Starke Verluste am Aktienmarkt US-Jobmarkt schockiert Wall Street
Die Hoffnungen auf eine langsamere Drosselung der US-Geldpolitik haben sich zerschlagen. Nach einem überraschend starken US-Arbeitsmarktbericht fällt die Wall Street weit zurück. Auch der DAX gibt kräftig nach.
Die Wall Street hat zum Wochenschluss deutliche Verluste verbucht: Der Dow Jones schloss 2,1 Prozent tiefer auf 29.296,79 Punkten. Noch schwächer zeigt sich der marktbreitere S&P 500, der um 2,8 Prozent auf 3639,84 Punkte zurückfiel.
Grund für die Kursverluste war ein überraschend robuster US-Arbeitsmarktbericht. Er machte die Hoffnungen der Investoren zunichte, eine schwächelnde Konjunktur könnte die US-Notenbank dazu zwingen, die Straffung der Geldpolitik zu drosseln.
In den Vereinigten Staaten lag der Anstieg der neu geschaffenen Stellen außerhalb der Landwirtschaft im September mit einem Plus von 263.000 über den Markterwartungen. Die Stundenlöhne stiegen zum Vorjahresmonat um 5,0 Prozent, nachdem sie im August um 5,2 Prozent zugelegt hatten. Die US-Arbeitslosenquote ist überraschend deutlich von 3,7 auf 3,5 Prozent gefallen.
"Mit diesem Arbeitsmarktbericht scheint klar zu sein, dass wir auf dem Weg zu einer weiteren deutlichen Zinserhöhung durch die Fed sind, wobei der Markt einen Anstieg der Zinssätze um 75 Basispunkte bei seiner nächsten Sitzung einpreist", meint Paul Craig, Portfoliomanager bei Quilter Investors.
Unterstützt wird diese Einschätzung von Äußerungen des Chefs des Zentralbankbezirks New York, John Williams: "Wir müssen die Zinssätze weiter erhöhen." Williams unterstrich, dass die Inflation mit zuletzt 8,3 Prozent "viel zu hoch" sei.
"Für die Fed und die Investoren sind die robusten Arbeitsmarktdaten mehr Fluch als Segen. Zwar untermauern sie, dass die US-Wirtschaft im dritten Quartal wieder gewachsen ist und ein Absturz der Wirtschaft auch zum Jahresende unwahrscheinlich ist", kommentiert Johannes Mayr, Chefvolkswirt bei Eyb & Wallwitz. "Gleichzeitig dämpfen sie die Hoffnungen, dass die Fed das Straffungstempo bereits vor Jahresende reduzieren könnte", so der Experte.
Der DAX hatte aufgrund des starken US-Jobmarkts zuvor bereits mit einem Abschlag von 1,6 Prozent auf 12.273 Punkten geschlossen. Damit konnte der deutsche Leitindex sein Niveau nach einem fulminanten Wochenstart, der ihn bis auf 12.667 Punkte getragen hat, nicht verteidigen.
Dank des starken Laufs am Montag und Dienstag ergibt sich auf Wochensicht dennoch ein Plus von mehr als einem Prozent.
Am Devisenmarkt reagierte der Euro zum Dollar auf die US-Daten ebenfalls mit Kursverlusten. Aktuell notiert die europäische Gemeinschaftswährung bei 0,9778 Dollar. Im Laufe der Woche hatte sich der Euro zunächst wieder der Dollar-Parität angenähert, bevor die Weltleitwährung angesichts der steigenden Risikoaversion der Anleger erneut Stärke zeigte.
Die Ölpreise ziehen zum Wochenschluss hingegen weiter an. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent legte kräftig zu. In der vergangenen Woche haben sich die Erdölpreise verteuert, ausschlaggebend war eine deutliche Förderkürzung durch den Ölverbund OPEC+.
Banken müssen sich nach Ansicht der Ratingagentur Moody's wegen der steigenden Energiepreise auf zunehmende Problemfälle in ihren Kreditbüchern einstellen. In Deutschland seien die Commerzbank, die Bayerische Landesbank (BayernLB), die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) und die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) überdurchschnittlich stark betroffen, heißt es in einem Bericht von Moody's. Der Anteil der Kredite an Energie- und Versorgungsunternehmen liege bei den vier deutschen Geldhäusern über dem EU-Durchschnitt.
Zudem setze die Finanzierung von Gewerbeimmobilien die deutschen Institute den sekundären Effekten der Energiekrise aus. Zusätzlich zum Gewerbeimmobilien-Finanzierer Aareal Bank mit Sitz in Wiesbaden wiesen auch die Kreditbücher der BayernLB, Helaba, LBBW, sowie die der DZ Bank, der Hamburg Commercial Bank und der DekaBank einen bedeutenden Anteil an Gewerbeimmobilien aus, der über dem EU-Durchschnitt liegt.
Die Commerzbank sieht sich bei Unternehmenskunden, die von den volatilen Energiepreisen betroffen sind, im Umfang von 45 Milliarden Euro möglichen Risiken ausgesetzt. Das entspreche 9,3 Prozent des Gesamtportfolios der Bank.
Negative Impulse für die Aktienmärkte kommen zum Wochenschluss aus dem Technologiesektor: Nach dem PC- und Elektronik-Boom in der Corona-Pandemie schnallen die Verbraucher wegen der Inflation die Gürtel enger und sorgen damit für ein jähes Ende der goldenen Zeiten in der Chipbranche.
Der weltgrößte Hersteller von Speicherchips und Smartphones, Samsung, meldete einen unerwartet starken Rückgang seines operativen Ergebnisses im abgelaufenen Quartal. Gleichzeitig warnte der US-Chip-Hersteller AMD vor einer deutlich schwächeren Umsatzentwicklung. Weltweit standen daher Technologiewerte unter Druck.
Im DAX gehörte die Adidas-Aktie zu den größten Verlierern. Der Sportartikel-Hersteller stellt seine Partnerschaft mit dem US-Rapper Kanye West in Frage. West hatte Adidas vorgeworfen, das Design der von ihm entworfenen "Yeezy"-Schuhe kopiert zu haben. Die in Zusammenarbeit mit Wests Label "Yeezy" produzierten Produkte seien für Adidas stets sehr profitabel gewesen, sagte ein Börsianer.
Die krisengeschüttelte Schweizer Großbank Credit Suisse hat den Rückkauf von Schuldpapieren angekündigt. Sie will dafür drei Milliarden Franken aufwenden, wie sie heute mitteilte. Die Ratingagentur S&P hatte am Donnerstagabend "zunehmende Risiken" bei der Bank konstatiert. Die Credit Suisse steckt nach Milliardenverlusten in einer umfassenden Umstrukturierung. Details will sie aber erst bei Vorlage der Zahlen für das dritte Quartal am 27. Oktober bekannt geben.
Der Energieversorger EnBW hat seine geplanten Flüssiggas-Käufe aus den USA aufgestockt und die bereits im Juni dieses Jahres verkündete Abnahmemenge vom Unternehmen Venture Global LNG aus Arlington im US-Bundesstaat Virginia um 0,5 Millionen Tonnen pro Jahr erhöht. Damit bezieht EnBW von dem US-Unternehmen ab 2026 jährlich zwei Millionen Tonnen LNG pro Jahr. Die Lieferverträge haben eine Laufzeit von 20 Jahren.
Nach Elon Musks überraschendem neuen Bekenntnis zum Kauf von Twitter ist das Gerichtsverfahren um die Übernahme vorerst gestoppt worden. Das entschied gestern die zuständige Richterin Kathleen McCormick. Allerdings stellte McCormick die Verfahrenspause unter klare Bedingungen: Wenn Musk die rund 44 Milliarden Dollar teure Übernahme des Kurznachrichtendienstes bis zum 28. Oktober nicht abgeschlossen hat, müssen sich die Streitparteien auf einen neuen Prozess im November einstellen.