EuGH zu Dieselskandal Wann sind Thermofenster notwendig?
Thermofenster bei der Abgasreinigung beschäftigen erneut den Europäischen Gerichtshof. Schlüsselfragen sind dabei: Durfte die Deutsche Umwelthilfe überhaupt klagen? Und: Wann sind Thermofenster "notwendig" und ausnahmsweise zulässig?
Wieder ist das sogenannte Thermofenster Thema beim höchsten Gericht der EU - also die Frage, ob bei Autos die Reinigung der Abgase in einem bestimmten Temperaturbereich ganz oder teilweise abgeschaltet werden darf. Schon im Dezember 2020 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) ganz grundsätzlich festgelegt: Abschalten, allein, damit der Motor vor Verschmutzung und Verschleiß bewahrt wird, das geht nicht.
Im Juli dieses Jahres hat der Gerichtshof seine Linie präzisiert. Da klagten VW-Kunden aus Österreich, die wegen des Dieselskandals ihre Autos zurückgeben wollten. Nach dem Softwareupdate war ebenso ein Thermofenster entstanden. Die Abgasreinigung fand nur zwischen 15 und 33 Grad statt. Das sei ganz eindeutig eine unzulässige Abschalteinrichtung, so der EuGH. Temperaturen von unter 15 Grad wären in der EU üblich. Deswegen müssten die Grenzwerte für Abgase auch eingehalten werden, wenn es kälter als 15 Grad sei.
Konkrete Gefahr oder nicht?
Ganz deutlich sagen die europäischen Richterinnen und Richter: Nur die Abgasreinigung runterzufahren, um bestimmte Motorteile zu schützen, mache das Ganze noch nicht zulässig. Aber - und um das geht es seither: Anders könnten die Dinge stehen, wenn das Abschalten notwendig ist, um eine Beschädigung zu vermeiden, die zu einer konkreten Gefahr beim Betrieb des Autos führen könnte.
Die Ausnahme ist wichtig. Denn jetzt kommt es ja darauf an: Könnte der mögliche Schaden am Motor zu einer konkreten Gefahr beim Fahren werden? Volkswagen meinte im Sommer nach der letzten EuGH-Entscheidung: Ja, die Risiken würden so schwer wiegen, dass sie beim Betrieb des Fahrzeugs eine konkrete Gefahr darstellen - abgesehen davon, dass das Unternehmen sagt, die Abgasreinigung würde sowieso erst unter zehn Grad heruntergefahren.
Klage der Deutschen Umwelthilfe
Jetzt hat der EuGH wieder Gelegenheit, etwas zum Thema zu sagen. Diesmal geht es um eine Klage aus Deutschland. Die Deutsche Umwelthilfe hat sich dagegen gewandt, dass das Kraftfahrtbundesamt das Thermofenster durchgewunken hat. Bei der Gelegenheit muss das oberste Gericht auch klären, ob die Deutsche Umwelthilfe überhaupt klagen darf - ob also eine gemeinnützige Umweltorganisation gegen Behörden vorgehen kann, wenn sie deren Entscheidungen falsch findet.
Neben dieser wichtigen Vorfrage ist aber denkbar, dass der Gerichtshof noch etwas zum Thermofenster sagt: Wie streng das mit dem Schutz der sauberen Luft gemeint ist, welchen Stand der Technik VW berücksichtigen muss und ob nicht doch auch eine Rolle spielen müsste, wie teuer die Umstellung für das Unternehmen wird.
Nicht die letzte Entscheidung im Dieselskandal
Die Entscheidung heute wird sicher nicht die letzte im Dieselskandal sein. Immer noch ist offen, ob der EuGH nicht kundenfreundlicher ist als die deutschen Gerichte, ob Autobauer eventuell auch dann zahlen müssen, wenn ihnen kein sittenwidriges Handeln nachgewiesen werden kann, sondern sie nur fahrlässig waren im Umgang mit den Abgasregeln.
Und ganz große Fragen lauten: Müssen die geschädigten Kunden sich wirklich anrechnen lassen, dass sie das Auto vor der Entschädigung genutzt haben? Die deutschen Gerichte hatten bislang gesagt, dass es wegen der Nutzung insgesamt weniger Entschädigung gibt.