Beratungen der Euro-Finanzminister Einig in der Uneinigkeit
Seit dem Nachmittag beraten die Euro-Finanzminister über die neue griechische Reformliste. Doch es zeichnet sich ab, dass die Mehrheit von ihnen diese Vorschläge als nicht ausreichend akzeptiert. Das Treffen könnte ohne Empfehlung für den morgen tagenden EU-Sondergipfel enden. Finanzminister Schäuble brachte derweil offenbar einen Grexit auf Zeit ins Spiel.
Es sind schwierige Verhandlungen der Euro-Finanzminister in Brüssel. Und wie es momentan aussieht, könnten die Beratungen über die jüngsten Reformvorschläge der griechischen Regierung ohne Ergebnis bleiben. Ein Beschluss der Eurogruppe sei derzeit nicht in Sicht, sagt ARD-Korrespondent Rolf-Dieter Krause. Zu groß seien die Differenzen zwischen den Skeptikern, zu denen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zählt, und den Befürwortern der Pläne um Frankreichs Finanzminister Michel Sapin.
Die Finanzminister müssen einstimmig darüber entscheiden, ob sie Verhandlungen über ein neues Hilfsprogramm mit Athen empfiehlt. Aber aus der Sitzung sei zu hören, dass eine klare Mehrheit der Minister dagegen sei, dies auf der Basis der griechischen Vorschläge zu tun, so Krause. Die Summe, um die es jetzt gehe, liege mit etwa 80 Milliarden Euro viel höher als bisher erwartet. Und niemand sei sicher, dass es dabei bleibe. Somit ist es möglich, dass sie gar keine Empfehlung an die morgen tagenden EU-Staats- und Regierungschefs abgeben werden.
Schäuble sieht große Finanzierungslücken
Schäuble sprach bereits im Vorfeld der Gespräche von "außergewöhnlich schwierigen Verhandlungen". Er verwies darauf, dass es nun um eine ganz andere Art von Hilfsprogramm gehe. Bis Ende Juni sei über eine Verlängerung eines existierenden Programms gesprochen worden, jetzt gehe es um ein neues Programm über drei Jahre. Allein dies zeige schon, dass die Vorlage von Vorschlägen "natürlich bei weitem nicht ausreichend ist". Zudem gehe es nun um Finanzierungslücken, "die jenseits all dessen sind, womit wir in der Vergangenheit beschäftigt waren".
Fehlendes Vertrauen
Schäuble machte auch klar, dass man sich allein auf Zusagen der griechischen Regierung nicht verlassen könne. "Das Vertrauen ist in den letzten Monaten, bis in die letzten Stunden hinein, auf unfassbare Weise zerstört worden."
Auch Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem beklagte mangelnde Verlässlichkeit der Griechen: "Es schaut ziemlich kompliziert aus - sowohl, was den Inhalt angeht als auch mit Blick auf die noch kompliziertere Frage des Vertrauens", fasste er den Stand der Dinge zusammen. Zu den Skeptikern gehören neben dem deutschen Finanzminister auch die Niederlande, die Slowakei und die baltischen Staaten.
Schäuble bringt Grexit auf Zeit ins Spiel
Das Bundesfinanzministerium erwägt offenbar bei einem Scheitern der Verhandlungen, einen vorübergehenden Austritt Athens aus der Währungsunion vorzuschlagen. In einem Positionspapier aus Schäubles Ministerium wird nach übereinstimmenden Medienberichten ein "Grexit" für mindestens fünf Jahre genannt.
Da die Vorschläge Griechenlands nicht für ein weiteres Hilfspaket geeignet seien, blieben zwei Alternativen: Entweder die Regierung in Athen bessere ihre Vorschläge rasch nach, oder mit Athen werde über eine "Auszeit" verhandelt: Griechenland müsste die Eurozone für mindestens fünf Jahre verlassen und seine Schulden restrukturieren. Das Land bleibe aber EU-Mitglied und erhalte weiter "wachstumsstärkende, humanitäre und technische Unterstützung".
Nationale Parlamente müssen noch zustimmen
Sollten die Euro-Finanzminister - trotz allem - grünes Licht geben für neue Verhandlungen mit der Tsipras-Regierung, dann wäre ein großer Schritt Richtung drittem Hilfspaket getan. Der Gipfel der Staats- und Regierungschefs am Sonntag spielt dann nur noch eine untergeordnete Rolle. Nächste Hürde wären dann die nationalen Parlamente, etwa der Bundestag.
Griechenland möchte in den nächsten drei Jahren 53,5 Milliarden Euro aus dem Euro-Rettungsschirm ESM, um einen Staatsbankrott und ein Ausscheiden aus dem Euro abzuwenden. Nach Angaben aus Kreisen der Geldgeber braucht Athen sogar bis zu 82 Milliarden Euro. Das zweite Hilfsprogramm war Ende Juni ausgelaufen, nachdem sich Griechenland mit seinen Gläubigern nicht auf Spar- und Reformmaßnahmen einigen konnte.