7?

Stand: 26.05.2023 12:10 Uhr

Um die Emissionen im Straßenverkehr weiter zu senken, will die EU-Kommission die Abgaswerte mithilfe der Euro-7-Norm strenger regeln. Doch eine Gruppe von Mitgliedsstaaten stellt sich dagegen.

Es ist zwar schon über ein halbes Jahr her, dass die EU-Kommission ihren Vorschlag für schärfere Abgasgrenzwerte im Straßenverkehr vorgelegt hat - zusammengefasst in der Euro-7-Norm; doch erst jetzt formiert sich deutlicher Widerstand aus gleich mehreren europäischen Mitgliedsländern dagegen.

Frankreich und Italien führen in diesem Fall die Koalition aus bisher acht EU-Staaten an. In einem gemeinsamen Positionspapier, das sie in dieser Woche nach Brüssel geschickt haben, lehnen sie neue Abgasvorschriften für Autos und Kleintransporter vehement ab.

Ihr Argument: Der Plan zur Verschärfung der Norm schade der Autoindustrie, vor allem aber auch allen, die sich ein Auto anschaffen wollten. Denn dadurch verteuerten sich Fahrzeuge erheblich. Mit dieser Aktion wird es unwahrscheinlich, dass der Kommissionsvorschlag schließlich abgesegnet wird und die Euro-7-Norm tatsächlich kommt.

Autoindustrie wehrt sich gegen schärfere Regeln

In Deutschland hatte sich die Automobilindustrie ohnehin von Anfang an dagegen gestellt. Die Rede war ebenfalls davon, dass die neuen Regeln Autos deutlich verteuern würden, was die Kommission allerdings zurückweist. Während die Autolobby von Preissteigerungen bis zu mehreren Tausend Euro pro Fahrzeug durch Euro 7 spricht, sieht die Kommission maximale Preisaufschläge von einigen Hundert Euro.

Sie legt außerdem Wert auf die Feststellung, dass mit der neuen Norm erstmals auch die Schadstoffe durch Bremsen und Reifen berücksichtigt würden, wie auch die Haltbarkeit von Batterien für E-Autos. Die Norm sei also zukunftsorientiert und wichtiger Teil des europäischen "Green Deal", mit dem Wirtschaft und Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten zur Klimaneutralität umgebaut werden sollen.

Scharfe Kritik an den Plänen hatte es bereits von deutschen Politikerinnen und Politikern von CDU und FDP gegeben. Jens Gieseke, EU-Parlamentarier der CDU, jedenfalls hat kaum ein gutes Haar gelassen an dem, was die Kommission beabsichtigt. Das gehe nämlich an jeder Realität vorbei: Ein weiterer Investitionszwang in Europa in eine auslaufende Technologie des Verbrennungsmotors sei das völlig falsche Signal und könne die Hersteller überfordern. Mobilität müsse bezahlbar bleiben.

Umweltverbänden geht Norm nicht weit genug

Demgegenüber übt beispielsweise die Deutsche Umwelthilfe massive Kritik an den Brüsseler Plänen - aber von der anderen Seite: Die neuen Abgasvorschriften seien viel zu lasch. Damit dürften etwa Dieselmotoren in der EU künftig dreimal dreckiger sein als in Kalifornien, heißt es.

Und die internationale Organisation Transport and Environment bemängelt, dass damit umweltschädliche Fahrzeuge immer noch eine Zukunft hätten in der EU - denn eine Umsetzung der Kommissionsvorschläge würde bedeuten, dass 100 Millionen weitere umweltschädliche Autos noch jahrzehntelang in der EU unterwegs sein würden.

Ähnlich sehen es die Grünen im Europaparlament. Ihr Abgeordneter Michael Bloss spricht von einem Einknicken der Kommission gegenüber der Autolobby, die anvisierten Grenzwerte seien nicht scharf genug.

Eine Mehrheit rückt in weite Ferne

Es sind also zwei Seiten, die sich bei diesem Konflikt mehr oder weniger unversöhnlich gegenüberstehen: Diejenigen, die nun genug haben von zusätzlichen Regeln aus Brüssel gerade für die individuelle Mobilität per Kraftfahrzeug und vor einer Überforderung der Wirtschaft und der Menschen warnen - und jene auf der anderen Seite, die einem konsequenten Umweltschutz den Vorrang geben und im Straßenverkehr eine weitere Reduzierung von Umweltgiften wollen.

Denn es geht ja bei der Euro-7-Norm nicht in erster Linie um den CO2-Ausstoß, sondern auch um Stickoxide oder Feinstaub, die beide nachweislich der Gesundheit schaden. Dazwischen steht die EU-Kommission, die auf einen Kompromiss gesetzt hat mit ihrem Vorschlag.

EU-Industriekommissar Thierry Breton meint, man habe die unterschiedlichen Interessen berücksichtigt, um mit Euro 7 einen weiteren Schritt zu mehr Umweltschutz zu realisieren. Nach dem Protestschreiben aus den acht Mitgliedsländern ist das nun allerdings mehr als zweifelhaft. Denn eine Mehrheit der EU-Staaten für die Euro-7-Norm wird so kaum mehr zustande kommen. Und damit bleibt der Kommissionsvorschlag nach einem halben Jahr, was er gewesen ist: Ein Vorschlag, nicht mehr.

 

Holger Beckmann, ARD Brüssel, tagesschau, 26.05.2023 11:13 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 25. Mai 2023 um 17:24 Uhr.