Zweite Gewinnwoche in Folge Wall Street trotzt Zinsängsten
Der Wall Street ging zum Wochenschluss die Puste aus. Vor allem die Furcht vor einer schärferen US-Zinspolitik drückte auf die Stimmung der Investoren. Immerhin reichte es im Schlussspurt für ein kleines Plus.
Der Dow Jones schloss mit einem Aufschlag von 0,4 Prozent auf 34,861 Zählern. Der marktbreite S&P 500 gewann 0,5 Prozent auf 4543,06 Zähler, während die an der Nasdaq gehandelten Technologiewerte um 0,2 Prozent auf 14169,30 Punkte nachgaben. Auf Wochensicht gewann der Dow Jones 0,3 Prozent, der S&P 500 stieg um 1,8 Prozent, Tech-Titel verteuerten sich binnen einer Woche um zwei Prozent.
Die Furcht vor einer raschen Zinsstraffung der US-Notenbank Federal Reserve bremste. Vor diesem Hintergrund sind starke Konjunkturdaten negativ für den Aktienmarkt, weil sie der Fed größeren Spielraum für Zinserhöhungen geben. In den USA erreichte die wöchentliche Zahl der Anträge auf Arbeitslosenunterstützung den niedrigsten Stand seit 1969 - für die Anleger sind das also keine erfreulichen Nachrichten.
Denn wegen der robusten Konjunktur werden an der Spitze der Fed Stimmen lauter, die auch kräftigere Zinserhöhungen um einen halben Prozentpunkt für möglich halten. Er sei offen für eine größere Anhebung, sollten die Wirtschaftsdaten dies rechtfertigen, sagte heute der Präsident der Fed von New York, John Williams. Vor einer Woche hatte bereits der als Verfechter eines strafferen Kurses bekannte US-Währungshüter James Bullard gefordert, der Leitzins solle noch dieses Jahr auf über 3,0 Prozent steigen.
Derweil schrauben große US-Investmentbanken ihre Zinsprognosen angesichts der hohen Inflation kräftig nach oben. Die Citigroup beispielsweise prognostizierte eine Erhöhung der US-Leitzinsen um insgesamt 2,75 Prozentpunkte im laufenden Jahr. "Die Risiken bei den Leitzinsen weisen nach oben angesichts der Aufwärtsrisiken für die Inflation", sagte Citigroup-Experte Andrew Hollenhorst.
Höhere Zinsen verteuern die Refinanzierungskosten der Unternehmen, was die Gewinne schmälert. Außerdem verlieren risikoreiche Aktienanlagen an Attraktivität, wenn als sicher geltende Anleihen höhere Renditen abwerfen.
Zuvor hatte der DAX bei dünnen Umsätzen 0,2 Prozent fester auf 14.305,76 Punkten geschlossen. Im Handelsverlauf war der deutsche Leitindex richtungslos zwischen Verlust- und Gewinnzone gependelt. Der DAX-Wochenverlust beläuft sich damit auf 0,7 Prozent.
Der Markt scheine einen Punkt erreicht zu haben, an dem der anfängliche Schock über die Invasion in der Ukraine überwunden sei und Investoren die Kurse soweit korrigiert hätten, dass die wirtschaftlichen Risiken als eingepreist gelten, beschreibt Craig Erlam, Marktstratege bei Oanda, die Situation. "In Ermangelung signifikanter Entwicklungen sind die Aktienmärkte zu einem relativen Stillstand gekommen, und so könnte es auch bleiben, bis wir Fortschritte sehen."
Der Euro sank wieder knapp unter die Marke von 1,10 US-Dollar. Zum einen belasteten enttäuschende Konjunkturdaten: Das ifo-Geschäftsklima ist im März angesichts des Ukraine-Kriegs eingebrochen. Zum anderen stützt den Dollar die angesprochene Aussicht auf weitere Zinserhöhungen in den USA.
Unterdessen setzten sich die starken Schwankungen am Ölmarkt fort. Zunächst gaben sinkende Notierungen dem Aktienmarkt Rückenwind, gegen Abend zogen die Ölpreise aber wieder an. Die Sorte Brent aus der Nordsee verteuerte sich um rund Prozent auf mehr als 120 Dollar je Barrel (159 Liter). Das Barrel WTI kostet fast 114 Dollar, ein Plus von 2,4 Prozent.
Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine sind die Ölpreise unter hohen Schwankungen stark gestiegen. Hintergrund ist, dass Russland einer der größten Erdölförderer der Welt ist. Die heutigen Bewegungen hängen nach Einschätzung von Experten mit Luftangriffen der Huthi-Rebellen auf Saudi-Arabien zusammen. In der Hafenstadt Dschidda am Roten Meer sind nach Angaben eines Militärsprechers Industrie-Anlagen des Öl-Konzerns Aramco getroffen worden.
"Wir sehen Unruhen in Russland und der Ukraine und jetzt sehen wir sie erneut bei Saudi-Arabien, und wenn wir weiterhin Angriffe auf beide Gebiete sehen, möchte niemand im Moment auf sinkende Ölpreise setzen", sagte Rohstoffexperte Dennis Kissler vom Broker BOK Financial.
Während sich die Konjunktur in den USA robust präsentiert, ist die wirtschaftliche Lage hierzulande fragil, das zeigt der aktuelle ifo-Index. Das wichtigste Konjunkturbarometer Deutschlands war viel stärker eingebrochen, als es Ökonomen befürchtet hatten. "Die Unternehmen in Deutschland rechnen mit harten Zeiten", sagte ifo-Präsident Clemens Fuest.
Volkswagen muss wegen Lieferproblemen die Markteinführung des Elektroautos ID.5 verschieben. Weil wegen fehlender Kabelbäume aus der Ukraine zeitweise die Bänder im Werk Zwickau still standen, werde das Fahrzeug Anfang Mai und damit vier Wochen später als zunächst geplant an die Händler geliefert, sagte ein Sprecher.
Nach Geschäftszahlen und Ausblick schließen die Papiere von Compleo fast 18 Prozent fester. Ein Marktteilnehmer lobte vor allem die neuen Ziele bis 2025. Bis dahin peilt der Anbieter von Ladetechnologie für Elektroautos einen Umsatzsprung auf mehr als eine halbe Milliarde Euro an.
Wegen des Ukraine-Krieges zieht sich nun auch die Deutsche Telekom aus Russland zurück. Die Telekom hat in Sankt Petersburg einen großen Standort zur Software-Entwicklung sowie zwei kleinere Ableger in anderen russischen Städten mit insgesamt rund 2000 Beschäftigten. Man habe den dortigen Beschäftigten angeboten, außerhalb Russlands weiterzuarbeiten. "Viele Mitarbeitende haben diese Möglichkeit genutzt und das Land verlassen."
Der Softwareriese SAP zieht sich aus dem Cloud-Geschäft in Russland zurück, macht aber vor dem Komplett-Ausstieg halt. "Wir stellen aktiv unsere Cloud-Operationen in Russland ein", teilte der Walldorfer Konzern mit. Die internationalen Sanktionen würden vollständig umgesetzt. Allerdings hält SAP damit am deutlich größeren Lizenzgeschäft fest, wo die Software bereits gekauft wurde, vor Ort installiert ist und entsprechend auch gewartet wird.
Der scheidende Infineon-Chef Reinhard Ploss wird einem Medienbericht zufolge neuer Präsident von Acatech, der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften. Das berichtet das "Handelsblatt". Damit startet der 66-Jährige, der die Führung des Halbleiterherstellers Infineon Ende März abgibt, eine Anschlusskarriere als politischer Berater.
Die Berliner Medizintechnikfirma Eckert & Ziegler hat im abgelaufenen Jahr Umsatz und Gewinn gesteigert und will ihren Wachstumspfad 2022 fortsetzen. Der Umsatz kletterte 2021 um 2,4 Prozent auf 180,4 Millionen Euro. Unter dem Strich zog der Gewinn um 50,7 Prozent auf 34,5 Millionen Euro an. Die Aktionäre sollen daher für 2021 eine um fünf Cent auf 0,50 Euro pro Aktie erhöhte Dividende erhalten.
Tech-Giganten wie Facebook und Google müssen in der Europäischen Union künftig deutlich strengere Regeln einhalten. Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments einigten sich gestern in Brüssel auf ein Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act, DMA), das die Marktmacht der Internetriesen einhegen und für faireren Wettbewerb sorgen soll.
Eine drohende Zwangseinstellung der Notierung an der Wall Street setzt chinesischen Werten an den US-Börsen zu. Aktien von Firmen wie Alibaba oder JD.com stehen unter Druck, denn sollte die Regierung in Peking der US-Aufsicht keinen Zugang zu den Berichten der Buchprüfer gewähren, werden einem neuen Gesetz zufolge die betroffenen Unternehmen in den USA von der Börse genommen.
Ein enttäuschender Ausblick drückt Honest Company im US-Handel auf ein Rekordtief. Die Aktien des Anbieters nachhaltiger Kosmetika und Babypflege-Mittel brechen um mehr als 30 Prozent ein. Das von der Schauspielerin Jessica Alba mitgegründete Unternehmen warnte für das laufende Quartal vor einem 15-prozentigen Umsatzrückgang.