Dieselpreis über zwei Euro Wie teuer Öl und Sprit werden könnten
Diesel kostet erstmals seit Einführung des Tankrabatts wieder mehr als zwei Euro. Öl ist so teuer wie seit drei Monaten nicht mehr. Wie weit nach oben gehen die Preise für Öl, Diesel und Benzin noch?
Nur eine Woche nach der Einführung des Tankrabatts ist es soweit: Diesel kostet im bundesweiten Tagesdurchschnitt wieder mehr als 2,00 Euro. Für den Mittwoch meldete der ADAC einen Durchschnittspreis von 2,007 Euro pro Liter. Damit ist Diesel schon fast wieder so teuer wie vor der Steuersenkung.
"Tankrabatt wurde komplett ausradiert"
Der Tankrabatt ist zumindest bei Diesel so gut wie verpufft - und das ist nicht die einzige schlechte Nachricht, die Autofahrer derzeit verkraften müssen. Signale für weiter steigende Benzin- und Dieselpreise kommen auch vom Ölmarkt. Dort werden derzeit für ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent rund 122 Dollar fällig. Für ein Fass der US-Sorte WTI zahlen Anleger 123 Dollar. Damit rangieren die Ölpreise auf dem höchsten Stand seit drei Monaten, der Aufwärtstrend hält an.
"Die Steuersenkung lief gerade in den Anstieg der WTI- und Brent-Futures hinein. Für den Endnutzer an den Tankstellen wurde der positive Effekt des Tankrabatts damit komplett ausradiert. Das war eine dumme zeitliche Koinzidenz", erklärt Marktexperte Robert Rethfeld im Gespräch mit tagesschau.de.
Das steckt hinter der hohen Ölnachfrage
Gründe für den steigenden Ölpreis lassen sich dabei sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite ausmachen. Auf der Nachfrageseite war es vor allem die Rückkehr Chinas auf den Ölmarkt, die für steigende Preise sorgte. Nach Wochen und Monaten des Lockdowns hatte die Volksrepublik seine strengen Covid-Regeln gelockert. Das trieb die chinesische Wirtschaft an und damit auch die Ölpreise. China ist der weltweit größte Erdölnachfrager.
Dieser steigenden Nachfrage steht jedoch ein knappes Angebot gegenüber. Experten zufolge dürfte die jüngst beschlossene Produktionsausweitung der OPEC+ von 648.000 Barrel pro Tag für Juli und August jedenfalls nicht ausreichen. Doch was sind die Gründe für die Zurückhaltung des Ölkartells?
"Außer den Saudis haben die OPEC-Länder offenbar gar keine Möglichkeiten, mehr zu produzieren. Selbst wenn sie wollten, es geht nicht; die meisten OPEC-Nationen arbeiten an ihrer Kapazitätsgrenze", so Rethfeld. In Verbindung mit der wachsenden Nachfrage aus China sorgt das für einen Nachfrageüberhang am Ölmarkt.
"Driving Season" treibt den Ölpreis
Auch aus saisonaler Perspektive hat der Ölpreis mit Blick auf den verstärkten Reiseverkehr im Sommer noch weiteres Aufwärtspotenzial. "Die Driving Season läuft von April bis August. Die Märkte haben vor diesem Hintergrund keine große Chance auf fallende Preise", betont Marktexperte Rethfeld.
Aus charttechnischer Perspektive sei der Ölpreis auf dem Weg zurück zu seinem März-Hoch. Damals, nach Ausbruch des Ukraine-Krieges, wurde ein Fass der US-Rohölsorte WTI in der Spitze bei über 130 Dollar gehandelt. Ein Fass Brent kostete bis zu gut 139 Dollar.
Marktexperte Robert Rethfeld von Wellenreiter-Invest traut Öl einen weiteren Anstieg zu.
Ölpreis bald wieder bei 150 Dollar?
Auch zahlreiche Investmentbanken haben ihre Kursziele für den Ölpreis zuletzt deutlich angehoben. So rechnen etwa die Rohstoff-Analysten von Goldman Sachs für die kommenden zwölf Monate nun mit einem durchschnittlichen Brent-Preis von 135 Dollar pro Barrel.
Der Chef des Rohstoffhändlers Trafigura sieht den Ölpreis sogar schon bald bei 150 Dollar je Barrel. Das wäre ein neues Rekordhoch. Das bisherige Allzeithoch datiert noch aus Zeiten der Finanzkrise: Im Juli 2008 wurden für ein Barrel Brent in der Spitze 147,50 Dollar gezahlt.
Knappheit am Ölmarkt lässt nach
"Ich denke nicht, dass der Ölpreis das März-Hoch übersteigen wird", betont dagegen Wellenreiter-Experte Rethfeld im Gespräch mit tagesschau.de und verweist auf die Öl-Futures-Märkte: Hier war die Differenz zwischen dem nächstliegenden und dem drei Monate entfernten Kontrakt zuletzt deutlich abgeschmolzen.
"Lag diese im März noch bei 13 Dollar, so sind es jetzt nur noch rund sieben Dollar. Die so genannte Backwardation hat sich verringert. Das signalisiert, dass die Knappheit am Ölmarkt abgenommen hat", so Rethfeld. "Das Rekordhoch bei 150 Dollar sollten wir daher so rasch nicht wiedersehen."
Öl-Anleger ignorieren negative Nachrichten
Auch Carsten Fritsch, Rohstoff-Experte der Commerzbank, warnt davor, "den aktuellen Preisanstieg einfach fortzuschreiben". Derzeit würden die Marktteilnehmer im Überschwang die Preise immer weiter nach oben treiben. "Zumeist stellt dies aber keine gesunde Basis für eine längerfristige Entwicklung dar", so Fritsch.
Tatsächlich gibt es Hinweise, dass die aktuellen Marktbewegungen womöglich etwas übertrieben sind. Potenziell negative Impulse für die Ölpreise wie die zuletzt gestiegenen US-Rohöllagerbestände oder die Nachricht, dass in Shanghai ein neuer Teil-Lockdown bevorsteht, werden von den Akteuren am Ölmarkt bislang jedenfalls geflissentlich ignoriert.
Benzin könnte noch teurer werden
Doch was bedeuten die aktuellen Entwicklungen am Ölmarkt für Autofahrer und Heizöl-Kunden? Werden Diesel, Benzin und Heizöl jetzt noch teurer? Marktexperte Rethfeld gibt partiell Entwarnung: "Ende April haben wir bei den Großhandelspreisen für Diesel und Heizöl ein Hoch gesehen, was jetzt im Juni gar nicht mehr angelaufen wird. Diesel und Heizöl markierten zuletzt niedrigere Hochpunkte." Das April-Hoch dürfte daher nicht mehr übertroffen werden.
Dagegen habe Benzin noch etwas Aufwärtspotenzial, das dürfte aber zeitlich begrenzt sein: "Benzin zeigte zuletzt relative Schwäche zu Diesel und ist nun dabei, das wieder aufzuholen, sodass sich auch hier spätestens mit dem Ende der Driving Season ein Hoch ergeben sollte."