Fallende Aktienkurse Crash auf Raten im DAX?
Fallende Aktienkurse Crash auf Raten im DAX? Seit Wochen geht es für den DAX abwärts - Stück für Stück. Experten sprechen von einem "Salami-Crash". Was sind die Gründe für den Kursverfall, und hat der DAX nun die Chance auf eine echte Erholung?
Starke Nerven: Die brauchen Anlegerinnen und Anleger am deutschen Aktienmarkt derzeit ganz besonders. Der Deutsche Aktienindex ist zur Wochenmitte erstmals seit März unter die Marke von 15.000 Punkten gefallen. Seither versucht er, sich zu stabilisieren. Die Bilanz der vergangenen Wochen fällt düster aus: Allein seit vergangenem Freitag hat der DAX in der Spitze 3,7 Prozent verloren. Seit dem Allzeithoch bei 16.529 Zählern Ende Juli belaufen sich die Verluste sogar auf 9,6 Prozent.
Dabei ist auffällig: Handelstage mit spektakulär hohen Kurseinbrüchen sucht man vergebens. Vielmehr handelt es sich bei der aktuellen Abwärtsbewegung um einen längerfristigen Trend. Immer wieder hat der DAX in den vergangenen Tagen und Wochen kleinere bis mittelgroße Abschläge verzeichnen müssen, oft durchbrochen von kurzen Zwischenerholungen. Experten sprechen in einem solchen Fall von einem "Salami-Crash", bei dem sich die Abwärtsbewegung "in kleinen Scheiben" vollzieht.
Steigende Anleiherenditen, fallende Aktienmärkte
Es sind vor allem die rasant steigenden Renditen, die den Aktienmärkten die Luft zum Atmen nehmen. In den USA notierte die Rendite für zehnjährige Staatsanleihen zur Wochenmitte bei 4,9 Prozent und damit auf einem 16-Jahres-Hoch. In Deutschland übersprang die zehnjährige Rendite erstmals seit 2011 die Marke von 3,0 Prozent. Zum Vergleich: Vor vier Wochen lag sie noch bei 2,6 Prozent.
Hintergrund der steigenden Renditen sind die veränderten geldpolitischen Perspektiven: Um der hartnäckigen Inflation Herr zu werden, dürften die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen für längere Zeit auf hohem Niveau belassen. Steigen aber die Anleiherenditen, so macht das Aktien im Vergleich zu Anleihen weniger attraktiv. Wieso sollten Anlegerinnen und Anleger unnötige Risiken am Aktienmarkt eingehen, wenn sie am Staatsanleihenmarkt drei Prozent und mehr sicher bekommen können?
Sorgenfaktor Ölpreise
Zusätzlicher Druck auf die Aktienmärkte kam in den vergangenen Wochen vom Ölmarkt: Dort waren die Preise zuletzt auf mehrmonatige Höchststände gestiegen. Die Nordseesorte Brent notierte zeitweise nur noch knapp unter der Marke von 100 Dollar. Preistreiber waren Angebotssorgen, halten doch die Förderländer Saudi-Arabien und Russland das Angebot künstlich knapp. Hinzu kamen die stark gesunken US-Lagerbestände.
An den vergangenen Tagen hatte der Druck vom Ölmarkt allerdings merklich nachgelassen, die Ölpreise waren zeitweise auf den tiefsten Stand seit einem Monat gefallen. Allmählich scheint sich am Ölmarkt die Überzeugung durchzusetzen, dass eine globale Konjunkturflaute auch die Nachfrage nach dem schwarzen Gold deutlich drücken dürfte. Der Aufwärtstrend bei den Ölpreisen sei gebrochen, erklärt Robert Rethfeld, Marktexperte von Wellenreiter-Invest.
DAX mit mieser Charttechnik
Das bietet den Aktienmärkten in Verbindung mit den zuletzt leicht gesunkenen Anleiherenditen die Chance auf eine Gegenbewegung. "Damit sich daraus eine Erholung entwickeln kann, müssten jedoch weitere Anschlussgewinne folgen", betonen allerdings die Charttechnik-Experten der UBS. Den Analysten der Helaba zufolge hat der DAX zwar die Chance auf eine Erholung nach einer zuletzt "überverkauften Marktlage". Generell sehen sie den deutschen Leitindex aber noch in einer technisch schlechten Verfassung.
In der Tat hatte sich die Charttechnik im DAX zuletzt massiv eingetrübt; die Standardwerte waren unter ihre zentrale Unterstützungszone gefallen: die Hochs vom Juli und August. Mit dem Rutsch unter die 200-Tage-Linie, dem gleitenden Durchschnitt der vergangenen 200 Handelstage, haben sich auch die langfristigen Perspektiven im DAX drastisch verschlechtert. Die nächste wichtige Unterstützungszone liegt nun bei 14.800 Punkten - hier hatten die Kurse in der Vergangenheit schon häufiger wieder die Kurve bekommen.
Negative Anlegerstimmung als Kontraindikator
Die Stimmung der Anlegerinnen und Anleger liegt derweil am Boden. Das zeigt ein Blick auf den "Fear & Greed"-Index des Nachrichtensenders CNN, der nur noch bei 18 von 100 Punkten liegt und damit im Bereich "extremer Angst". Nicht wenige Marktbeobachter sehen darin einen Kontraindikator, also einen Vorboten steigender Kurse, denn: Wenn die Stimmung so schlecht ist, dass alle schon verkauft haben, kann gar kein neuer Verkaufsdruck mehr aufkommen. Das eröffnet die Chance auf eine Erholungsrally im DAX. Diese könnte durchaus heftig und sprunghaft erfolgen.
Möglichkeit eines Short-Squeeze
Hintergrund sind die zahlreichen Short-Positionen, welche die Akteure am Terminmarkt zuletzt aufgebaut hatten. Fangen die Kurse an zu steigen, müssen die Leerverkäufer hektisch den DAX kaufen, um ihre Positionen zu decken - und treiben so den DAX weiter in die Höhe. Experten sprechen dann von einem "Short-Squeeze".
Einen Anlass dazu könnte womöglich der heute Nachmittag anstehende US-Arbeitsmarktbericht bieten. Dabei gilt das Motto: Schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten. Schwache Jobdaten würden nämlich zeigen, dass der geldpolitische Bremskurs der Fed endlich die erwünschte Wirkung zeigt. In der Folge könnte die Rally bei den Anleiherenditen auslaufen, was wiederum den Aktienmärkten die Chance auf eine echte Erholungsbewegung geben würde.
Hoffen auf die besten sechs Börsenmonate
Mit Blick auf die Saisonalität könnte sich eine nachhaltige Erholung im Oktober allerdings schwierig gestalten. Der Börsenmonat ist "bekannt für seine Crash und Paniken wie der Bankenpanik von 1907, der Weltwirtschaftskrise 1929 und dem Schwarzen Montag von 1987", warnt denn auch Konstantin Oldenburger, Marktanalyst von CMC Markets.
Tatsächlich lohnt sich der Wiedereinstieg in den Aktienmarkt aus statistischer Perspektive in der Regel erst wieder nach Halloween, also zum 1. November - dann beginnen die besten sechs Monate an der Börse.