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Run auf Bundeswertpapiere Warum die zehnjährige Anleihe wichtig ist

Stand: 14.06.2016 12:27 Uhr

Deutsche Staatsanleihen gelten als fast risikoloses Investment - und die zehnjährige Anleihe ist für den Bund das wichtigste Instrument, um seinen Schuldenberg zu bekämpfen. Die wichtigsten Fakten im Überblick.

Warum ist die zehnjährige Anleihe so wichtig für den Markt?

Banken müssen als Puffer für schlechte Zeiten Wertpapiere in ihrem Portfolio haben, die sie notfalls schnell zu Geld machen können. Hier kommen Bundesanleihen ins Spiel. Ihnen verleihe allein die Größe der deutschen Volkswirtschaft Gewicht, sagt Folker Hellmeyer, Chefanalyst der Bremer Landesbank. Außerdem hätten Bundesregierung und -bank immer eine Stabilitätspolitik verfolgt.

Für den Analysten Michael Schulz von der NordLB sind die Papiere ebenfalls ein fast risikoloses Investment. "Der deutsche Staat ist über jeden Zweifel erhaben." Grund seien "das robuste Wirtschaftswachstum, die niedrige Arbeitslosigkeit und die vergleichsweise gesunden Staatsfinanzen". Alle großen Ratingagenturen bewerten deshalb die Bonität Deutschlands mit der Bestnote AAA.

Anleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren sind rund um die Welt zum wichtigsten Finanzierungsinstrument institutioneller Anleger geworden. Ein Grund dafür sei, dass die durchschnittliche Laufzeit aller ausgegebenen Papiere bei etwa acht Jahren liege, sagt Hellmeyer.

Warum kommt es zum Negativzins?

Europa hangelt sich seit Jahren von Krise zu Krise: von der Finanz- zur Staatsschulden- und Griechenland- bis hin zur Flüchtlingskrise. Akut ist derzeit vor allem die Gefahr eines EU-Abschieds von Großbritannien. Kommt es dazu, steht die Zukunft der gesamten EU auf dem Spiel. Experten befürchten ein weltweites Börsenbeben. Auch eine Rezession in Großbritannien und bei wichtigen Handelspartnern sagen einige Ökonomen voraus.

Investoren müssen solche Risiken einkalkulieren. "In Zeiten erhöhter Verunsicherung greifen Anleger zu den Papieren mit der geringsten Ausfallwahrscheinlichkeit", erklärt NordLB-Analyst Schulz. Und das seien nun einmal die Bundesanleihen.

Was macht die Bundesanleihen noch attraktiv?

Der riesige Markt: An einem durchschnittlichen Handelstag wechseln Bundeswertpapiere in Höhe von rund 20 Milliarden Euro den Besitzer. Die derzeit im Umlauf befindlichen zehnjährigen Bundesanleihen haben einen Wert von fast 500 Milliarden Euro.

Am Sekundärmarkt - etwa europäische Wertpapierbörsen, elektronische Handelsplattformen und außerbörslich - wird aber pro Jahr ein Volumen von etwa 2,5 Billionen Euro gehandelt, also rund das Fünffache. Nur der Markt für US-Staatsanleihen ist noch liquider. Das bedeutet, dass Besitzer ihre Papiere praktisch jederzeit größere Bestände zu Geld machen können.

Welche Bedeutung hat die Anleihe für den Bundeshaushalt?

Die zehnjährige Bundesanleihe ist das mit Abstand wichtigste Instrument zur Finanzierung des Schuldenbergs. Dieser hatte zum Ende des ersten Quartals eine Höhe von 1,08 Billionen Euro. Knapp die Hälfte der Schulden besteht aus zehnjährigen Bundesanleihen. Daneben vergibt die Bundesregierung auch Anleihen mit Laufzeiten zwischen wenigen Monaten und 30 Jahren. Insgesamt bestehen fast 98 Prozent der Schulden des Bundes und seiner Nebenhaushalte aus börsenfähigen Wertpapieren.

Die Bundesregierung nimmt zwar seit 2014 keine neuen Schulden mehr auf ("Schwarze Null"). Allerdings muss sie jedes Jahr rund 20 Prozent der Altschulden umfinanzieren, weil alte Anleihen auslaufen und durch neue ersetzt werden müssen.

Welche Rolle spielt die EZB?

Eine sehr große. Sie drückt mit ihrer Geldpolitik bewusst die Zinsen, um Konjunktur und Preise anzukurbeln. Sie kauft seit März 2015 Staatspapiere im Volumen von inzwischen 80 Milliarden Euro monatlich. Inzwischen sammelt sie zudem Bonds von Großkonzernen am Kapitalmarkt auf. NordLB-Analyst Schulz meint, diese große Nachfrage führe im Umkehrschluss "zwangsläufig" zu niedrigen Zinsen.

Wer kauft die Bundeswertpapiere?

Hauptabnehmer sind Versicherer und Pensionsfonds. Sie sind gesetzlich verpflichtet, einen Teil ihrer Gelder in Staatsanleihen anzulegen.

Welche Folgen hat der Negativzins für die Anleger?

Negative Renditen verhageln vielen Banken die Bilanz. Sie sind nicht nur eine Belastung für das Anlagevermögen. Wegen der geringeren Handelsumsätze verdienen die Institute auch weniger Provisionen. Für Privatanleger am auffälligsten sind die fallenden Garantiezinsen auf Lebens- und Rentenversicherungen. Weil die Finanzkonzerne mit Anleihen kein Geld mehr verdienen, haben sie Schwierigkeiten, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen.

Wer profitiert vom Zinstief?

Ganz klar: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Zwar haben die an den Börsen gezahlten Zinssätze keinen direkten, aber sehr wohl einen indirekten Effekt auf die Kosten des Bundes als Emittent der Anleihen. Um eine neue zehnjährige Bundesanleihe am Markt loszuschlagen, muss Schäuble wegen der großen Nachfrage nur noch einen festen jährlichen Kupon von 0,5 Prozent anbieten - vor zehn Jahren waren es noch vier Prozent.

Weil auch die vom Bund gezahlten Garantiezinsen für seine anderen Wertpapiere stark gesunken sind, hat Schäuble bereits Milliarden gespart: In diesem Jahr sind im Bundeshaushalt Zinsausgaben von 21,1 Milliarden Euro geplant, im Entwurf für den Etat 2017 sogar nur 19,1 Milliarden Euro. 2008 waren die Zinsausgaben mit 40,2 Milliarden Euro mehr als doppelt so hoch.

Quelle: Reuters