Kryptowährungen Wer hinter dem Bitcoin-Handel steckt
Immer mehr Anleger spekulieren mit dem Bitcoin. Auch bei Großinvestoren wie Pensionsfonds wächst das Interesse an der bekanntesten Kryptowährung. Doch was passiert eigentlich hinter den Kulissen?
Für die wichtigste Kryptowährung ist 2021 schon jetzt ein äußerst turbulentes Jahr. Anfang Januar erreichte der Bitcoin - erfunden im Jahr 2009 - ein neues Rekordhoch von mehr als 41.000 Dollar. Seitdem verlor die ursprünglich als Zahlungsmittel gedachte Digitalwährung zeitweise wieder stark an Wert - mit Kursverlusten von bis zu 20 Prozent innerhalb weniger Stunden.
Zuletzt ging es dann wieder in die andere Richtung. So reichten etwa ein simpler Tweet von Tesla-Chef Elon Musk sowie Diskussionen von Privatanlegern in Internet-Foren aus, um den Kurs Ende der vergangenen Woche um 20 Prozent nach oben zu treiben.
Diese Achterbahnfahrt bringt die mit einem Marktanteil von über 60 Prozent größte digitale Währung immer wieder in die Schlagzeilen. Branchenkenner berichten seit Längerem von einem wachsenden Interesse am Bitcoin: Neben Privatleuten steigen mittlerweile auch große institutionelle Investoren wie Banken, Versicherungskonzerne oder Fondsgesellschaften in den Markt ein.
Erster "Krypto-Fonds" in Deutschland
Das bemerkt auch Patrick Karb, Geschäftsführer bei der Frankfurter Hauck & Aufhäuser Innovative Capital GmbH. "Wir sehen große Nachfrage von Investoren, besonders auf institutioneller Seite", sagt er im Gespräch mit tagesschau.de. Aus diesem Grund gründete die Privatbank Hauck & Aufhäuser im September die Tochtergesellschaft und legte zu Beginn des Jahres den ersten Fonds der deutschen Finanzindustrie auf, der ausschließlich aus digitalen Werten wie dem Bitcoin besteht. Dabei kooperiert das Bankhaus mit dem Berliner Fintech Kapilendo, das die Rolle des Kryptoverwahrers übernimmt - also desjenigen, der die umfangreichen Rechencodes verwaltet und sichert, aus denen die E-Währung besteht.
Die Nachfrage der Kunden, von kleinen semiprofessionellen Anlegern über Versorgungswerke, Pensionskassen und andere Investmentfonds bis hin zu MDAX-Konzernen, sei enorm. Das liege auch an der jüngsten Entwicklung des Bitcoins. "Auch medial wurde das Thema stark verbreitet, sodass Kryptowährungen nicht nur im privaten, sondern auch im institutionellen Bereich beliebter wurden", sagt Karb. Gerade in der Corona-Krise würden Alternativen gesucht - der Bitcoin diene sozusagen auch als Fluchtwährung.
Überwiegend Männer investieren in Bitcoin
Aktuell ist der Anteil institutioneller Anleger weltweit noch sehr gering. "Von den derzeit etwa 700 Milliarden US-Dollar in Bitcoin ist etwa ein Prozent institutionelles Geld", sagte zuletzt Jeff Currie, Rohstoffchef bei der US-Großbank Goldman Sachs, gegenüber dem Sender CNBC. Der Großteil wird von Privatleuten gehandelt.
Unter diesen Krypto-Anlegern sind laut einer aktuellen Untersuchung von rund 100.000 Investorenprofilen einer großen deutschen Online-Bank 90 Prozent Männer. Andere typische Merkmale sind ein vergleichsweise hohes Einkommen und eine gewisse Technikaffinität, fanden Wissenschaftler des Frankfurter Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung in der Studie heraus. Doch wie funktioniert dieser Handel eigentlich?
Kaum Regulierung
"Bevor wir handeln, beobachten wir die Preise etwa auf den Plattformen Coinmarketcap oder Bitstamp", erklärt Fondsmanager Karb. Auch die Öffnung und Schließung der ausländischen traditionellen Börsen sei beim Kaufzeitpunkt relevant. "Wir sehen schon eine Korrelation zwischen dem Kryptomarkt und dem herkömmlichen Markt. Die gesamtwirtschaftliche Großlage wirkt sich in vielen Fällen auch auf den Bitcoin aus", so der Banker. So habe er etwa auch vom Streit um die Spekulationen der Gamestop-Aktie profitiert. Gerade am Wochenende gebe es dagegen häufig weniger schwankende Preise. Die Gesetze der Bitcoin-Entwicklung seien insgesamt kompliziert und nicht immer rational.
Die Bank geht beim Handel nicht direkt über spezielle Kryptobörsen, weil diese zum großen Teil keine ausreichende Zulassung in Deutschland hätten, erläutert Karb. "Wir wollten vermeiden, dass wir die Bitcoins von Quellen erhalten, die wir nicht eindeutig identifizieren können." Auf der Blockchain, der Technologie hinter dem Bitcoin und eine Art digitales Logbuch, seien die Herkunftsquellen nun einmal unbekannt.
Deshalb habe Hauck & Aufhäuser als Broker das Frankfurter Bankhaus Scheich zwischengeschaltet, das ebenfalls einen zugelassenen Kryptoverwahrer habe. Damit sei das Geldwäscherisiko zumindest reduziert, meint Karb. "Wenn wir eine Transaktion in Auftrag geben, wird dieser von Kapilendo verifiziert, freigegeben und die Order übermittelt. Daraufhin deckt sich das Bankhaus Scheich am Kryptomarkt über verschiedene Börsen wie Coinbase oder Kraken ein und stellt uns die Bitcoins in der Wallet des Fonds zur Verfügung."
Banken können als Broker fungieren
Die Software für das Bankhaus Scheich oder auch das Münchener Bankhaus von der Heydt, das Ende des ersten Quartals eine Krypto-Handelsplattform für institutionelle Anleger starten will, entwickelt die Frankfurter Firma Blocksize Capital. Sie sorgt dafür, dass die Banken als Broker fungieren können. Die Technologie bündelt die Liquidität von 50 Kryptobörsen, wie Geschäftsführer Christian Labetzsch berichtet. Innerhalb von 100 Millisekunden werde so der bestmögliche Preis erkannt und die Transaktion sofort umgesetzt.
Normalerweise gebe es im Kryptohandel - anders als beim Aktienmarkt - keinen Mittelsmann wie eine Bank oder einen Broker, erklärt Leon Berghoff, Absolvent der Frankfurt School of Finance & Management, gegenüber tagesschau.de. Ausnahmen sind in Deutschland etwa die Börse Stuttgart mit der App BISON und der BSDEX (Börse Stuttgart Digital Exchange) oder die Berliner Krypto-Bank Bitwala.
Meist richteten sich Anleger aber direkt einen Account bei der Börse ein, was sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich bringe. "Der Handel ist erstmal viel transparenter: Man kann anhand den Handelsdaten genau sehen, was an der Kryptobörse passiert", meint Berghoff. Ein weiterer Vorteil liege in den relativ geringen Transaktionskosten.
Ein Risiko sei dagegen die Verwahrung. Beim regelmäßigen Handel müsse die Kryptowährung auch bei der Börse gelagert werden. "Es kann vorkommen, dass Börsen Hackerangriffen ausgeliefert sind und das Geld verschwindet", warnt Berghoff. Die bekannteren Börsen seien mittlerweile aber professioneller und besser geschützt. Auch die fehlende Regulierung und staatliche Sicherheit können für private Investoren zum Problem werden.
Wie gelangt ein Bitcoin zum Käufer?
Leon Berghoff ist ein sogenannter quantitativer Trader beim Startup Sixtant - und damit mitverantwortlich, dass Anleger Bitcoins überhaupt kaufen können. Die Firma ist ein global agierender Hochfrequenzhändler im Krypto-Bereich. In der Regel haben solche Händler Verträge mit Kryptobörsen wie FTX, Binance, Bitstamp oder Bitso und sorgen dafür, dass dort immer genügend Bitcoins vorhanden sind. Dafür bekommen sie im Gegenzug eine Gebühr.
"Wenn ein Anleger eine Kryptowährung kaufen oder verkaufen will, sind wir zu jeder Zeit bereit, die Gegenpartei für diesen Handel zu sein", erklärt Berghoff. Da diese Transaktionen sehr oft stattfinden, führen die Hochfrequenzhändler mehrere Trades pro Sekunde aus. Dadurch soll die Differenz zwischen Kauf- und Verkaufspreis gering gehalten werden. Sixtant leiht sich die Coins entweder bei der jeweiligen Börse oder kauft sie am freien Markt.
Damit diese Firmen, in der Finanzwelt als "Market Maker" bekannt, anschließend aufgrund der extremen Schwankungen des Bitcoins nicht dem Kursrisiko ausgesetzt sind, sichern sie sich zusätzlich innerhalb von Millisekunden gegen Kursverluste ab. "Wir stehen immer auf der falschen Seite des Handels", so Berghoff. Wenn der Markt hochgehe, müsse er den Bitcoin verkaufen - das Gegenteil von erfolgreichem Investieren. "Wenn wir von jemandem Bitcoins kaufen, versuchen wir so schnell es geht, die Währung wieder zu verkaufen oder kaufen ein Derivat, mit dem wir den Bitcoin shorten." Durch dieses Wetten auf fallende Kurse als Gegengeschäft wird das Risiko minimiert.
Prognosen durch Algorithmen
Zudem gibt es bei vielen Unternehmen in der Szene auch eine Abteilung, die durch den eigenen Handel am freien Markt Profite macht. Dabei geht es darum, bestimmte Entwicklungen des Bitcoins Minuten oder Sekunden vorher zu prognostizieren, wie Berghoff erklärt. Beim quantitativen Handel funktioniere das automatisch.
Als Händler ist er rund um die Uhr beschäftigt. "Im Gegensatz zu einem Aktienhändler geht ein Tag als Krypto-Trader 24 Stunden, da die Kryptobörsen zu jeder Zeit geöffnet haben - 365 Tage im Jahr", sagt der Experte. Auch über Nacht könne sehr viel passieren, weil Kryptowährungen stark schwanken.
"Das heißt: Zunächst checke ich das System und schaue, wie die Algorithmen gehandelt haben und ob es technische Probleme gab", so Berghoff. Die Sixtant-Mitarbeiter seien auf der Welt verteilt, um das System und die Märkte zu jeder Zeit zu untersuchen.
"Mehr Bildschirme, als ich zugeben würde"
Ansonsten habe das algorithmische Trading sehr viel mit Programmieren von Codes zu tun. "Wir besorgen uns historische Daten für einzelne Kryptowährungen auf bestimmten Börsen: Zum Beispiel schaue ich mir die Preisdaten des Bitcoins pro Minute über die vergangenen drei Jahre an und versuche darin, Anomalien zu finden", erklärt Berghoff. Auf dieser Grundlage entwickele er schließlich einen Algorithmus, der diesen Effekt im Handel berücksichtigt: "Wenn es in der Vergangenheit funktioniert hat, hoffen wir, dass es auch in der Echtzeit klappt."
Vergleichbar sei etwa der sogenannte "Montags-Effekt" aus dem Aktienhandel. Dieser besagt, dass der Montag der traditionell schwächste Wochentag an der Börse ist. Im Kryptohandel sei das aber deutlich komplexer, so Berghoff. Durch Ausnutzen von Anomalien werde versucht, im Eigenhandel Gewinne zu erzielen. Darüber hinaus müsse ein Hochfrequenzhändler an einem Trader-Tag die Codes und technischen Zusammenhänge überprüfen und mögliche Fehler beheben. Dafür habe er, sagt Berghoff, "mehr Bildschirme an meinem Arbeitsplatz, als ich zugeben würde."