Wall Street New York
Marktbericht

Börsen legen kräftig zu Wall Street schöpft neue Hoffnung

Stand: 16.03.2023 21:15 Uhr

Das Rettungspaket für die Credit Suisse und Aussagen der US-Finanzministerin Janet Yellen sorgen an der Wall Street für eine schwungvolle Erholung. Aber Fachleute warnen vor zu viel Optimismus.

An der Wall Street setzten sich nach schwachem Start letztlich die Käufer durch: Der Dow Jones gewann 1,2 Prozent auf 32.246 Punkte. Der breiter gefasste S&P 500 schloss 1,8 Prozent fester auf 3960 Zählern. Die Technologiebörse Nasdaq 100 stieg um 2,7 Prozent auf 12.581 Punkte.

In den USA lastete zunächst die EZB-Zinserhöhung auf der Stimmung. Ermutigende Äußerungen von Finanzministerin Janet Yellen und die Stärke der europäischen Börsen sorgten schließlich für die Wende. "Aussagen der US-Finanzministerin Janet Yellen über die Solidität der US-Banken waren mit Sicherheit einer der Dreh- und Angelpunkte", sagte Art Hogan, Chefstratege beim Vermögensverwalter B. Riley.

Unterstützend wirkte auch, dass die in Schieflage geratene US-Regionalbank First Republic eine milliardenschwere Unterstützung von den größten amerikanischen Geldhäusern erhält. Elf Banken, darunter Branchenführer JPMorgan Chase, Bank of America, Citigroup, Wells Fargo, Goldman Sachs und Morgan Stanley, springen dem Institut mit unversicherten Einlagen im Volumen von insgesamt 30 Milliarden Dollar bei. Die Hilfsaktion wurde laut US-Medien von US-Aufsichtsbehörden koordiniert, um die Lage zu beruhigen.

Nachdem die First-Republic-Aktie zunächst mehr als 30 Prozent verloren hatte, schaffte sie anschließend sogar den Sprung in die Gewinnzone.

Große Bankhäuser wie JPMorgan, Citigroup und Bank of America verbuchten anfangs ebenfalls Kursverluste, kehrten dann aber zurück in die Gewinnzone. US-Finanzministerin Janet Yellen hatte Bankkunden versichert, ihre Konten seien sicher. Das Bankensystem des Landes sei verlässlich. Die Regierung habe entschiedene und energische Schritte unternommen, um das öffentliche Vertrauen in das Bankensystem zu stärken.

"Die Amerikaner können sich darauf verlassen, dass ihre Geldeinlagen da sind, wenn sie sie brauchen", sagte sie. Auf die Lage bei der Credit Suisse ging Yellen nicht ein.

Zuvor hatte der DAX nach einem turbulenten Handel, der die Nervosität der Investoren spiegelte, mit einem Plus von 1,6 Prozent auf 14.967,10 Punkten geschlossen. Zeitweise war der deutsche Leitindex nach dem Zinsentscheid der EZB ins Minus gefallen.

Offenbar waren die Anleger über die Erhöhung des Leitzinses um 0,5 Prozent zunächst enttäuscht. Einige hatten damit gerechnet, dass die Notenbank aufgrund der Krisenlage in der Bankenbranche den Kampf gegen die Inflation vorerst zurückstellt.

Andererseits gilt es zu bedenken, dass die Marktteilnehmer es als Warnung vor dem Ernst der Lage hätten interpretieren können, wenn die EZB den Zinssatz weniger stark angehoben oder gar auf eine Zinserhöhung verzichtet hätte. Die Folge wäre eine Panikattacke an den Finanzmärkten gewesen, meint Christian Henke, Marktbeobachter bei IG Markets.

Für die Anleger soll die robuste Zinserhöhung ein Signal dafür sein, dass die Notenbank die Inflationsbekämpfung priorisiert, die Lage der Banken für kontrollierbar hält und die drohende Krise für gut beherrschbar oder gar für beendet. In diesem Sinne äußerte sich auch die EZB-Präsidentin Christine Lagarde: "Ich denke, dass der Bankensektor derzeit in einer viel, viel stärkeren Position ist als im Jahr 2008", sagte sie.

Die Währungshüter erklärten zu den Börsenturbulenzen, sie beobachteten die aktuellen Marktspannungen genau. Die EZB sei bereit, so zu reagieren, wie nötig, um Preis- und Finanzstabilität im Euro-Raum zu wahren. Der Bankensektor des Euroraums seit widerstandsfähig: Kapital- und Liquiditätspositionen seien solide, so die Notenbank.

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz sieht nach der Pleite der kalifornischen Silicon Valley Bank und den Turbulenzen rund um die Credit Suisse keine neue Finanzkrise in Deutschland und Europa heraufziehen: "Die Gefahr sehe ich nicht. Das Geldsystem ist nicht mehr so fragil wie vor der Finanzkrise", sagte der SPD-Politiker dem "Handelsblatt".

Er erwartet deshalb auch keine Konsequenzen für deutsche Sparer. "Die Einlagen der deutschen Sparerinnen und Sparer sind sicher. Nicht nur wegen der höheren Resilienz des Bankensystems und der strikteren Regulatorik, sondern auch aufgrund unserer Wirtschaftskraft."

Die Zinserhöhung der EZB fand bei Ökonomen Beifall: "Die EZB hat sich auch von den Turbulenzen im Bankensystem nicht von ihrem angekündigten Zinskurs abbringen lassen. Das drückt berechtigtes Vertrauen in die Solidität des europäischen Bankensystems aus", kommentiert Ulrich Kater, Chefökonom bei der Dekabank. "Trotzdem müssen Notenbanken und Aufsicht auch in Europa Gewehr bei Fuß stehen, um im Einzelfall schnell stabilisieren zu können", so der Experte. Wirtschaft und Finanzsystem müssten von einer Dekade Nullzinsen entwöhnt werden. Das sei eine mühsame Aufgabe.

Denn mit der drohenden Bankenkrise ist ein weiterer Faktor hinzugekommen ist, den die EZB bei ihrer künftigen Geldpolitik nicht außer Acht lassen kann: "Die jüngsten Entwicklungen legen nahe, dass die Schmerzgrenze für die Finanzstabilität auf einem niedrigeren Leitzinsniveau liegt als für die Realwirtschaft", schreibt Johannes Mayr, Chefvolkswirt von Eyb & Wallwit. "Die Bekämpfung der Inflation kommt deshalb zunehmend in Konflikt mit der Sicherung der Stabilität des Finanzsystems", so sein Fazit.

Nach Einschätzung des Chefs des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, bleibe die EZB aber Antworten auf viele offene Fragen schuldig, etwa wie Finanzinstitutionen kurzfristig unterstützt und stabilisiert werden sollen. "Die vage Kommunikation ist wahrscheinlich bewusst so gewählt worden, um keine Überreaktion an den Kapitalmärkten auszulösen", meint der Fachmann.

Analyst Ulrich Wortberg von der Landesbank Helaba verwies indes darauf, dass die EZB sich in ihrem begleitenden Statement nicht auf weitere Erhöhungen festgelegt habe. "Alles in allem hat es den Anschein, dass die Währungshüter sich eher in Zurückhaltung üben könnten und das Zinstempo reduzieren." Für die Aktienmärkte wären das die erhofften guten Nachrichten.

Die Rettungsaktion für die in eine Krise geratene Schweizer Bank Credit Suisse hatte bereits zuvor die Stimmung etwas aufgehellt - die Sorgen völlig zu zerstreuen, vermochte sie aber nicht. Zu kritisch ist die derzeitige Lage im Bankensektor und noch ist keineswegs sicher, ob in den nächsten Tagen nicht weitere Institute in Schwierigkeiten geraten werden. Die anhaltende Unsicherheit dürfte die Anleger in den kommenden Tagen zu einer vorsichtigen Strategie zwingen.

"Die Maßnahmen sollten ein gewisses Maß an Sicherheit bieten, so dass ein Übergreifen auf den Sektor eingedämmt werden kann", sagte Anke Reingen, Analystin bei der Investmentbank RBC Capital Markets. Die Situation bleibe allerdings riskant.

Also bleibt die Frage, wie nachhaltig die Erholung ist, den Investoren erhalten. Neue Krisennachrichten könnten den DAX und die anderen Weltbörsen jederzeit wieder in Bedrängnis bringen. So sieht das auch Jochen Stanzl, Fachmann bei CMC Markets: "Die Investoren rätseln nun, ob das dicke Ende schon da war oder noch kommt. Sie versuchen den Schaden abzuschätzen, den die Zentralbanken mit ihrem einerseits zu späten und andererseits dann zu steilen Zinskurs angerichtet haben."

Vielen schwane, dass die Nachrichten um die Schweizer Großbank Credit Suisse nicht die letzten gewesen sein könnten. "Es herrscht die Angst vor dem nächsten Lehman-Kollaps", meint Stanzl.

Update Wirtschaft vom 16.03.2023

Stefan Wolff, HR, tagesschau24

Unter den Banken im DAX zeigt die Beruhigungspille der Schweizer Notenbank kaum Wirkung. Aktien der Commerzbank legten nur leicht zu, Papiere der Deutschen Bank fielen weiter zurück. Die Commerzbank hat allein an den vergangenen drei Tagen über 16 Prozent ihres Werts eingebüßt.

Der Euro hat sich heute nach dem Kurseinbruch zur Wochenmitte stabilisiert und legte nach dem EZB-Zinsentscheid etwas zu.

Der Preis des in Krisenlagen als sicherer Hafen geltenden Goldes gab dagegen etwas nach, was die aktuelle Beruhigung an den Finanzmärkten widerspiegelt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 16. März 2023 um 09:00 Uhr in Update Wirtschaft.