Streit über Thermofenster Deutsche Umwelthilfe darf klagen
Dürfen Umweltorganisationen gegen Behörden-Entscheidungen klagen? Ja, sagt der EuGH - und bestätigte damit, dass die Klage der Deutschen Umwelthilfe gegen sogenannte Thermofenster zulässig ist.
Die Deutsche Umwelthilfe (DU) hat vorm obersten Gericht der EU voll und ganz Recht bekommen. Auch gemeinnützige Umweltorganisationen dürfen gegen Entscheidungen von Behörden klagen, damit bestimmte Umweltstandards eingehalten werden.
Nach deutschem Recht war bislang das Problem, dass solche Organisationen grundsätzlich nicht geltend machen konnten, sie wären besonders betroffen. Sie hatten also deswegen bislang meist kein Klagerecht. Jetzt verleihen die obersten europäischen Richterinnen und Richter diesen Verbänden mehr Schlagkraft: Nach der so genannten Aarhus-Konvention von 1998 sollen Bürgerinnen und Bürger mehr an wirksamen Umweltschutz beteiligt werden.
Abgasreinigung darf nicht einfach aussetzen
Im konkreten Fall ging es um eine Klage der DU gegen die Bundesrepublik wegen eines Bescheids des Kraftfahrt-Bundesamtes in Flensburg. Mit dem Bescheid wurde ein Volkswagen-Typ genehmigt, der mit Thermofenster ausgestattet ist. Diese von vielen Autobauern eingesetzte Software verringert die Abgasreinigung in Dieseln abhängig von der Außentemperatur, wodurch die Autos vor allem bei kaltem Wetter mehr Stickoxide ausstoßen.
Hier wiederholte der Europäische Gerichtshof ganz deutlich, was er schon in einem früheren Urteil gesagt hat: Die Autohersteller dürfen die Abgasreinigung bei bestimmten Temperaturen nicht aussetzen. Wenn wie in Deutschland zum Beispiel im Jahresdurchschnitt rund zehn Grad herrschen, würde die Abgasreinigung in Fahrzeugen von VW die meiste Zeit des Jahres nicht vollständig arbeiten. Das sei grundsätzlich unzulässig, weil das dem Ziel der sauberen Luft zuwider liefe. Solche Abschalteinrichtungen könnten also nicht gerechtfertigt sein.
"Paukenschlag gegen Betrugsdiesel"
Schon im Juli hatte der EuGH grundsätzlich so entschieden. Damals ging es um Fälle aus Österreich. Volkswagen hatte dazu mitgeteilt, dass seine Thermofenster den Motor vor unmittelbaren Risiken schützten. Die Umwelthilfe erklärte nun, das neue Urteil sei ein "Paukenschlag gegen Betrugsdiesel" und forderte von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), dass das Kraftfahrt-Bundesamt alle betroffenen Fahrzeuge zurückrufen und auf Kosten der Hersteller mit wirksamer Hardware nachrüsten lassen müsse.
Ein entscheidender Punkt beim Thermofenster ist aber weiter offen: die Haftung. Die Frage ist, ob Autokäufer gegen die Hersteller einen Anspruch auf Schadenersatz haben, wenn in ihrem Wagen ein Thermofenster verbaut ist. Entsprechende Klagen liegen unter anderem beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Dieser hat Schadenersatzklagen bislang zurückgewiesen. Eine Entscheidung des EuGH zur Schadenersatz-Frage steht noch aus. Der Bundesgerichtshof befasst sich in zwei Wochen das nächste Mal mit dem Thema.
Az. C-873/19