Zehnjährige Bundesanleihe Was hinter dem Anstieg der Rendite steckt
Zum ersten Mal seit zwölf Jahren beträgt die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen mehr als drei Prozent. Doch was sind Bundesanleihen eigentlich? Und was bedeutet der Renditeanstieg?
Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen ist heute erstmals seit zwölf Jahren über die Marke von drei Prozent gesprungen. In der Spitze erreichte sie 3,02 Prozent - den höchsten Stand seit 2011.
Was sind Bundesanleihen?
Eine Anleihe ist ein Wertpapier, das dem Inhaber den Anspruch einräumt, jedes Jahr bestimmte Zinszahlungen zu erhalten und am Ende der Laufzeit den vollen Kapitalbetrag zurückzubekommen. Die Ausgabe oder die Aufstockung solcher Anlagen funktioniert über Auktionen. Bestimmte in- und ausländische Geschäftsbanken können innerhalb eines bestimmten Zeitraums Gebote abgeben.
Nach Ablauf der Frist teilt die zuständige Finanzagentur GmbH die Anleihen abhängig vom jeweiligen Gebot zu. Der Käufer kann sie schließlich selbst behalten oder mit einem Preisaufschlag weiterverkaufen - zum Beispiel an institutionelle oder private Anleger. Über die Börse kann der Besitzer der Anleihe sie anschließend täglich handeln. Deutsche Staatsanleihen gelten als sehr sicher, weil die Kreditwürdigkeit von Ratingagenturen mit der Bestnote AAA bewertet wird.
Warum gibt es Staatsanleihen?
Über die Ausgabe von Anleihen oder Bonds leihen sich Staaten für mehrere Jahre Geld bei Investoren und zahlen dafür Zinsen. Deutschland ist nach dem Grundgesetz dazu verpflichtet, den Saldo aus Einnahmen und Ausgaben ausgeglichen zu gestalten. Reichen die Steuern nicht aus, um die Kosten zu decken, muss er Schulden aufnehmen, um den Haushalt zu finanzieren. Die deutschen Staatsschulden bestehen zum großen Teil aus börsennotierten Wertpapieren. Dazu gehören etwa Bundesanleihen.
Warum wird besonders auf die zehnjährigen Bundesanleihen geschaut?
Der Bund bietet verschiedene Papiere an, die sich nach der Höhe des Zinses sowie der Laufzeit unterscheiden. Die klassischen Bundesanleihen sind diejenigen mit einer Laufzeit von sieben, zehn, 15 oder 30 Jahren. Am häufigsten ausgegeben und gehandelt werden die zehnjährigen Bonds. Der Grund: Weil jeder Staat Papiere mit dieser Laufzeit hat, sind sie international vergleichbar.
Besonders im Fokus der Finanzwelt steht die Rendite der zehnjährigen Anleihe, die zuletzt ausgegeben wurde. Weil sie am meisten gehandelt wird, reagiert sie am schnellsten auf Neuigkeiten in der Welt. Ihre Rendite wird täglich von der Deutschen Bundesbank veröffentlicht.
Wie wird die Rendite berechnet?
Die Rendite ist die effektive Verzinsung einer Anleihe und damit ein Maß für den Erfolg einer Investition nach Ablauf der Vereinbarung oder bei Verkauf. Ein Aspekt ist dabei die Laufzeit. Für längere Bonds gibt es mehr Zinsen, da die Investoren ihr Geld länger los sind - mit allen Risiken. Entscheidend für die Rendite einer Bundesanleihe sind aber vor allem der Zins und der Kurs.
Wenn eine Anleihe bei der Ausgabe 100 Euro wert ist und pro Jahr mit drei Prozent verzinst wird, ist der Zins auch gleichzeitig die jährliche Rendite - in diesem Beispiel wären es drei Euro. Diese Berechnung setzt aber voraus, dass der Anleger die Anleihe bis zur Fälligkeit hält. Jedoch werden die Papiere dauernd am Markt gehandelt, und der Kurs verändert sich stetig. Wenn viele Investoren ihre Papiere aus dem Depot werfen, sinkt der Kurs. Wenn die Nachfrage steigt, klettert er nach oben. Das hat jeweils Folgen für die Rendite.
Fällt der Kurs von 100 auf 90 Euro, bezieht sich der Zins auf den neuen Kurs, und die laufende Rendite steigt dementsprechend auf 3,33 Prozent. Renditen und Kurse entwickelt sich am Anleihenmarkt also gegenläufig. Fallen die Kurse bei einem für die gesamte Laufzeit festgelegten Zins, steigen die Renditen für Investoren, die neu zugreifen - und umgekehrt.
Wie haben sich die Renditen zuletzt verändert?
Jahrelang hatte die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen im negativen Bereich gelegen, und der Staat hatte am Schuldenmachen sogar Geld verdient, weil die Investoren Negativzinsen zahlen mussten. Etwa zu Beginn des vergangenen Jahres lag die Rendite bei minus 0,18 Prozent.
Doch spätestens seit dem Ende der Nullzinspolitik ist sie immer weiter nach oben geklettert. Während die Rendite Anfang Juli 2022 noch 1,4 Prozent betrug, knackte sie im darauffolgenden September bereits die runde Marke von zwei Prozent. Heute Morgen stieg die Rendite der zuletzt ausgegebenen Bundesanleihe sogar über 3,0 Prozent und stand damit so hoch wie seit zwölf Jahren nicht mehr.
Woran liegt das?
Bei der Rendite von Anleihen spielen Erwartungen eine große Rolle. Wenn die Leitzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) nach oben gehen, wird auch mit höheren Zinsen für Bundesanleihen gerechnet. Weil sich die Investoren dadurch mittel- bis langfristig bessere Erträge erhoffen, verkaufen sie bestehende Anleihen. Dadurch sinkt der Kurs, und die Rendite steigt. Im September beschloss der EZB-Rat die zehnte Zinserhöhung in Folge. Weitere Anhebungen sind nicht ausgeschlossen.
Daneben ist auch die Inflation entscheidend. Das Rückzahlungsversprechen und der gestiegene feste Zinssatz entschädigt in keiner Weise die seit Monaten anhaltend hohen Preissteigerungen. Liegt die Teuerung höher als die Anleiherendite, erleiden Anlegerinnen und Anleger unterm Strich Verlust - auch wenn der Zinssatz und damit die Rendite der Bundesanleihen nominal steigen. Daher verkaufen einige Investoren ihre Papiere, und die geringere Nachfrage lässt die Rendite nach oben klettern.
Was hat eine Rendite von über drei Prozent für Folgen?
Anlegerinnen und Anleger, die neu bei den zehnjährigen Bundesanleihen zugreifen, erhalten aktuell zehn Jahre lang mehr als drei Prozent pro Jahr - wenn sie das Produkt über die gesamte Zeit halten. Für diejenigen, die bereits einen Bond besitzen, sind die steigenden Zinsen allerdings von Nachteil. Denn wenn der Zins steigt, fällt der Kurs der vorhandenen Anleihe, und sie machen bei einem Verkauf vor Ende der Laufzeit Verlust.
Auch für Investoren am Aktienmarkt sind die steigenden Anleiherenditen schlecht. Denn Aktien werden unattraktiver gegenüber Anleihen. Unter anderem deshalb fiel der deutsche Leitindex DAX heute zeitweise unter 15.000 Punkte auf den niedrigsten Stand seit März.
Direkt verbunden mit der Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe sind zudem die Bauzinsen. Banken refinanzieren ihre Baufinanzierungen überwiegend über Pfandbriefe. Deren Rendite orientiert sich an den Zinsen zehnjähriger Bundesanleihen. Aus diesem Grund sind auch die Hypothekenzinsen massiv gestiegen. Für zehnjährige Finanzierungen lagen diese zuletzt bei durchschnittlich 4,13 Prozent, wie die Daten der Frankfurter FMH-Finanzberatung zeigen. Zum Vergleich: Vor zwei Jahren betrugen sie noch 0,75 Prozent.
Spielt die Rendite auch für den Staat eine Rolle?
Die Rendite zwar nicht, dafür aber die gestiegenen Zinsen auf die Bundesanleihen. Denn diese erhöhen auch die Zinslast für den Staat, zu der auch die jährlichen Zahlungen für Bundesanleihen oder andere Bundeswertpapiere gehören. 2021 hatte sie noch bei lediglich 3,9 Milliarden Euro gelegen. Im vergangenen Jahr beliefen sich die Zinsausgaben nach Angaben des Bundesfinanzministeriums schon auf rund 15,3 Milliarden Euro - Tendenz steigend. Allerdings sind die Zinssätze von laufenden Anleihen festgesetzt, sodass die Ausgaben vorerst stabil bleiben und der Staat weiterhin von den jahrelangen Nullzinsen profitiert.
Lediglich bei der Ausgabe neuer Papiere muss er sehr viel höhere Zinsen als früher und teilweise sogar einen Aufschlag auf den Kaufpreis zahlen. Insgesamt will sich der Bund in diesem Jahr rund eine halbe Billion Euro von Investoren leihen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) verwies jüngst darauf, dass die Zinskosten daher mittlerweile auf rund 40 Milliarden Euro pro Jahr gestiegen sind.
Jedoch ist die Zinslast historisch gesehen weiter gering. Denn auf eine Verschuldung von 65 Prozent relativ zur Wirtschaftsleistung zahlt der Staat laut Marcel Fratzscher, dem Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, nur knapp ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) an Zinsen. Ein Grund ist die hohe Inflation, durch die das BIP nach oben geschnellt und die reale Schuldenquote gesunken ist. Außerdem sind für den Staatshaushalt auch die Steuereinnahmen entscheidend. Und diese waren vor allem dank der hohen Teuerung so hoch wie nie seit der Wiedervereinigung. 2022 entsprachen die Einnahmen von Bund, Ländern und Kommunen 24,52 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes.