Kräftige Kursgewinne an der Wall Street Ölpreise fallen, Aktienkurse steigen
Am Tag vor der erwarteten Zinswende in den USA haben sich die Wall-Street-Anleger mit Aktien eingedeckt. Die Hoffnung auf eine Waffenruhe in der Ukraine und die absackenden Energiepreise trieben die Kurse.
Krieg oder Frieden? Noch ist in der Ukraine zwar keine Waffenruhe in Sicht, aber die Hoffnung auf eine diplomatische Lösung hält an. Die Gespräche seien konstruktiver geworden, meinte der ukrainische Präsidenten-Berater Ihor Showkwa laut der Agentur Unian. Dem stehen die Aussagen des russischen Präsidenten Wladimir Putin entgegen. Der Kreml-Chef erklärte heute, die Ukraine suche in den laufenden Verhandlungen nicht ernsthaft nach einer beiderseitig akzeptablen Lösung.
Angesichts der teils widersprüchlichen Äußerungen der Kriegsparteien bleibt der Markt weiterhin sehr schwankungsanfällig. "Die zentrale Thematik an den Märkten bleibt das Kriegstreiben im Ost-Konflikt", sagt Analyst Timo Emden von Emden Research. "Größere Verluste am Markt könnten durch die Aussicht auf Fortschritte in den Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland gedeckelt werden."
Der DAX sackte heute um bis zu 2,5 Prozent ab und büßte seine Gewinne vom Wochenauftakt ein. Im Laufe des Nachmittags dämmte der deutsche Leitindex dann seine Kursverluste ein. Zeitweise drehte er gar ins Plus. Letztlich verabschiedete sich der DAX mit einem hauchdünnen Minus von 0,1 Prozent aus dem Xetra-Handel.
Deutlich besser war die Stimmung an der Wall Street. Der Dow Jones gewann 1,8 Prozent. Der breiter gefasste S&P 500 stieg um 2,1 Prozent, die technologielastige Nasdaq zog gar um über drei Prozent an.
Erleichtert reagierten Anleger auf den Rückgang der Energiepreise. Der Preis für die Rohöl-Sorte Brent aus der Nordsee rutschte um über fünf Prozent auf 101,22 Dollar je Barrel (159 Liter) ab. Der Preis für ein Barrel (159 Liter) der Sorte WTI sackte unter die Marke von 100 Dollar und kostet nun etwas mehr als 97 Dollar. Von ihren mehrjährigen Höchstständen, die sie im Zuge des Ukraine-Kriegs markiert hatten, haben sich die Ölpreise deutlich entfernt. Ein Fass Brent hatte in der Spitze rund 139 Dollar gekostet, ein Fass WTI war bis zu rund 130 Dollar wert gewesen.
Die strengen Pandemie-Beschränkungen in einigen Wirtschaftsmetropolen Chinas schürten bei Anlegern Furcht vor einem Nachfrage-Rückgang. Steigende Corona-Infektionszahlen führten zu weitreichenden Lockdowns in chinesischem Großstädten. Die Zahl der Neu-Infektionen verdoppelte sich in der Volksrepublik und erreichte mit rund 3600 den höchsten Stand seit zwei Jahren.
Der etwas gesunkene Ölpreis lindert den Druck auf die Fed, stark an der Zinsschraube zu drehen. Es gilt als sicher, dass die Fed am Mittwochabend den Schüsselsatz um einen Viertel Prozentpunkt anheben wird. "Wir reden schon etwa ein Jahr lang über Zinserhöhungen", sagte Christopher Grisanti, Chef-Anlagestratege des Vermögensverwalters MAI. "Es ist gut für den Markt, dass sie endlich kommt und wir sie hinter uns bringen." Er hoffe darauf, dass die Notenbanker bei aller Sorge über die Inflation für die kommenden Monate eine behutsame Straffung der Geldpolitik signalisieren.
Unterdessen bremst der Ukraine-Krieg die Konjunkturzuversicht der Marktteilnehmer wie noch nie. Das Barometer für die Einschätzung der nächsten sechs Monate fiel im März um 93,6 auf minus 39,3 Punkte, wie das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zu seiner monatlichen Umfrage unter 162 Analysten und Anlegern mitteilte. Dies ist der stärkste Rückgang der Erwartungen seit Beginn der Umfrage im Dezember 1991. "Eine Rezession wird immer wahrscheinlicher. Der Ukraine-Krieg und die Sanktionen gegen Russland verschlechtern den wirtschaftlichen Ausblick für Deutschland ganz erheblich", erklärte ZEW-Präsident Achim Wambach.
Papiere des einstigen Corona-Gewinners Delivery Hero waren SChlusslicht im DAX. Sie fielen auf einen neuen Tiefststand seit 2019. Seit ihrem Rekord bei etwas über 145 Euro Anfang 2021 mussten die Aktionäre des Essenslieferanten einen Wertverlust von rund drei Vierteln hinnehmen. Die Branche leide unter hohen Investitionen und die Anleger bräuchten hier mehr Geduld als anderswo, hieß es unlängst von den Jefferies-Analysten.
Zu den Top-Gewinnern im DAX zählten Autowerte. Die Aktien von Mercedes stiegen um 2,7 Prozent, die Titel von BMW um 1,2 Prozent. Die Papiere von VW schafften ein Plus von 0,7 Prozent. Der Ukraine-Krieg setzt ein dickes Fragezeichen hinter den optimistischen Ausblick von Volkswagen. Weil die Produktion von Kabelbäumen seit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine weitgehend ausgefallen ist, muss der Konzern seine Bezugsquellen neu ordnen. Sollte die Fertigung in der Ukraine nicht binnen drei bis vier Wochen durch andere Länder Osteuropas und in Nordafrika wettgemacht werden, müsste Volkswagen seine Geschäftsprognose für das laufende Jahr überarbeiten, sagte Konzernchef Herbert Diess bei der Bilanzpräsentation 2021 heute.
Wegen der Engpässe in Europa kündigte er außerdem die vorübergehende Verlagerung der Produktion von einigen zehntausend Fahrzeugen von Europa nach Nord- und Südamerika sowie nach China an. "Unter normalen Umständen hätten wir jeden Grund gehabt, optimistisch auf 2022 zu blicken", sagte Diess. "Der Krieg in der Ukraine hat unseren bisherigen Ausblick aber infrage gestellt." Nach der Gewinnverdopplung im vergangenen Jahr rechnet das VW-Management bisher mit einem Umsatzplus von acht bis 13 Prozent. Die operative Rendite soll zwischen sieben und 8,5 Prozent landen.
Der Energiekonzern RWE hat nach Zuwächsen 2021 seine Prognose für 2022 bestätigt. RWE erwarte im laufenden Jahr beim bereinigten Ebitda auf Konzernebene ein Ergebnis zwischen 3,6 und 4,0 Milliarden Euro und ein bereinigtes Nettoergebnis zwischen 1,3 und 1,7 Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr hatte der größte deutsche Stromerzeuger sein bereinigtes Ebitda auf 3,65 Milliarden Euro nach zuvor 3,29 Milliarden Euro gesteigert. Der bereinigte Überschuss kletterte auf 1,57 Milliarden Euro nach 1,26 Milliarden Euro vor Jahresfrist.
Die Aktien von Encavis gehörten zu den größten SDax-Gewinnern. Der Solar- und Windpark-Betreiber hat im abgeschlossenen Jahr dank stark gestiegener Strompreise seine eigenen Ziele übertroffen. Auf Basis vorläufiger Zahlen stieg der Umsatz verglichen mit dem Vorjahreswert um fast 13 Prozent auf 330 Millionen Euro. Das operative Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) kletterte ähnlich stark auf 255 Millionen Euro. Bei allen Kennziffern übertraf das Unternehmen seine eigenen Erwartungen.
Der Flughafenbetreiber Fraport hat dank Einsparungen, Personalabbau und einer Erholung des Luftverkehrs vom Einbruch in der Corona-Pandemie im vergangenen Jahr schwarze Zahlen geschrieben. Das Konzernergebnis fiel 2021 mit knapp 92 Millionen Euro positiv aus nach einem Verlust von 690 Millionen Jahr im Jahr davor. Der Umsatz des MDAX-Konzerns legte um 28 Prozent auf 2,1 Milliarden Euro zu.
Vodafone will sein 5G-Mobilfunknetz bis zum Jahr 2025 in Deutschland komplett auf die nächste Entwicklungsstufe umstellen, die ohne die Vorgängertechnik LTE auskommt. "Wir erreichen in Deutschland jetzt mehr als zehn Millionen Kunden mit 5G+ - und bis zum Jahr 2025 quasi alle Bürgerinnen und Bürger", sagte der Deutschland-Chef von Vodafone, Hannes Ametsreiter. Bislang war die Technik unter dem Namen "5G Standalone" vermarktet worden. 5G+ bedeute für die Kunden, dass sie mit ihren Smartphones deutlich höhere Reichweiten erzielen und damit häufiger im 5G-Netz unterwegs sind als zuvor, sagte Ametsreiter.
TAG Immobilien profitiert weiterhin von steigenden Mieten in Ballungszentren und Dienstleistungen rund um Immobilien. 2021 erhöhte sich das operative Ergebnis (FFO1) im Jahresvergleich um 5,4 Prozent auf 182 Millionen Euro. Das Management will die Dividende von 0,88 auf 0,93 Euro je Aktie anheben. Die Kaltmieten kletterten um 3,3 Prozent auf 333,1 Millionen Euro. Das Konzernergebnis stieg fast um die Hälfte auf 585,6 Millionen Euro, vor allem weil die Bewertungsgewinne auf den Immobilienbestand deutlich höher ausfielen als vor einem Jahr.
Der deutliche Anstieg der Energie- und Rohstoffkosten wird im laufenden Jahr auch bei Wacker Chemie Spuren hinterlassen. Zudem sorgt der Krieg Russlands gegen die Ukraine für viele Unwägbarkeiten. So rechnet der MDAX-Konzern zwar mit einem Umsatzwachstum um knapp 13 Prozent auf etwa sieben Milliarden Euro, das operative Ergebnis (Ebitda) dürfte mit avisierten 1,2 bis 1,5 Milliarden Euro aber bestenfalls stagnieren. "Dabei belasten höhere Preise für Energie und Rohstoffe die Ergebnisentwicklung voraussichtlich mit rund einer Milliarde Euro", teilte der Chemiekonzern mit.