Abkommen mit den Niederlanden Ikea-Steuerdeals im Visier der EU
In den "Paradise Papers" vor wenigen Wochen waren auch die Niederlande als Steuerschlupfloch aufgetaucht - nun nehmen die EU-Wettbewerbshüter die Steuerdeals des Landes mit Ikea ins Visier. Der Verdacht: Dem Möbelgiganten wurden illegale Steuervorteile gewährt.
Fast wäre die Sache unter den Tisch gefallen: Als die Sprecher der EU-Kommission am Mittag in Brüssel vor die Kameras traten, so wie jeden Tag, sagten sie zunächst nichts zum Fall Ikea. Offenbar war die Entscheidung, die Steuerdeals des schwedischen Möbelgiganten unter die Lupe zu nehmen, erst wenige Minuten alt, außer einer schriftlichen Mitteilung lag nichts vor.
Erst auf hartnäckige Nachfrage der Journalisten gab's dann die Bestätigung: Ja, die EU-Kommission untersucht die Inter Ikea Gruppe mit Sitz in den Niederlanden. "Wir haben Bedenken, dass Inter Ikea durch zwei Steuerabsprachen mit den Niederlanden aus den Jahren 2006 und 2011 zu wenig Steuern gezahlt haben könnte, wodurch Ikea einen unfairen Wettbewerbsvorteil gehabt hätte. Das wäre ein Bruch des EU-Rechts."
Die EU-Kommission untersucht die Inter Ikea Gruppe mit Sitz in den Niederlanden.
Ikea - ein Netzwerk von Franchise-Unternehmen
Inter Ikea in den Niederlanden kassiert von sämtlichen Ikea-Möbelhäusern Lizenzgebühren. Denn organisatorisch ist das Unternehmen ähnlich wie bekannte Fast-Food-Ketten aufgestellt: Als Netzwerk von sogenannten Franchise-Unternehmen, die unabhängig vom Mutterkonzern sind, allerdings drei Prozent ihres Umsatzes für die Nutzung der Ikea-Marke an die Konzerntochter Inter Ikea in den Niederlanden bezahlen müssen. Und die soll, so vermutet es die Kommission, die Einnahmen erst über Luxemburg und dann über Lichtenstein geschleust haben - steuerfrei, ermöglicht durch zwei Deals mit den niederländischen Finanzbehörden.
Was die Grünen im Europaparlament schon 2016 angeprangert hatten, mit einer eigenen Untersuchung. "Ich bin sehr froh, dass unsere Studie auf diese Weise Früchte trägt", sagt der Finanzexperte der Grünen, Sven Giegold, und ruft die Kommission auf, auch Steuerdeals von Ikea in anderen Ländern wie Belgien und Luxemburg zu überprüfen.
Ikea will Prüfung unterstützen
Ikea hat die Vorwürfe bereits zurückgewiesen. "Die Art und Weise, wie wir von den nationalen Behörden besteuert wurden, steht unseres Erachtens im Einklang mit den EU-Vorschriften", teilte das Unternehmen mit. Die von den EU-Wettbewerbshütern angekündigte Prüfung könne Klarheit bringen und das bestätigen.
Zahlen zu Ikeas mutmaßlicher Steuervermeidung nennt die Kommission nicht, auch nicht, wie lange das Verfahren dauern wird. Das könne man nicht vorhersagen, so eine Kommissionssprecherin.
Die Grünen nennen in ihrer Studie eine Summe von mindestens einer Milliarde Euro: So viel soll Ikea durch das Modell, das die Kommission nun prüft, zwischen 2009 und 2014 an Steuern eingespart haben.
Änderungen nach "LuxLeaks" und "Panama Papers"
Die EU-Kommission hat nach den Enthüllungen der "LuxLeaks" und der "Panama Papers" mehrere Steuerschlupflöcher und Steuervermeidungstricks untersagt. So müssen sich die EU-Länder zum Beispiel gegenseitig informieren, wenn sie bestimmte Steuervorbescheide einsetzen.
Zudem sollen laut Wunsch der Kommission in Zukunft Steuerberater gezwungen werden, potentiell illegale Schlupflöcher, die ihnen bekannt sind, anzuzeigen statt sie auszunutzen.
Vieles sei erreicht worden, lobt Steuerexperte Giegold. Aber der entscheidende Schritt stehe noch aus. "Grundlegende Lösungen gibt es erst, mit einer gemeinsamen steuerlichen Bemessungsgrundlage, abgesichert durch Mindeststeuersätze." Die hatte die EU-Kommission zuletzt erneut ins Gespräch gebracht, nachdem sie zuvor bereits am Widerstand der EU-Länder gescheitert war.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Niederlande wegen fragwürdiger Steuerdeals mit Konzernen auffällig werden. Bereits 2015 wurde das Land wegen genau so einer Absprache von der EU-Kommission aufgefordert, bis zu 30 Millionen Euro an nicht gezahlten Steuern von der Kaffeehauskette Starbucks zurückzufordern.
Steuerparadies Niederlande?
Auch in den "LuxLeaks", den "Panama Papers" und den jüngsten Enthüllungen durch die "Paradise Papers" tauchten die Niederlande auf. Etwa als Standort für Briefkastenfirmen. Zwei niederländische Journalisten erzählten Reportern des NDR: "Wir verdienen Geld damit, weil jeder Briefkasten ein kleines bisschen Steuern zahlt. Wirklich wenig, aber zusammen verdienen die Niederlande damit jedes Jahr ungefähr drei Milliarden Euro." Es stecke eine große Industrie dahinter: Trust Officers, Steuerberater, Banken, Anwälte, Notare. "Da gibt es eine große Lobby dafür, dass wir es nicht London, Luxemburg oder Irland machen lassen."
In Expertenkreisen waren die Niederlande sogar lange Teil eines international beliebten Steuersparmodells, dem sogenannten "double Irish, Dutch sandwich", bei dem Profite von Unternehmen zwischen Irland und den Niederlanden so verschoben wurden, dass am Ende kaum Steuern anfielen.