Ein Straßenschild der Wall Street in New York.
Marktbericht

Börsen schließen im Minus Anleger zittern vor Bankenpleiten

Stand: 17.03.2023 21:48 Uhr

Die Sorgen vor einer neuen Bankenkrise ließen die Börsenkurse dies- und jenseits des Atlantiks zum Wochenschluss sinken. Nicht einmal die angekündigten Rettungsmaßnahmen konnten die Anleger beruhigen.

"Eine Woche des Erschreckens an den Finanzmärkten liegt hinter uns", sagte Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater mit Blick auf den Kollaps mehrerer kleinerer US-Banken und Sorgen um die Credit Suisse. Und ein Blick auf die Schlusskurse dieser Woche bewahrheitete diese Aussage einmal mehr.

An der Wall Street konnte sich die Angst vor einer erneuten Bankenkrise nicht legen und es ging nach der Erholung am Vortag wieder bergab. Der Dow-Jones-Index der Standardwerte verlor bis zum Handelsschluss 1,19 Prozent auf 31.861 Punkte. Der marktbreite S&P 500 verlor 1,10 Prozent auf 3916 Punkte. Etwas besser behauptete sich der technologielastige Nasdaq 100 mit einem Kursrückgang um 0,49 Prozent auf 12.519 Zähler.

Anleger flüchteten in als sicher geltende Staatsanleihen, was die Rendite der zehnjährigen US-Treasuries auf 3,382 Prozent drückte.

Die Bankenkrise macht auch die deutschen Anleger weiter nervös: Der DAX knickte zum Wochenschluss um 1,3 Prozent auf 14.768,20 Punkte ein. Damit verlor er auf Wochensicht 4,3 Prozent - die schwärzeste Börsenwoche seit Juni 2022.

Die deutlichsten Wochenverluste verbuchten die Bankaktien: Die Papiere von Deutsche Bank und Commerzbank lagen bei minus 12,5 und minus 19,5 Prozent. Nachdem sich die Papiere nach deutlichen Verlusten der Vortage zu Handelsbeginn zunächst stabilisieren konnten, verloren die Papiere der Deutschen Bank allein heute 1,5 Prozent, die der Commerzbank gaben um 3,5 Prozent nach.

Von der aktuellen Situation konnten dagegen die Kurse deutscher Anleihen profitieren. Der für den deutschen Anleihemarkt richtungsweisende Terminkontrakt Euro-Bund-Future stieg bis zum späten Freitagnachmittag um 1,61 Prozent auf 138,04 Punkte. Die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen fiel im Gegenzug auf 2,12 Prozent.

Ungemütlich war es zum Wochenausklang auch wegen des Verfalls von Optionen und Futures auf Aktien und Indizes. Am sogenannten Hexensabbat kommt es häufig zu scheinbar unerklärlichen Kursverwerfungen - weshalb Börsianer auf das Bild tanzender Hexen zurückgreifen.

Spannend wird nun sein, wie sich der DAX in der kommenden Woche entwickeln wird, wenn der Terminmarkt nicht mehr so sehr in das Handelsgeschehen eingreift. An Verfallstagen schließen Investoren nämlich ihre Long- und Short-Positionen. Dadurch tritt eine Marktbereinigung ein. Vor diesem Hintergrund hat der DAX in der Vergangenheit bereits häufig wichtige Wendepunkte im Umfeld von Verfallstagen markiert.

Nach dem angeschlagenen Schweizer Geldhaus Credit Suisse bekommt auch die US-Regionalbank First Republic ein Unterstützungspaket. Insgesamt elf US-Großbanken wie JP Morgan und Citigroup haben 30 Milliarden Dollar in das kleinere Geldinstitut investiert.

Für Ruhe an den Märkten sorgte die Rettungsmaßnahme aber nicht: Das Paket erscheine den Investoren offenbar nicht ausreichend, um die Risiken zu mindern, sagte Expertin Victoria Scholar vom britischen Online-Anlagedienst Interactive Investor. Die Aktien von First Republic sackten zeitweise um rund 30 Prozent ab.

Zudem beantragte mit SVB Financial der Mutterkonzern der Silicon Valley Bank - Auslöser der aktuellen Krise - Gläubigerschutz nach dem "Chapter 11" des US-Insolvenzrechts.

Wie angespannt die Situation im US-Bankensektor zuletzt war, zeigte sich am Donnerstag an Daten der Notenbank. In den sieben Tagen bis 15. März gab die Fed über ihr als Diskontfenster bezeichnetes Programm zur Notliquiditätsversorgung die Rekordsumme von 152,85 Milliarden Dollar an Finanzinstitute aus.

Damit wurde der bisherige Höchstwert von 111 Milliarden Dollar aus der Finanzkrise 2008 übertroffen. Zum Vergleich: In der Vorwoche hatten die Banken lediglich 4,58 Milliarden Dollar aus dem Diskontfenster beansprucht.

Das Bankenthema dürfte die Investoren noch eine Weile beschäftigen, kommentierte Analyst Jochen Stanzl von CMC Markets. Kurzfristig erscheine das Liquiditätsproblem durch die Rettungspakete zwar gelöst, doch langfristig stelle sich die Frage, "wie solvent vor allem die kleinen und mittelgroßen Banken in den USA auf Dauer wirklich sind."

Die Probleme dieser Geldhäuser seien eher unternehmensspezifisch und nicht systemisch, kommentierte Robert Greil, Chefstratege von Merck Finck. "Sollten sich die Fälle jedoch mehren, könnte das Vertrauen in den Bankensektor insgesamt sinken, was weitergehende Risiken bergen würde."

Anleger rätseln darum jetzt, wie sich die Fed angesichts des Bebens im US-Bankensektor auf ihrer Zinssitzung am Mittwoch positionieren wird. Aktuell werde der US-Notenbank nur noch ein kleiner Zinsschritt um 25 Basispunkte zugetraut, heißt es in einem Kommentar der Commerzbank. Dies bestätigt auch das Fed Watch Tool der CME Group: 82 Prozent der Marktteilnehmer rechnen demnach mit einem Zinsschritt von 25 Basispunkten, 18 Prozent erwarten sogar eine Zinspause.

Noch vor wenigen Tagen hatte Notenbankchef Jerome Powell das Signal ausgesendet, dass die Fed im Kampf gegen die ausufernde Inflation die Zügel womöglich stärker anziehen müsste. Derzeit liegt die Leitzinsspanne in den USA bei 4,50 bis 4,75 Prozent.

Die aktuelle Situation stellt die Notenbank vor ein Dilemma: "Während die Kapitalmärkte auf ein Ende der Leitzinserhöhungen und eine bessere Liquiditätsversorgung hoffen, erfordert die nach wie vor viel zu hohe Inflation eine Fortsetzung des restriktiven geldpolitischen Kurses", stellen die Analysten des Finanzhauses Marcard, Stein & Co fest. Ein zu abrupter Kurswechsel in der Geldpolitik könne zudem die Sorgen an den Finanzmärkten um die Stabilität des Bankensektors weiter schüren, meinen die Experten.

Die EZB hatte sich am Donnerstag nicht beirren lassen und den Leitzins um einen halben Prozentpunkt auf 3,50 Prozent erhöht. Die Finanzmärkte in Europa hatte das allerdings nicht beruhigt. "Diese Sorge wird nicht schnell verfliegen", betonte Ulrich Leuchtmann, Devisenexperte bei der Commerzbank: "Mit jedem Tag, an dem die Marktverwerfungen der letzten Tage nicht wieder auftreten, dürfte sie jedoch ein wenig abklingen."

In der kommenden Woche stehen neben der Fed-Entscheidung auch in Großbritannien und in der Schweiz wichtige geldpolitische Schritte an. Der britische Notenbankchef Andrew Bailey hielt sich bislang bedeckt, ob die Zinszügel nach zehn Straffungen in Folge am Donnerstag weiter angezogen werden.

Auch in der Schweiz steht die Entscheidung der Notenbank an: "Unter normalen Umständen würde die SNB wohl nächste Woche ihren Leitzins ebenfalls ein weiteres Mal anheben", meint Commerzbank-Analystin You-Na Park-Heger. Angesichts der jüngsten Ereignisse könnte die SNB jedoch auch stillhalten - zumal die Inflationsrate in der Schweiz deutlich niedriger liege als zum Beispiel in der Eurozone.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde steht am Montag im Wirtschafts- und Währungsausschuss (ECON) des EU-Parlaments in Brüssel Rede und Antwort zur Geldpolitik. Die Abgeordneten erwarten Hinweise zur Inflationsentwicklung und zum weiteren Kurs der Notenbank. Zudem dürfte die Lage der Bankenbranche in Europa nach den jüngsten Turbulenzen im Fokus stehen.

Update Wirtschaft vom 17.03.2023

Stefan Wolff, HR, tagesschau24

Der zweitgrößte US-Autobauer Ford ruft auf seinem Heimatmarkt mehr als 1,5 Millionen Fahrzeuge wegen möglicher Defekte an Bremsschläuchen und Scheibenwischern zurück. Bei knapp 1,3 Millionen Mittelklassewagen der Typen Ford Fusion und MKX Lincoln mit Modelljahrgängen von 2013 bis 2018 könnte es zu Lecks an den Bremsschläuchen kommen. Das geht aus Dokumenten hervor, die am Freitag von der US-Verkehrsaufsicht NHTSA veröffentlicht wurden.

Die Aufrüstung in Europa unter dem Eindruck des Ukraine-Kriegs spiegelt sich auch an der Börse wider: Der Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall feiert am Montag sein Debüt als Mitglied des deutschen Leitindex. Sein Börsenwert hat sich binnen Jahresfrist fast verdoppelt, auf knapp elf Milliarden Euro. Rheinmetall ersetzt im DAX Fresenius Medical Care (FMC).

Der Kryptomarkt ist weiter auf Erholungskurs. Die größte Cyberdevise Bitcoin notiert bei knapp 26.700 Dollar so hoch wie seit neun Monaten nicht mehr. Kryptowährungen profitieren von den zuletzt deutlich gesunkenen Kapitalmarktzinsen und der nachlassenden Risikoaversion der Anleger.

Der Eurokurs hat am Freitag an seine jüngste Erholung angeknüpft. Im New Yorker Handel notierte die Gemeinschaftswährung zuletzt bei 1,0678 US-Dollar. Die Europäische Zentralbank hatte den Referenzkurs auf 1,0623 Dollar festgesetzt.

Zudem treibt die Angst vor weiteren Bankenpleiten immer mehr Anleger in die "Krisenwährung" Gold. Die Feinunze des Edelmetalls verteuert sich um 3,6 Prozent auf 1987,62 Dollar und damit auf den höchsten Stand seit April 2022. "Gold steigt aufgrund von Befürchtungen, dass es über das Wochenende weitere schlechte Banknachrichten geben könnte", sagte Tai Wong, ein unabhängiger Metallhändler mit Sitz in New York.

Die Bankensorgen trieben auch die Rohstoff-Anleger um. Rohöl der Nordsee-Sorte Brent verbilligte sich um 2,4 Prozent auf 72,88 Dollar je Fass, US-Leichtöl WTI um 2,1 Prozent auf 66,90 Dollar. Das ließ die Papiere der Ölbranche einknicken: Zu den größten Verlierern gehörten Oneok, Baker Hughes, Marathon Oil, APA und Halliburton mit einem Minus zwischen 1,5 und 3,5 Prozent.

Zum Ende der Umbauphase der Deutschen Bank wurde Vorstandschef Christian Sewing mit einer leichten Gehaltserhöhung belohnt. Die Gesamtvergütung des 52-Jährigen nahm 2022 um rund 110.000 Euro auf 8,9 Millionen Euro zu, wie die Deutsche Bank heute in ihrem Geschäftsbericht mitteilte. Das einst von Verlusten geplagte Institut hatte im vergangenen Jahr sein bestes Ergebnis seit 15 Jahren eingefahren.

Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia bekommt die Folgen hoher Zinsen, explodierender Baukosten und gestiegener Energiepreise zu spüren und rechnet mit einem sinkenden operativen Ergebnis für das laufende Jahr. "Vonovia hat die Ausschüttung an die Aktionäre zwar nicht gestrichen und das ist gut angekommen, aber die 0,85 Euro liegen unter den Analystenerwartungen", sagte ein Händler. Die Aktie ging mit einem Minus von 2,2 Prozent ins Wochenende.

Volkswagen weitet die Batteriezellproduktion für E-Autos aus und plant auch Beteiligungen an Rohstoff-Minen. "Der Flaschenhals bei den Rohstoffen sind die Abbaukapazitäten. Deshalb müssen wir auch direkt in Minen investieren", sagte Technikvorstand Thomas Schmall in einem Reuters-Interview anlässlich der Grundsteinlegung der neuen Gigafabrik im spanischen Valencia.

Die beiden Schweizer Großbanken UBS und Credit Suisse lehnen einem Medienbericht zufolge einen Zwangszusammenschluss ab. Die UBS ziehe es vor, sich auf ihre bestehende Strategie zu konzentrieren und zögere, Risiken im Zusammenhang mit der krisengeplagten Credit Suisse einzugehen, berichtete die Nachrichtenagentur "Bloomberg" mit Bezug auf Insider. Credit Suisse wolle sich Zeit lassen, die Wende aus eigener Kraft zu schaffen.

Unterdessen wurde heute bekannt, dass private und Profi-Anleger in der ersten Wochenhälfte Hunderte von Millionen Dollar aus gut 300 in den USA und Europa verwalteten Fonds der Credit Suisse abgezogen haben. Vom 13. bis zum 15. März summierten sich die Abflüsse auf mehr als 450 Millionen Dollar, wie Morningstar Direct am Freitag mitteilte.

Und auch das Geschäft mit anderen Finanzinstituten wird immer schwieriger. Mindestens vier große Häuser, darunter die Deutsche Bank und Societe Generale, haben ihre Geschäfte mit der Schweizer Großbank oder deren Wertpapieren eingeschränkt, wie fünf Personen mit direkter Kenntnis der Angelegenheit erklärten.

Microsoft wird umfassende Funktionen künstlicher Intelligenz in seine wichtigsten Büroprogramme integrieren. Das kündigte Konzernchef Satya Nadella gestern in Redmond an. Zu den Office-Bausteinen, die eine "Copilot"-Erweiterung erhalten, gehören Word für Textverarbeitung, Outlook für E-Mails und Kalender, Powerpoint für Präsentationen und Teams für Chats.

Auf der Suche nach einem neuen Chef ist Mazda im eigenen Unternehmen fündig geworden. Masahiro Moro werde vorbehaltlich der Zustimmung durch die Aktionäre seinen Posten im Juni antreten, teilte der japanische Autobauer mit. Der 62-jährige Manager, der im Laufe seiner Mazda-Karriere unter anderem das Nordamerika-Geschäft verantwortete, löse den bisherigen Konzernchef Akira Marumoto ab.

Der Post-Konkurrent Fedex hat im von Inflations- und Rezessionssorgen geprägten dritten Geschäftsquartal (bis Ende Februar) deutlich weniger Gewinn und Umsatz gemacht. Das Nettoergebnis sank im Jahresvergleich von 1,1 Milliarden auf 771 Millionen US-Dollar. Damit übertraf Fedex dennoch die Markterwartungen. Bei Anlegern kam auch der Ausblick gut an: Fedex hob die Ergebnisprognose für das gesamte Geschäftsjahr kräftig an, die Aktien des Paket-Lieferdienstes stiegen um mehr als acht Prozent.

Der Rutsch in die roten Zahlen löst einen Ausverkauf bei Groupon aus. Die Aktien des Schnäppchen-Portals fallen an der Wall Street um mehr als 21 Prozent und sind mit 3,85 Dollar so billig wie nie. Das Unternehmen machte im vierten Quartal 2022 einen Verlust von 0,38 Dollar je Aktie - im Vorjahreszeitraum hatte es noch einen Gewinn von 0,18 Dollar eingefahren. Der Umsatz brach um ein Drittel auf 148 Millionen Dollar ein. Daher zieht Groupon seine bisherige Prognose für den freien Cash Flow und die bereinigte operative Marge zurück.

Dank positiver Kommentare von Testern der neuen Künstlichen Intelligenz (KI) von Baidu winkt den Aktien des chinesischen Konzerns der größte Tagesgewinn seit einem Jahr. Die Titel des Suchmaschinen-Betreibers steigen in Hongkong zeitweise um knapp 17 Prozent, nachdem sie am Tag zuvor aus Enttäuschung über die Präsentation des ChatGPT-Rivalen "Ernie" um mehr als sechs Prozent abgerutscht waren.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 in Update Wirtschaft am 17. März 2023 um 10:00 Uhr.