Wall Street New York
Marktbericht

Schwere Nasdaq-Verluste Zinsängste bremsen die Wall Street

Stand: 05.04.2022 22:18 Uhr

Ungewöhnlich deutliche Töne der US-Notenbank zur Zinspolitik sowie anhaltende Kriegssorgen haben die Anleger an der Wall Street verschreckt. Vor allem die Nasdaq musste Federn lassen.

In Erwartung weiterer Sanktionen gegen Russland, aber auch angefacht durch neue Zinsängste, haben die US-Aktienmärkte wieder den Rückwärtsgang eingelegt. Nach den Gewinnen zu Wochenbeginn gerieten heute insbesondere die konjunktursensiblen und hochbewerteten Technologiewerte unter Druck.

Während sich der Leitindex Dow Jones im Vergleich noch besser hielt und um 0,8 Prozent auf 34.641 Punkte nachgab, ging es an der Nasdaq stärker bergab. Die Technologiebörse rutschte um 2,26 Prozent auf 14.204 Zähler deutlich ins Minus. Auch der Auswahlindex Nasdaq 100 sackte ab auf 14.820 Zähler, ein Minus von 2,24 Prozent. Der marktbreite S&P-500-Index, der sowohl Technologie- als auch Standardwerte enthält, gab 1,26 Prozent nach und ging bei 4525 Punkten aus dem Handel.

Als Belastung erweisen sich im Verlauf besonders Aussagen der stellvertretenden Fed-Vorsitzenden Lael Brainard zur Geldpolitik. Demnach wolle die US-Notenbank die stark angestiegene Bilanzsumme ab Mai mit hohem Tempo reduzieren, um der hohen Inflation zu begegnen.

Mit diesem Schritt würde den Börsen Liquidität entzogen. "Es ist von größter Bedeutung, die Inflation zu drücken", sagte Brainard auf einer Konferenz der Fed von Minneapolis.

Die nächste Zinssitzung der Bank ist am 4. Mai. Nach diesen Aussagen dürften die Chancen auf eine "große" Zinserhöhung von 50 Basispunkten steigen. Morgen erwarten die Märkte zudem das Sitzungsprotokoll der jüngsten Fed-Zinssitzung vom 16.3., auf der ein erster Zinsschritt von 25 Basispunkten beschlossen worden war. Vor allem Aussagen in Sachen Zinstempo dürften im besonderen Fokus der Märkte stehen. Es wäre nicht das erste mal, dass das im Fachjargon "Minutes" genannte Sitzungsprotokoll für Bewegung an der Börse sorgt.

Bergauf ging es in New York gegen den Trend mit dem Twitter-Papier, das an der NYSE gelistet ist. Die Aktie konnte ihre stärkeren Anfangsgewinne zwar nicht behaupten, legte aber trotzdem zwei Prozent zu.

Nach seinem Einstieg als größter Aktionär von Twitter zieht Tesla-Gründer Elon Musk auch in den Verwaltungsrat des Kurzbotschaftendienstes ein. "Ich bin hocherfreut mitzuteilen, dass wir Elon Musk in unseren Verwaltungsrat berufen", schrieb Twitter-Chef Parag Agrawal auf der Online-Plattform. "Bei Gesprächen mit Elon in den vergangenen Wochen ist uns klar geworden, dass er unserem Verwaltungsrat einen großen Mehrwert bringen würde."

Am Ende des Handelstages war es die Wall Street, die den DAX noch zusätzlich belastete. Denn Fed-Direktorin Lael Brainard hat auf einer Veranstaltung der US-Notenbank klar gemacht, dass die Geldpolitik der wichtigsten Zentralbank der Welt schnell und deutlich gestrafft werden wird - was in New York nicht gut ankam. Zudem sorgten neue Überlegungen der EU zu einem Importstopp von russischer Kohle für eine weitere Verschärfung der ohnehin massiven Sorgen der Anleger um den Ukraine-Krieg.

Der DAX, der am Vormittag noch nach guten US-Vorgaben immerhin bis auf 14.603 Punkte gestiegen war, sackte im Gefolge stetig ab und schloss am Ende bei 14.424 Punkten um 0,65 Prozent im Minus. Damit setzte sich die Achterbahnfahrt am Aktienmarkt fort, nachdem es zuletzt etwas verhaltener zugegangen war. Das Tagestief lag bei 14.347 Punkten. Eine erste charttechnische Unterstützung, die Fachleute der HSBC bei 14.334 Zählern sehen, hat damit gehalten.

Angesichts der Vielzahl der Sorgen, die mit dem Krieg in der Ukraine zusammenhängen, gehen die Anleger keine allzu großen Risiken ein. Die Volatilität sei hoch und Anleger seien besorgt, meint Beatrix Ewert, Client Portfolio Manager bei Lazard Asset Management.

Besorgt sind die Anleger auch, dass sich der Konflikt mit Russland weiter verschärfen könnte. Denn die EU-Kommission hat einen Importstopp für russische Kohle gefordert. Auch die USA wollen den Druck erhöhen und haben die russische Regierung daran gehindert, fällige Zinszahlungen von mehr als 600 Millionen US-Dollar auf Fremdwährungsanleihen aus den bei US-Banken gehaltenen Reserven zu leisten.

Kommt es den Verpflichtungen nicht nach, droht Russland der erste Zahlungsausfall seit der Russischen Revolution 1917, als die Bolschewiken Schulden aus der Zarenzeit nicht anerkannten.

Die europäische Gemeinschaftswährung tendierte im US-Geschäft schwächer und rang mit der Marke von 1,09 Dollar. Vor allem die Aussagen von Fed-Direktorin Brainard wirkten nach. Denn ein energischer Zinsschritt der Fed würde das Zinsvoraus des Dollar gegen den Euro noch weiter erhöhen. Die unterschiedlichen Geschwindigkeiten der Zinspolitik zwischen der Fed und der EZB kommen schon länger dem Greenback zugute. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,0969 (Montag: 1,1005) Dollar fest.

Konjunkturzahlen spielten heute kaum ein Rolle. Der US-Einkaufsmanagerindex von S&P Global trübte sich im März zwar ein, allerdings nur moderat und schwächer als zunächst ermittelt. Die Stimmung im Dienstleistungssektor verbesserte sich sogar. S&P erklärte dies mit weniger Corona-Beschränkungen. Dagegen trübte sich die Lage in der Industrie ein, die stärker von den Folgen des Ukraine-Kriegs betroffen ist.

Gegenwind für den DAX kam einmal mehr vom Ölmarkt: Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent verteuerte sich ebenso wie die US-Leichtölsorte WTI um je 0,8 Prozent auf rund 107 beziehungsweise rund 103 Dollar je Fass.

"Preistreibend ist die Aussicht auf neue Sanktionen gegen Russland als Reaktion auf mutmaßliche Kriegsverbrechen russischer Streitkräfte in der Ukraine", so Carsten Fritsch, Ölexperte bei der Commerzbank. Sollte es zu einem Ölembargo kommen, würde sich die Nachfrage noch stärker auf andere Anbieter richten, was deutliche Preissteigerungen zur Folge hätte, unterstreicht Fritsch.  

Daran wird natürlich längst gearbeitet: Die Preise des staatlichen Ölkonzerns Saudi Aramco für asiatische Kunden werden für den kommenden Monat um 4,40 Dollar im Vergleich zum März angehoben.

"Ich glaube, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Europa russische Energie sanktioniert, sehr gering ist, da es keine unmittelbare Alternative gibt und Deutschland dadurch in eine Rezession stürzen würde", kommentiert Jeffrey Halley, leitender Marktanalyst beim Handelshaus Oanda die Embargo-Sorgen.

Der Ukraine-Krieg lässt die Geschäftserwartungen der deutschen Autoindustrie einbrechen. Die Branche fürchtet einerseits sinkende Absätze und andererseits steigende Produktionskosten wegen der hohen Energiepreise, wie das ifo-Institut mitteilte. Der auf monatlichen Unternehmensumfragen beruhende ifo-Indikator für die Erwartungen der Autohersteller und ihrer Zulieferer sank im März von plus 14,4 auf minus 43,1 Punkte. Laut ifo war das der stärkste bislang gemessene Einbruch. Zudem ist mit weiter steigenden Autopreisen zu rechnen.

Auf Deutschlands Verbraucherinnen und Verbraucher kommen zeitnah deutliche Kostensteigerungen bei Strom und Gas zu. Der Energieversorger e.on kündigte entsprechende Preiserhöhungen an und verteidigte dies mit der "beispiellosen Lage auf dem Markt". Verbraucherschützer warnten, der eigentliche "Preis-Hammer" bei den Nebenkosten werde erst im nächsten Jahr bei den Haushalten ankommen. Unterdessen gab es weiterhin Warnungen vor einem Embargo russischer Energielieferungen - die EU-Kommission schlug einen Importstopp für russische Kohle vor.

Wie stark die Erhöhungen konkret ausfallen werden, könne aktuell noch nicht seriös prognostiziert werden, sagte e.on-Deutschland-Chef Filip Thon. Er betonte aber: "In der Stromgrundversorgung wurden bereits mehr als tausend Erhöhungen angekündigt und zum Teil schon durchgeführt. Da geht es um Aufschläge von durchschnittlich 35 Prozent."  Entscheidend für die Preisentwicklung sei, ob es im Sommer gelinge, ausreichend Gas zu attraktiven Preisen zu kaufen, um die Gasspeicher zu füllen, die für die nächste Heizsaison benötigt würden. "Derzeit sind die Speicher nur zwischen 25 und 27 Prozent gefüllt. Da ist ein sehr niedriges Niveau", sagte Thon.

Unter den DAX-Aktien gehörten Airbus zu den größten Verlierern. Dies nach einer Meldung der Nachrichtenagentur Bloomberg, nach der von Anteilseignern des Flugzeugbauers 3,4 Millionen Aktien platziert werden sollen. Die Agentur beruft sich auf Insider. Nach ihrer Kurserholung von einem Viertel vom 7. bis zum 29. März haben die Airbus-Anteile inzwischen schon wieder mehr als acht Prozent eingebüßt.

Der italienische Medienkonzern Media for Europe darf seinen Anteil an ProSiebenSat.1 auf über 25 Prozent erhöhen, das Bundeskartellamt erteilte hierzu seine Freigabe. Das von der Familie des früheren italienischen Regierungschefs Silvio Berlusconi kontrollierte Unternehmen hatte nach eigenen Angaben seinen Anteil zuletzt bereits auf über 25 Prozent erhöht. Wie viel genau der TV-Konzern direkt und über Finanzinstrumente insgesamt hält, ist jedoch noch nicht bekannt.

MFE plant zumindest vorerst keine Übernahmeofferte für ProSiebenSat.1: "Aktuell haben wir keine derartigen Pläne. Was in einem Jahr ist, wird man dann sehen", sagte MFE-Finanzchef Marco Giordani jüngst dem "Handelsblatt".

Der Leasingspezialist Grenke erholt sich beim Neugeschäft weiter kräftig von dem Corona-bedingten Einbruch. Mit gut 499 Millionen Euro lag das Leasing-Neugeschäft im ersten Quartal 36,5 Prozent höher als im Corona-geprägten Vorjahreszeitraum, teilte das Unternehmen mit. "Das externe Umfeld bleibt extrem herausfordernd", sagte Grenke-Chef Michael Bücker. Am stärksten legte das Neugeschäft im ersten Quartal den Angaben zufolge in Süd-, Nord- und Osteuropa zu. Dort verzeichnete Grenke im Vergleich zum Vorjahreszeitraum Zuwächse von mehr als 58 Prozent.

Die Finanzinvestoren Advent und Centerbridge haben weiter Interesse an der Aareal Bank. Der Gewerbeimmobilienfinanzierer bestätigte Meldungen von gestern Abend, dass die beiden Finanzinvestoren ein neues Übernahmeangebot in Betracht ziehen. "Angaben der Finanzinvestoren zufolge werde nun ein Angebotspreis von 33 Euro je Aktie erwogen", hieß es. "Von den Investoren wird zudem eine Mindestannahmeschwelle von höchstens 60 Prozent erwogen." Anfang Februar war der Übernahmeversuch derselben Finanzinvestoren in Höhe von 31 Euro je Aktie gescheitert, da die Mindestannahmeschwelle von 60 Prozent nicht erreicht wurde.

Die Online-Apotheke hat im ersten Quartal dank steigender Kundenzahlen zugelegt. Der Umsatz stieg nach ersten Berechnungen um 7,2 Prozent auf 305 Millionen Euro. Die Zahl der aktiven Kunden kletterte um 0,4 Millionen auf 8,3 Millionen. Der Vorstand bekräftigte seine Jahresziele, die eine bereinigte operative Umsatzrendite (Ebitda-Marge) von minus 1,5 bis plus 1,5 Prozent vorsehen. Beim Umsatz peilt er ohne das Geschäft mit verschreibungspflichtigen Medikamenten, das rund zehn Prozent ausmacht, einen Anstieg um 15 bis 25 Prozent an.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 05. April 2022 um 22:35 Uhr.