Hilfe für Euro-Schuldenländer EZB darf unbegrenzt Staatsanleihen kaufen
Der EZB-Rat hat entschieden, dass die Europäische Zentralbank (EZB) künftig unbegrenzt Anleihen kriselnder Euro-Staaten aufkaufen kann. EZB-Präsident Draghi erhofft sich so mehr Zeit für Reformen, Kritiker befürchten eine Geldentwertung. Der Leitzins im Euroraum wird nicht weiter abgesenkt.
Die Europäische Zentralbank (EZB) will klammen Eurostaaten mit einer neuen Runde von Anleihekäufen unter die Arme greifen. Das Programm werde es ermöglichen, die Störungen an den Anleihemärkten anzugehen, sagte EZB-Chef Mario Draghi nach der Sitzung des EZB-Rats.
Die Zentralbank werde unabhängig und innerhalb ihres Mandats handeln. "Der Euro ist unumkehrbar", sagte Draghi. Eine Obergrenze für das Anleihenkaufprogramm solle es nicht geben. Das Programm werde beendet, wenn die Ziele erreicht seien, kündigte Draghi an. Damit unterscheidet sich die Maßnahme deutlich von den ersten Anleihekäufen der EZB seit dem Frühjahr 2010.
Der oberste Währungshüter in der Eurozone präzisierte damit seine Ankündigung von Anfang August. Bedingung für die Ankäufe sei, dass die Euro-Rettungsschirme am Bondmarkt aktiv werden. Es sei allerdings kein Automatismus, dass die EZB auch tatsächlich eingreifen werde. Bedingung sei außerdem, dass sich die betroffenen Länder der strikten Kontrolle des Euro-Rettungsfonds unterwerfen.
Beschluss fiel nicht einstimmig aus
Mit ihrer Entscheidung wollen die 23 Notenbanker der EZB die Euro-Schuldenstaaten im Kampf gegen die Krise unterstützen und den Druck der Finanzmärkte auf diese Länder abmildern. Gleichzeitig will die EZB die Inflationsgefahr in Folge der Aufkäufe eindämmen: Das durch die Käufe in Umlauf gebrachte Geld solle an anderer Stelle abgeschöpft werden, so Draghi.
Der EZB-Beschluss zu den Anleihekäufen war nicht einstimmig. EZB-Chef Draghi sagte nach der Sitzung: "Wir werden nicht sagen, wer dagegen war. Sie können darüber spekulieren." Bundesbankpräsident Jens Weidmann hatte bereits im Vorfeld seinen Widerstand gegen das Programm kundgetan, da er die Grenze zwischen Fiskal- und Geldpolitik verwischt sieht.
Schon vor der Sitzung war es zum Schlagabtausch zwischen Draghi und Weidmann gekommen, der die Pläne scharf kritisiert hatte. Draghi vertrat die Position, nur durch unbegrenzte Ankäufe könne die EZB den verunsicherten Märkten die Sorge vor einem Zerfall der Eurozone nehmen.
Die sehr kleine Fraktion um Weidmann verwies dagegen auf die Gefahren, die bei einer laxen Geldpolitik drohen. Zudem kritisierte Weidmann, dass die EZB durch die Anleihekäufe den Druck von der Politik nehmen würde, echte Reformen umzusetzen und die Schuldenländer des Südens zu sanieren.
Bundeskanzlerin Angela Merkel selbst äußerte sich zurückhaltend zu den Beschlüssen: Die EZB handele unabhängig und "im Rahmen ihre Mandates", sagte sie bei einer Pressekonferenz mit Spaniens Ministerpräsidenten Mariano Rajoy in Madrid.
Bislang war vorgesehen, dass der dauerhafte Euro-Rettungsschirm ESM Staatsanleihen von Euro-Ländern selbst kaufen kann, damit diese Staaten niedrigere Zinsen zahlen müssen, wenn sie sich bei Investoren Geld leihen. Der ESM kann diese Papiere aber nicht unbegrenzt kaufen. Denn das Geld für diese Geschäfte muss sich der Rettungsschirm auf dem Kapitalmarkt selbst leihen. Zur Absicherung dient dabei das Stammkapital von 700 Milliarden Euro, das die Euro-Staaten bereitstellen.
Bekäme der ESM nun eine Banklizenz, könnte er sich wie andere Geldhäuser nach Bedarf frisches Geld bei der Europäischen Zentralbank leihen. Dafür müsste er Sicherheiten wie die erworbenen Staatsanleihen hinterlegen. So käme ein Kreislauf in Gang, der sich praktisch unbegrenzt fortsetzen ließe. Denn mit dem EZB-Geld könnte der ESM weitere Staatsanleihen kaufen. Damit stiegen aber auch die Risiken für die anderen Euro-Staaten.
Leitzins bleibt unverändert bei 0,75 Prozent
Die EZB verzichtet auf eine weitere Senkung des Leitzinses unter das Rekordtief von 0,75 Prozent. Damit entschieden sich die Währungshüter gegen eine abermalige Zinssenkung, die von einigen Beobachtern erwartet worden war.
Der Leitzins wurde zuletzt im Juli um einen Viertelprozentpunkt gesenkt. Noch niedrigere Zinsen wären vor allem den Banken in südeuropäischen Krisenstaaten zugutegekommen. Diese hätten noch billiger an Geld kommen können, um es an ihre hoch verschuldeten Heimatländer weiterzureichen.