Erwerbstätigkeit von Frauen "Eigennützige unternehmerische Entscheidung"
Höhere Erwerbstätigkeit von Frauen gilt als wichtiges Mittel gegen den Fachkräftemangel. Dafür braucht es aber gezielte staatliche Maßnahmen und mehr Flexibilität auf Seiten der Arbeitgeber.
Als Lara Marszalek zum Ende ihrer Elternzeit eine neue Stelle suchte, sprang ihr eine Anzeige ganz besonders ins Auge. "In der Ausschreibung stand explizit drin, dass auch Bewerbungen aus der Elternzeit heraus erwünscht sind", erzählt sie. Die Stellenanzeige kam von einem IT-Unternehmen aus Hilden. Mit IT habe sie bis dahin zwar nichts am Hut gehabt; die Formulierung in der Anzeige habe sie aber dazu bewegt, sich dennoch zu bewerben. Mittlerweile arbeitet Lara Marszalek seit drei Jahren als Marketing-Managerin bei dem Unternehmen - 28 Stunden pro Woche in Teilzeit.
Fachkräftepotenzial bei Frauen
"Wir wollten gute Leute ansprechen", erinnert sich Hartwig Tödter, Geschäftsführer des IT-Spezialisten, an die Stellenanzeige. Dem Unternehmen sei es dabei aber nicht in erster Linie um den sozialen Aspekt gegangen: "Es war eine eigennützige unternehmerische Entscheidung", so der Geschäftsführer.
Auch die Bundesregierung sieht großes wirtschaftliches Potenzial in einer höheren Erwerbstätigkeit von Frauen. Das Bundeswirtschaftsministerium spricht vom "größten Beschäftigungspotenzial zur Fachkräftesicherung" im Inland. Und das Beratungsunternehmen Prognos rechnet im Auftrag des Bundesfamilienministeriums vor: Würden 2,5 Millionen derzeit in Teilzeit erwerbstätige Mütter ihre Wochenarbeitszeit um jeweils nur eine Stunde erhöhen, dann entspräche das rund 70.000 Vollzeit-Stellen.
"Vollzeitstandard" in den Betrieben?
In den vergangenen Jahrzehnten habe sich in Deutschland viel getan, sagt Yvonne Lott, die am gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) zu Genderfragen forscht. "Das betrifft zum Beispiel das Recht auf Teilzeit oder den Ausbau der Kinderbetreuung", so Lott. Außerdem lobt sie die Einführung der Partnermonate beim Elterngeld, also die Verlängerung des Elterngeldes um zwei Monate, wenn es von beiden Elternteilen beantragt wird.
Aus Sicht der Forscherin gibt es aber noch viel zu tun. Die Bundesregierung plant ab 2026 einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule. Der Staat könne außerdem die Zahl der Partnermonate ausweiten, schlägt Lott vor. Darüber hinaus brauche es einen Mentalitätswandel: "Die Kultur in den Betrieben muss sich ändern." Es herrsche weiterhin ein "Vollzeitstandard" vor, so Lott, wodurch Teilzeitbeschäftigung zum Karrierehindernis werden könne.
Unternehmenschef: Teilzeitkräfte sind produktiver
Marszalek hat diese Erfahrung bisher nicht gemacht. Ihre Tochter hat das Down-Syndrom, dadurch fallen mehr Arzt- und Therapietermine an als bei anderen Kindern. Mit dem Berufsalltag lasse sich das aber ohne größere Schwierigkeiten vereinbaren. Es gebe in ihrer Firma zwar eine vorgegebene Kernarbeitszeit, verpflichtend sei diese aber nicht: "Ich arbeite in kompletter Gleitzeit."
Die Teilzeitbeschäftigung hat aus Sicht von Tödter handfeste wirtschaftliche Vorteile: "Wir stellen fest, dass Teilzeitkräfte pro Stunde gesehen wesentlich produktiver sind als Vollzeitbeschäftigte", so der Geschäftsführer. Bei den Kunden des Unternehmens gebe es teilweise aber Vorbehalte gegen Teilzeitkräfte in Projektgruppen. Diese kann Tödter stellenweise selbst nachvollziehen: "Der Kommunikationsaufwand ist in einem Team mit vielen Teilzeitkräften größer, weil insgesamt mehr Personen beteiligt sind." Der Einsatz von Teilzeitkräften habe deshalb auch Grenzen.
Männer auf Teilzeit aufmerksam machen
Und die Männer? In der Ehe von Lara Marszalek gilt nach ihrer Darstellung das, was auch bundesweit der Regelfall ist: "Den größeren Teil der Care-Arbeit mache ich", sagt Marszalek, deren Mann als freischaffender Künstler arbeitet. Der Begriff Care-Arbeit umfasst unter anderem die Kinderbetreuung.
Nach Einschätzung von WSI-Forscherin Lott kann die Frauenerwerbsarbeit nur dann wesentlich gesteigert werden, wenn auch Männer stärker ins Boot geholt werden: "Andernfalls nehmen wir in Kauf, dass Frauen aufgrund der Doppelbelastungen weiter ausbrennen", sagt Lott. Das Recht auf Teilzeit stehe grundsätzlich zwar allen Beschäftigten zu. "Männer müssen in den Betrieben aber dennoch explizit angesprochen werden."