Händler an der New Yorker Börse
Marktbericht

Deutliche Verluste Wall Street findet keinen Halt

Stand: 22.04.2022 22:32 Uhr

Die US-Märkte sind mit deutlichen Verlusten ins Wochenende gegangen. Von der Ankündigung deutlicher Zinserhöhungen durch Notenbankchef Powell am Vortag haben sie sich nicht erholt.

Die Aussicht auf drastische Zinserhöhungen der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) ist den US-Anlegern schwer auf die Stimmung geschlagen. Alle großen Aktienindizes gingen mit Verlusten aus dem Handel. Sie setzten damit den am Vortag im Sitzungsverlauf begonnenen Abschwung fort, nachdem Notenbankchef Jerome Powell für die kommende Zinssitzung der Fed am 4. Mai eine Erhöhung von 50 Basispunkten in den Raum gestellt hatte. Enttäuschende Geschäftszahlen einiger Unternehmen belasten die Börse zusätzlich.

Der Standardwerteindex Dow Jones schloss am Ende bei 33.811 Punkten um 2,82 Prozent tiefer. Der breit gefasste S&P 500 gab 2,77 Prozent nach auf 4271 Punkte. Die technologielastige Nasdaq verlor ebenfalls stark um 2,55 Prozent auf 12.839 Punkte, ebenso wie der Auswahlindex Nasdaq 100, der bei 13.356 Punkten um 2,65 Prozent leichter aus dem Handel ging.

"Der Markt befürchtet, dass die Fed die Inflationsangst zu sehr schürt und die Unternehmensgewinne in Zukunft einbrechen lassen könnte", sagte Peter Cardillo, Chefvolkswirt des Vermögensberaters Spartan.

In diesem Zusammenhang flogen auch US-Staatsanleihen aus den Depots. Dies trieb die Rendite der zehnjährigen T-Bonds in der Spitze auf bis zu 2,974 Prozent und damit in die Nähe zu ihrem jüngsten Dreieinhalb-Jahres-Hoch. Die Marke von 3,0 Prozent rückt damit immer näher.

Der Chef der US-Notenbank hatte sich am Vortag auf einer Veranstaltung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington sehr deutlich für eine Erhöhung des Leitzinses um 50 Basispunkte auf der kommenden Fed-Sitzung Anfang Mai ausgesprochen. Damit gab Powell Ängsten an den Märkten neue Nahrung, wonach ein aggressiver Zinserhöhungskurs der Federal Reserve (Fed) die Konjunktur abwürgen könnte.

Sein Ziel sei es, "die Inflation herunterzubringen, ohne eine Rezession auszulösen". Weiter sagte er: "Ich glaube nicht, dass Sie irgend jemanden bei der Fed sagen hören werden, dass das unkompliziert oder einfach sein wird. Es wird sehr herausfordernd."

Update Wirtschaft vom 22.04.2022

Klaus-Rainer Jackisch, HR, tagesschau24

Überraschend kommt die heftige Reaktion der Anleger aber trotzdem. Denn ein großer Zinsschritt der Fed wird an den Märkten nach zuvor hohen Inflationsraten bereits seit Wochen erwartet. Womöglich handelt es sich dabei um eine Überreaktion der Märkte. Eigentlich sollten die Investoren die steigenden Zinsen längst eingepreist haben. "Letztendlich führte Powell nur weiter aus, was die Fed-Funds-Futures sowieso schon anzeigten, aber einige Marktteilnehmer bisher offenbar ignoriert hatten", so Marktanalyst Robert Rethfeld.

Die Zwischenerholung am deutschem Aktienmarkt ist wieder vorbei. Nachdem US-Notenbankchef Jerome Powell gestern eine deutliche Zinserhöhung um 50 Basispunkte Anfang Mai in den Raum gestellt hat, ging es am heimischen Aktienmarkt deutlich bergab. Der DAX geriet dabei in den Sog einer schwachen Wall Street, aber auch in Asien gaben die Kurse nach.

Der deutsche Leitindex verlor am Ende 2,48 Prozent auf 14.142 Punkte. Gestern hatte der DAX noch die Marke von 14.500 Punkten übersprungen und knapp ein Prozent zugelegt. Im Wochenvergleich ergibt sich damit eine nahezu ausgeglichene Bilanz. Am Gründonnerstag hatte der Index bei 14.164 Zählern geschlossen.

"Die Turbulenzen an den Märkten setzen sich fort, ausgelöst durch weitere Kommentare des Vorsitzenden der US-Notenbank, Jerome Powell", schrieben die Experten der ING-Bank. "Aktien und Anleihen werden simultan verkauft", sagte Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Vermögensberater QC Partners. "Alles, was in irgendeiner Weise Zinsrisiko hat, fliegt aus den Depots."

Unter den Einzelwerten im DAX standen Covestro deutlich am Indexende, was aber primär einem Dividendenabschlag von 3,40 Euro geschuldet war. "Netto" weiter verkauft wurden dafür wie schon zuletzt die einstigen Corona-Gewinner Delivery Hero und der Online-Modehändler Zalando. Auch Siemens Healthineers gaben stärker nach.

Punkten konnte dagegen HeidelbergCement, die Aktien standen mit einem Plus von zeitweise rund drei Prozent an der DAX-Spitze. Am Ende stiegen sie 0,8 Prozent. Die Papiere profitierten laut Börsianern von der guten Stimmung in der Baubranche, nachdem der Zementkonzern Holcim seinen Umsatzausblick angehoben hatte. Holcim-Titel legten an der Schweizer Börse ebenfalls deutlich zu.

In der kommenden Woche müssen die "Börsenbullen" nun auf positive Effekte durch die laufende Berichtssaison hoffen. Allein elf DAX-Konzerne präsentieren Resultate. Dabei werden die Anleger angesichts des unsicheren Wirtschaftsumfeldes vor allem auf die Prognosen der Unternehmen achten.

Ein politisches Beben ganz anderer Art könnte die Finanzmärkte schon am Sonntag erschüttern - sollte die Rechtspopulistin Marine Le Pen wider Erwarten zu Frankreichs Präsidentin gewählt werden. Zwar liegt Amtsinhaber Emmanuel Macron in Umfragen vorne. "Angesichts der schwer vorherbestimmbaren Wahlbeteiligung linksorientierter Wähler ist das Überraschungspotenzial jedoch nicht zu unterschätzen", schreibt Ulf Krauss von der Helaba.

Der Kurs des Euro ist am Freitag nach anfänglich moderaten Gewinnen unter Druck geraten. Die Gemeinschaftswährung leidet unter der schlechten Stimmung an den Finanzmärkten und notierte zuletzt im US-Handel bei 1,0799 Dollar. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0817 (Donnerstag: 1,0887) Dollar fest. Die Gemeinschaftswährung schwächelt schon länger wegen der Aussicht auf höhere US-Zinsen. Allerdings kamen zuletzt auch von der EZB erste, wenn auch noch vorsichtige Hinweise auf eine Verschärfung der Geldpolitik.

"Nach den jüngsten Äußerungen von Fed-Chef Powell dürfte auch dem allerletzten Marktteilnehmer klar sein, dass die Fed im Mai ihren Leitzins um 50 Basispunkte anhebt und nicht (wie im März) 'nur' um 25 Basispunkte", so Commerzbank-Analyst Ulrich Leuchtmann.

Was nicht nur den Euro, sondern auch den Rentenmarkt weiter belastet. Dort ging der Ausverkauf heute ungebremst weiter. Zehnjährige Bundesanleihen verloren erneut und rentieren bei 0,97 Prozent so hoch wie seit Jahren nicht mehr.

Die Ölpreise gaben derweil moderat rund 0,7 Prozent nach. "Die Ängste vor einem Konjunktureinbruch in China und einer zu schnellen Serie von Zinserhöhungen in den USA scheinen die Furcht vor einem europäischen Energie-Embargo gegen Russland derzeit auszugleichen", sagt Jeffrey Halley, Analyst beim Broker Oanda.

Aus Sicht von Commerzbank-Analyst Carsten Fritsch dürften das wegen des Ukraine-Krieges rückläufige Ölangebot aus Russland und die Produktionsausfälle in Libyen einen allzu starken Preisrückgang jedoch verhindern.

Der Goldpreis kann von der gestiegenen Risikoaversion nicht profitieren, schließlich gehört das gelbe Edelmetall selbst zu den Verlierern steigender Zinsen. Die Feinunze Gold büßte rund 0,8 Prozent auf 1934 Dollar ein.

Die SAP-Aktie gehörte zu den größten Verlierern im DAX. Europas größter Softwarekonzern hat im ersten Quartal einen Gewinneinbruch von 41 Prozent auf 632 Millionen Euro erlitten. Investitionen in den Ausbau des Geschäfts mit Software zur Nutzung über das Netz und der Rückzug aus Russland belasteten das Ergebnis. Der Umsatz zog dagegen um elf Prozent auf knapp 7,1 Milliarden Euro an.

Rheinmetall-Aktien klettern im MDAX zwischenzeitlich um bis zu 3,4 Prozent auf einen Rekordwert von 224,80 Euro, gaben die Gewinne im späten Geschäft aber noch ab. Ein Börsianer verweist auf eine Kurszielerhöhung der UBS. Die Analysten der Schweizer Großbank sehen die Papiere des Düsseldorfer Rüstungskonzerns demnach nun bei 251 Euro. Seit Jahresbeginn haben die Titel von Rheinmetall bereits um 160 Prozent zugelegt.

Weniger Corona-Einschränkungen in vielen Ländern und die Übernahme des niederländischen Augenoptikers Grandvision haben den Brillenkonzern EssilorLuxottica mit Marken wie Ray-Ban zum Jahresstart angetrieben. Der Konzern steigerte den Umsatz im ersten Quartal im Jahresvergleich um 38 Prozent auf 5,6 Milliarden Euro.

Der Kredikartenkonzern American Express hat im ersten Quartal zwar die Erlöse deutlich um 29 Prozent auf 11,7 Milliarden Dollar gesteigert, wegen hoher Kosten für Anreiz- und Bonusprogramme fiel der Gewinn aber um 6,0 Prozent auf 2,1 Milliarden Dollar zurück. Die im Dow Jones enthaltene Aktie gab 2,8 Prozent nach.

Auch T-Mobile-Konkurrent Verizon, ebenfalls aus dem Leitindex Dow Jones, hat Quartalszahlen vorgelegt. Diese kommen aber am Markt nicht gut an, die Aktie verlor 5,8 Prozent. Vor allem der verhaltene Ausblick belastet.

Erwartet wird für 2022 ein Gewinn am unteren Ende der angepeilten Spanne von 5,40 bis 5,55 Dollar je Aktie. Der Umsatz werde wohl eher um neun statt zehn Prozent wachsen. Das operative Ergebnis blieb mit knapp 7,8 Milliarden Dollar stabil. Unter dem Strich ging der Gewinn um rund ein Achtel auf 4,7 Milliarden Dollar zurück und das, obwohl der Konzern weniger Steuern und Zinsen zahlen musste.

Der Rückgang geht primär auf bilanzielle Effekte zurück, nachdem das Unternehmen unter anderem Aufwendungen für Pensionsverpflichtungen oder vorzeitige Rückzahlungen von Krediten im Volumen von 900 Millionen Dollar verbucht hatte. Effektiv verlor das Unternehmen zudem 292.000 Mobilfunk-Vertragskunden, während der Konkurrent AT&T bereits am Vortag ein deutliches Plus von 691.000 neuen Verträgen nach Abzug von Kündigungen gemeldet hatte.

Nach Kritik an einem LGBTQI-feindlichen Schulgesetz gerät der Unterhaltungsriese Walt Disney im US-Bundesstaat Florida unter Druck. Das Repräsentantenhaus des Bundesstaates votierte gestern für einen Gesetzesentwurf, der steuerliche Nachteile für Disney haben könnte. Der Text muss dem republikanischen Gouverneur Ron DeSantis nun zur Unterschrift vorgelegt werden.

Tesla-Chef Elon Musk führt einer Zeitung zufolge Gespräche mit der Beteiligungsgesellschaft Thoma Bravo über eine Partnerschaft bei seiner geplanten Übernahme von Twitter. Die auf die Technologiebranche fokussierte Firma könne der Schlüssel dazu sein, dass Musk ein verbindliches Angebot für den Kurznachrichtendienst vorlege, berichtete die "New York Post".

Uber baut sein Geschäftsmodell erstmals außerhalb Nordamerikas mit einer Art Monatsabo aus und startet seinen Dienst "Uber One" in Berlin. Für Abonnenten entfallen beim Essenlieferdienst Uber Eat die Liefergebühren. Außerdem gewährt Uber ab einem Mindestbestellwert von zehn Euro einen Rabatt von fünf Prozent. Bei Fahrtenvermittlungen beträgt der Preisnachlass für die Abonnenten zehn Prozent.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 22. April 2022 um 09:00 Uhr.