Mobilität der Zukunft Ist der Verbrenner bald Geschichte?
In Europa ist das Aus des Verbrennungsmotors besiegelt. Aber wie sind auf dem globalen Automarkt die Aussichten für diese Technologie, die deutschen Herstellern jahrzehntelang Milliardengeschäfte sicherte?
Nach langen Diskussionen hat die EU in dieser Woche endgültig das Verbrenner-Aus ab dem Jahr 2035 beschlossen. Für die deutschen Autohersteller könnte diese Entscheidung Planungssicherheit bedeuten, denn es scheint, dass die Verbrenner-Technologie zumindest in Europa keine Zukunft mehr hat.
Gerade im Bereich dieser Technologie waren die deutschen Hersteller traditionell jahrzehntelang weltweit führend. Aber ganz konsequent war das Diktum nicht, denn sogenannte E-Fuels sollen zugelassen bleiben. Was bedeutet die EU-Entscheidung für die deutschen Autobauer und den globalen Automarkt?
Bekenntnis zur E-Mobilität
Einigkeit herrscht bei den deutschen Branchenvertretern dergestalt, dass sich alle gegenüber tagesschau.de zum elektrischen Antrieb bekennen. "Der Volkswagen-Konzern treibt die Elektrifizierung der Mobilität energisch und fokussiert voran", teilt ein Sprecher mit. Auch BMW setzt nach eigenen Angaben auf "konsequente Elektrifizierung des Produktportfolios". Mercedes-Benz richte das Portfolio "weltweit Schritt für Schritt auf Elektromobilität aus", so der Hersteller. Auch von Opel heißt es, die Elektrifizierung stehe im Mittelpunkt der Unternehmensstrategie. "Ab dem Jahr 2028 wird Opel in Europa komplett elektrisch sein."
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) betrachtet die E-Mobilität als zentrale Technologie, um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen: "Der Fokus in der Automobilindustrie liegt daher auf der Weiterentwicklung des Elektromotors mit Batterie- und Brennstoffzellentechnologie." Aber ist der Verbrenner damit endgültig Geschichte?
"Diskussion um Verbrenner wird weitergehen"
Dass Neuwagen mit Verbrennungsmotoren für synthetischen Kraftstoffe in der EU auch nach 2035 zugelassen werden dürfen, kritisieren Experten wie Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR-Center Automotive Research. "Ein absolutes Verbrenner-Verbot wäre richtig gewesen", so Dudenhöffer gegenüber tagesschau.de. "Durch diese Entscheidung wird die europäische Autoindustrie zurückgeworfen." Der Experte befürchtet, dass die Diskussion um den Verbrenner jetzt weitergehen wird.
Wenn man E-Fuels gestatte, müsse man konsequenterweise auch Biokraftstoffe erlauben, sagt Dudenhöffer. "Das könnte sogar eingeklagt werden, da kein sachlicher Grund besteht, Biokraftstoffe anders zu behandeln als E-Fuel. Die deutschen Autohersteller werden sich jetzt überlegen, wie man die Verbrenner längerfristig retten kann", ist sich der Branchenkenner sicher.
Wie wichtig ist Technologieoffenheit?
Der Branchenverband VDA hat sich für die sogenannte Technologieoffenheit eingesetzt. "Ob Elektromobilität, Wasserstoff, E-Fuels oder eine noch gar nicht bekannte Lösung: Technologieoffenheit ist entscheidend, um Klimaneutralität nicht nur in Europa, sondern weltweit zu ermöglichen", so der Industrieverband.
Branchenexperte Dudenhöffer meint dagegen, dass Investitionen damit in viele Bereichen gestreut werden und nötige Infrastruktur kaum flächendeckend geliefert werden können. Wer nicht fokussiert vorgehe, kaufe sich das Risiko ein, im Zukunftsfeld der batterie-elektrischen Autos nur halbherzig präsent zu sein. "Chinesische Autobauer sind beispielsweise gerade im Elektrosegment mittlerweile sehr erfolgreich. Und Tesla wächst derzeit so rapide, wenn das in diesem Tempo weitergeht, wird Tesla die deutsche Konkurrenz sehr stark unter Druck setzen", erklärt der Direktor des CAR.
1,3 Milliarden Verbrenner weltweit auf den Straßen
Mit Blick auf den Weltmarkt zeigt sich indes, dass das Thema Verbrenner keineswegs abgeschlossen ist. "Weltweit wird mit Sicherheit auch der Verbrennungsmotor noch eine große Rolle spielen", heißt es vom VDA. Grundsätzlich gelte, unterschiedliche Regionen bräuchten unterschiedliche Lösungen und Technologien. Auch wegen mangelnder Ladeinfrastruktur könnten viele Regionen "bis auf Weiteres E-Mobilität nicht realisieren".
Ähnlich klingt es bei Volkswagen: "Wir denken im Konzern auch an die Bestandsflotte, die Fahrzeuge, die heute und in den kommenden Jahren noch mit Verbrennern fahren. Allein auf den Straßen sind heute 1,3 Milliarden Verbrenner unterwegs. Viele davon werden auch jahrzehntelang noch auf dem Markt sein." Mercedes-Benz zufolge ist das Ziel des Stuttgarter Konzerns, bis 2030 überall dort vollelektrisch zu werden, wo es die Marktbedingungen zuließen. Entscheidend sei, dass die Menschen neue Technologien annähmen, erklärt der Konzern.
Mehr Akzeptanz, wenn die Preise sinken
Einige Autobauer wie die japanischen Hersteller Honda oder Toyota gehen die E-Mobilität, jedenfalls bislang, zurückhaltender an und setzen weiterhin auf verschiedene Antriebsarten. Das könnte auch mit Modellen zusammenhängen, die für Kundschaft in Entwicklungs- und Schwellenländern attraktiv und erschwinglich sein sollen. Pedro Pacheco, Autoexperte beim Analyse-Unternehmen Gartner glaubt aber, dass auch Märkte außerhalb von Europa, China und den USA auf lange Sicht von der Fokussierung auf Elektromobilität betroffen sein werden.
"Sobald Elektroautos den größten Teil des Automarktes in China, Europa und den USA erobert haben, bedeutet dies, dass sie einen Vorteil gegenüber dem Verbrenner in Bezug auf Skaleneffekte haben werden", so der Experte. "Sie werden also billiger als Verbrennungsmotoren."
Dies werde sich auch auf die sich entwickelnden Märkte auswirken, meint Pacheco. "Der Preisvorteil wird schließlich dort ebenfalls zu einer starken Akzeptanz führen." Aber der Fachmann räumt ein: Bis es so weit sei, könnten noch zwei Jahrzehnte vergehen.