Kolumne "Euroschau" Die Geldpolitik-Wende zeichnet sich ab
Das Ende der EZB-Nullzinspolitik wird kommen - nicht bald und nicht dieses Jahr, aber langfristig schon. Dafür gibt es immer mehr Anzeichen. Tatsächlich wäre eine Wende angesichts der Wirtschaftsdaten angebracht.
Wenn die Alte Oper in Frankfurt am Main ihre Tore öffnet, ist das immer ein großes Spektakel. Dann kommen alle mit Rang und Namen, man freut sich über schick gekleidete Gäste, und die Vorführung ist in der Regel große Klasse.
Diese Woche stand die Alte Oper wieder ganz im Zeichen der Europäischen Zentralbank. Mit einem großem Konzert eröffnete sie dort ihre diesjährigen Kulturtage. Damit will die Notenbank Einblick in die Vielfalt der Kultur der EU-Staaten vermitteln. Nach Bulgarien, Lettland und Malta steht dieses Mal Deutschland im Mittelpunkt. Als Hommage an den großen Sohn der Stadt, Johann Wolfgang von Goethe, spielte das renommierte Sinfonieorchester des Hessischen Rundfunks die Ouvertüre zu Goethes Drama Egmont. Was für ein Spektakel!
Doch Drama, Goethe und Kultur hin oder her - die Deutschen sind auf die Europäische Zentralbank derzeit nicht gut zu sprechen. Nirgendwo in Europa ist die Nullzins-Politik der Währungshüter so verhasst wie hierzulande. Nirgendwo ärgern sich die Verbraucher so stark wie hier über fehlende Gewinne auf dem Sparkonto. Und nirgendwo machen sich die Bürgerinnen und Bürger so viel Sorgen über die Altersvorsorge, die durch die Politik der EZB immer mehr in eine Schieflage gerät. Nach einer Umfrage der Deutschen Börse erwarten 40 Prozent der Befragten, dass sie bald auch direkte Strafzinsen auf ihr Erspartes zahlen müssen.
Noch dementiert die EZB alle Meldungen über eine neue Politik.
Vage Anzeichen für eine Trendwende
Dabei zeichnet sich langfristig eine Wende in der Geldpolitik der EZB ab - wenn auch ganz langsam und sehr vage. Vor wenigen Tagen berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg, die EZB denke über den Ausstieg aus dem Anleihe-Kaufprogramm nach. Das Dementi aus dem Frankfurter Euro-Tower kam prompt und war deutlich.
Doch EZB-Chef Mario Draghi war gar nicht so unglücklich über diese Meldung – denn die Finanzmärkte reagierten sofort und trieben die Zinsen für Anleihen nach oben. Das passt der EZB nur zu gut, denn die Renditen waren so stark abgerutscht, dass ein Großteil der Anleihen nach den eigenen Regeln nicht mehr gekauft werden konnte. Die EZB darf nämlich nur Anleihen erwerben, die höher rentieren als der Strafzins von minus 0,4 Prozent. Dadurch drohte spätestens für das Frühjahr ein Engpass auf dem Anleihemarkt. Es war unklar, ob das monatliche Volumen von 80 Milliarden Euro erreicht werden würde. Nun liegen die Renditen vieler Anleihen wieder über dem Strafzins, und das Problem ist gelöst.
Die Wirtschaft wächst stabil, die Ölpreise deutlich
Tatsächlich macht man sich in der EZB Gedanken darüber, wie man langfristig aus der Politik des lockeren Geldes wieder aussteigen kann. Alles andere wäre ja auch fahrlässig. Denn mittlerweile werden wieder mehr Kredite in Europa vergeben. Die Wirtschaftsentwicklung ist zwar schwach, aber relativ stabil. Der Arbeitsmarkt entwickelt sich zumindest nicht schlechter als in der Vergangenheit.
Entscheidend aber ist der deutliche Anstieg der Ölpreise. Das treibt die Inflationsrate an. In Deutschland lag sie im September bei 0,7 Prozent, im Euroraum bei 0,4 Prozent. Das ist zwar immer noch weit entfernt vom selbst gesteckten Ziel der EZB von knapp zwei Prozent. Aber die Daten sind nicht schlecht, verglichen mit denen vor ein paar Monaten. Da schwappten die Raten auch mal in den Minusbereich.
Volkswirte glauben, die Wende in der Geldpolitik werde erst Mitte bis Ende kommenden Jahres kommen. Zunächst dürfte die EZB ihre Anleihekäufe reduzieren. Dann würden die Strafzinsen für die Banken nach und nach verschwinden. Schließlich könnte der Hauptleitzins ganz langsam etwas steigen - vermutlich im Jahr 2020.
Den Investoren gefällt das nicht
An den Finanzmärkten hören und sehen Investoren das alles gar nicht gern. Sie tun sich schwer damit, auf die möglichen Veränderungen einzustellen. Das billige Geld ist seit Jahren der Motor der Aktienmärkte. Auf jede Andeutung, das könne sich ändern, reagieren die Anleger extrem sensibel und nervös. Sie sind mittlerweile wie Junkies. Der Stoff, den sie brauchen, ist billiges Geld. Der EZB ist daher nur zu bewusst, dass der Entzug extrem langsam vorangehen kann. Sonst flippen die Junkies aus.
Es ist daher auch gar kein Widerspruch, dass die EZB die Dosis kurzfristig vielleicht sogar noch etwas verlängert. Viele Beobachter halten es jedenfalls für wahrscheinlich, dass die Notenbank die Dauer des Anleihekaufprogramms noch einmal um einige Monate ausweitet. Eigentlich sollte es im März kommenden Jahres auslaufen. Diese Verlängerung könnte die EZB nutzen, um das Volumen langsam herunterzufahren. Beobachter glauben, der EZB-Rat werde die sich abzeichnenden Veränderungen diese Woche andeuten und dann im Dezember handeln.
Gute Nachrichten für alle
Diese Politik ist nicht ungeschickt: Die EZB gibt den Finanzmarkt-Junkies noch einmal genug Stoff, um gut über die Jahreswende und ins neue Jahr zu kommen. Gleichzeitig gibt sie den Kritikern ihrer Politik eine langfristige Perspektive, nach der sich der Ausstieg aus der Nullzinspolitik zumindest am fernen Horizont abzeichnet. Wenn auch noch ganz blass und verschwommen in Nebelschwaden.
Ob das alles funktioniert, muss sich zeigen. Auch die US-Notenbank tut sich schwer mit dem Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik. Ihre Chefin, Janet Yellen, legt seit Monaten ein Hü und Hott aufs Parkett und findet immer wieder neue Gründe, den eigentlich beschlossenen Ausstieg aufzuschieben.
Bis es in Europa soweit ist, werden also noch viele Monate ins Land ziehen - und auch viele Kulturtage der EZB. Dann wird auch die Alte Oper in Frankfurt am Main wieder in großem Glanz erstrahlen. Und vielleicht gibt es Flamenco - denn das Partnerland im kommenden Jahr ist Spanien.