Hintergrund Gibt es Alternativen zum russischen Gas?
34 Prozent des deutschen Erdgases kommen aus Russland. Angesichts des Ukraine-Konflikts wachsen in Deutschland die Bemühungen, diese Abhängigkeit zu reduzieren. Mögliche Alternativen sind Importe von Schiefer- und Flüssiggas. Aber auch in Deutschland lagern ungenutzte Vorkommen.
90 Milliarden Kubikmeter Erdgas werden pro Jahr in Deutschland verbraucht. Rund 34 Prozent davon kommen derzeit aus Russland, so viel wie aus keinem anderen Land. Angesichts des Konflikts in der Ukraine strebt Bundeskanzlerin Angela Merkel nach eigenen Angaben an, diesen Anteil zu reduzieren und so die Abhängigkeit von Russland zu verringern.
Die einfachste Möglichkeit wäre es, bereits bestehende Gaslieferverträge mit anderen Staaten auszubauen, zum Beispiel mit dem zweitgrößten Erdgaslieferanten Norwegen. Nach Angaben des Wirtschaftsverbandes Erdöl- und Erdgasgewinnung e.V. (WEG) werden 31 Prozent der deutschen Versorgung mit Erdgas aus dem skandinavischen Land abgedeckt. Aus den Niederlanden stammen 19 Prozent, zwölf Prozent werden in Deutschland selbst gewonnen.
Norwegen: keine starke Steigerung möglich
Norwegen dämpfte aber die Hoffnungen, Ersatz für die russischen Gaslieferungen liefern zu können. "Wir können und werden unsere Gasproduktion kurzfristig steigern, aber nicht sehr stark", sagte Norwegens Energieminister Tord Lien dem "Handelsblatt". Bis 2020 werde sein Land die Förderung auf bis zu 130 Milliarden Kubikmeter von 110 Milliarden Kubikmetern im vergangenen Jahr erhöhen. Der größte Teil davon gehe in die EU.
Grünen-Chefin Simone Peters warb für eine Lösung in Form von Energie-Partnerschaften mit mehreren Ländern. Als Beispiel nannte sie Algerien. Im Gegenzug für Gas könne das Land von deutscher Sonnenenergie-Technik profitieren. Algerien ist der sechstgrößte Erdgaslieferant der Welt. Hauptabnehmer sind die USA und Europa.
Ein Flüssiggasterminal für Wilhelmshaven?
Denkbar wäre aber auch eine andere Alternative: die Einfuhr von Flüssiggas (liquefied natural gas, kurz: LNG). Hierbei wird das Erdgas durch Kühlung und Kompression verflüssigt und kann so unabhängig von Pipelines auf dem See- oder Landweg transportiert werden. Als potenzieller Handelspartner bietet sich hier vor allem Katar an. Das Land im Mittleren Osten verfügt nach Russland und dem Iran über die drittgrößten Erdgasreserven weltweit. Insgesamt befinden sich 80 Prozent der weltweiten Erdgasvorkommen im Hoheitsgebiet dieser drei Länder.
Flüssiggas könnte aber auch aus Ländern wie Nigeria, Turkmenistan oder Ägypten eingeführt werden. Alle drei Länder wurden als mögliche Lieferpartner ins Gespräch gebracht. Allerdings fehlt in Deutschland dafür bislang die nötige Infrastruktur.
Zwar gibt es seit langem Pläne, im niedersächsischen Wilhelmshaven ein Flüssiggasterminal zu bauen. Die Pläne dafür liegen aber seit längerem auf Eis. Angesichts der Ukraine-Krise müsse man jetzt loslegen, fordert John Niemann, Präsident der Wilhelmshavener Hafenwirtschaftsvereinigung, gegenüber dem NDR: "Wir sollten uns darauf einstellen, autark zu werden, uns nicht so abhängig zu machen. Und wir dürfen nicht erpressbar werden."
Bis zu eine Milliarde Euro müsste für das Flüssiggasterminal investiert werden. Laut dem Mehrheitsgesellschafter E.ON Ruhrgas rechnet sich das jedoch nicht, unter anderem wegen der kostspieligen Technik. Und auch der Energieexperte Dirk Briese von der Bremer Trendresearch wiegelt im Gespräch mit dem NDR ab: "Aus unserer Sicht ist es im Moment nicht wirtschaftlich, einen LNG-Terminal für Deutschland zu bauen."
Ein dritter Vorschlag, der in Deutschland kontrovers disktuiert wird, ist die Einfuhr von Erdgas aus sogenannten unkonventionellen Lagerstätten. Darunter fallen zum Beispiel Schiefergestein und Kohleflöze. Besonders in den USA und in Kanada ist die Förderung dieser Erdgasvorkommen auf dem Vormarsch, unter anderem durch das sogenannte Fracking. Die USA entwickelte sich durch den Einsatz dieses Verfahrens zum größten Erdgasförderer weltweit.
Förderung aus unkonventionellen Lagerstätten
US-Präsident Barack Obama und Kanadas Premierminister Stephen Harper hatten persönlich ihre Länder als alternative Erdgaslieferanten für Europa ins Gespräch gebracht. Doch auch dieses Erdgas müsste für den Transport verflüssigt werden.
Durch Fracking entwickelten sich die USA zum fünftgrößten Erdgasförderer weltweit. In Deutschland ist das Verfahren verboten.
Der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses des Bundestags, Peter Ramsauer, gab zudem zu bedenken, dass der Kauf von Gas aus nordamerikanischer Fracking-Förderung die Frage nach sich ziehe, warum dann nicht gleich auf heimische Ressourcen gesetzt werde. Denn auch in Deutschland gibt es große ungenutzte Vorkommen von Erdgas in Schiefergestein, insbesondere in Niedersachsen. Fracking ist hierzulande jedoch nicht erlaubt.
Auch der Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung e.V. setzt auf eine Stärkung der innerdeutschen Erdgasproduktion. Der Anteil an der Gesamtversorgung ließe sich im besten Fall von derzeit zwölf Prozent auf bis zu 20 Prozent steigern, sagte ein Sprecher gegenüber tagesschau.de. Derzeit verfügt Deutschland nach Zahlen des WEG über 116 Milliarden Kubikmeter Erdgasreserven. Bis zu 2,3 Billionen Kubikmeter befinden sich potenziell in Schiefergaslagerstätten.
All diese Möglichkeiten würden die Einfuhrmenge aus Russland aber höchstens reduzieren, nicht ersetzen. Allerdings rechnen Experten nicht damit, dass Russland kurzfristig den Gashahn komplett zudrehen würde. Denn so wie Deutschland auf die Einfuhr angewiesen sei, könne auch Moskau nicht auf die Einnahmen aus Europa verzichten.
Erd- oder Naturgas besteht zum größten Teil aus Methan, in unterschiedlichen Mengen aber auch aus Kohlenwasserstoffen wie Ethan und Propan, verschiedenen Edelgasen und anderen Stoffen. Wie auch das Erdöl ist das Erdgas eine fossile Substanz, die aus tierischen und pflanzlichen Überresten entstanden ist. Oft kommt es mit Erdöl gemeinsam vor.
Das Gas ist bis zu 300 Millionen Jahre alt. Es wird aus Lagerstätten an Land und auf dem Meer gefördert, gereinigt und schließlich über Fernleitungen oder in verflüssigtem Zustand durch Tanker transportiert. Die weltweiten Vorräte reichen unterschiedlichen Schätzungen zufolge noch weitere 60 bis 160 Jahre.