Aktienmärkte im Minus Gespanntes Warten auf US-Jobdaten
Aus Verunsicherung über das Zinserhöhungstempo der US-Notenbank Fed haben sich die Anleger heute zurückgehalten. Die Aktienmärkte schlossen vor dem wichtigsten Termin der Börsenwoche im Minus.
Vor der Veröffentlichung des monatlichen US-Arbeitsmarktberichts sind die Investoren an den Börsen heute kein Risiko eingegangen. Angesichts robuster Daten vom privaten US-Jobmarkt sowie steigender Ölpreise rückten die Ängste vor einer anziehenden Inflation und dadurch weiteren aggressiven Zinserhöhungen wieder in den Fokus.
Die steigenden Erstanträge für die amerikanische Arbeitslosenhilfe sorgten nur kurz für Hoffnung auf ein behutsameres Vorgehen der US-Notenbank Fed. Der Dow Jones Industrial verlor letztlich 1,15 Prozent und fiel auf 29.927 Punkte. Auch der marktbreite S&P 500 ging mit einem Minus von 1,02 Prozent aus dem Handel und der Technologiewerte-Index Nasdaq 100 schloss mit 0,76 Prozent schwächer.
Zu Wochenbeginn waren die Aktienmärkte noch von der Aussicht getrieben worden, dass die Fed aus Sorge vor einem wirtschaftlichen Abschwung bei ihrem Zinserhöhungskurs das Tempo drosseln könnte. Am Montag und am Dienstag hatte der US-Leitindex jeweils knapp drei Prozent gewonnen. Der gestern veröffentlichte ADP-Arbeitsmarktbericht lieferte jedoch keine Hinweise auf eine mögliche Lockerung. Die Privatwirtschaft der USA hat im September mehr Arbeitsplätze geschaffen als vermutet.
Die weitere Strategie der Fed bleibt damit bis Freitag, wenn die offiziellen US-Arbeitsmarktdaten bekannt gegeben werden, weitgehend offen. "Der heutige Handelstag liefert schon mal einen Vorgeschmack darauf, was morgen nach Veröffentlichung der US-Arbeitsmarktdaten auf die Anleger in noch verstärkter Form zukommen könnte", sagte Analyst Konstantin Oldenburger vom Online-Broker CMC Markets. "Ein Sinneswandel der US-Notenbank scheint derzeit eher ein Wunschdenken der Investoren zu sein."
Darauf deuten auch Aussagen der US-Währungshüter selbst hin. So betonte Direktorin Lisa Cook, der geldpolitische Schlüsselsatz müsse weiter angehoben werden, damit man sicher gehen könne, dass der Preisdruck zu fallen beginne. Die Inflation bezeichnete sie als "hartnäckig und inakzeptabel hoch".
Dennoch gilt der monatliche Arbeitsmarktbericht an den Märkten als wichtiger Gradmesser, da sich die Fed stark an der Entwicklung der Jobs orientiert. Sie führt die solide Beschäftigungslage als Argument gegen eine tiefe Rezession an und versucht stattdessen, mit starken Zinserhöhungen die hohen Preise in den Griff zu bekommen. Investoren hoffen daher auf schwache Daten, damit die Fed vielleicht doch umdenkt. Denn steigende Zinsen sind schlecht für die Börsen. Sie machen Aktien auf zwei Wegen unattraktiver: Zinslastige Anlagen werden vergleichsweise gefragter und für Unternehmen wird es teurer, sich zu refinanzieren.
Auch die Anleger an der Frankfurter Börse scheinen eher skeptisch zu sein. Nach seinem Kursdämpfer zur Wochenmitte fand der DAX nicht mehr zurück in die Spur. Am Ende eines unruhigen Handelstages schloss der deutsche Leitindex 0,37 Prozent schwächer bei 12.471 Punkten.
Damit kann er kann seine jüngsten Gewinne, die ihn am Dienstag noch bis auf 12.673 Punkte befördert hatten, vorerst nicht weiter ausbauen. Zeitweise war das Börsenbarometer im Sog der schwachen Wall Street sogar noch näher an die Marke von 12.400 Punkten herangerückt. Seinen anfänglichen Tagesgewinn von gut einem Prozent büßte der DAX im Verlauf komplett wieder ein. Die jüngste Erholungsrally im deutschen Leitindex hatte bereits gestern ein jähes Ende gefunden.
Von der Konjunkturfront kamen heute bislang durchwachsene Signale für den Aktienhandel. So hat der Einzelhandel in der Euro-Zone angesichts der Energiekrise und hohen Inflation im August erneut ein Umsatzminus eingefahren. Zum Vormonat gingen die Einnahmen preisbereinigt um 0,3 Prozent zurück und damit das dritte Mal in Folge, wie die Statistikbehörde Eurostat mitteilte.
Ein konjunkturelles Schwächesignal kommt auch von der deutschen Industrie. Das Neugeschäft fiel im August vor allem wegen ausbleibender Großaufträge um 2,4 Prozent schwächer aus als im Juli. "Die deutsche Wirtschaft steht vor einem schwierigen Winterhalbjahr, ich erwarte mehr denn je eine Rezession, selbst wenn eine Rationierung von Gas vermieden würde", kommentierte Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, die Zahlen.
Die sinkende Risikolaune der Anleger und die wieder gestiegenen US-Zinserwartungen stärken dem sicheren Devisenhafen US-Dollar den Rücken. Im Gegenzug geriet der Euro heute unter Druck. Zuletzt kostete die europäische Gemeinschaftswährung 0,9801 US-Dollar. Im frühen Handel hatte sie zeitweise noch über 0,99 US-Dollar notiert.
Auch der Goldpreis leidet unter dem anziehenden Dollar-Kurs. Die Feinunze Gold verliert leicht auf 1720 Dollar. Das gelbe Edelmetall hatte sich seit seinem Tief Ende September bei 1614 Dollar zuletzt deutlich erholen können.
Die Ölpreise haben ihre Vortagesgewinne etwas ausgebaut. Zuletzt kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent 93,88 US-Dollar. Das waren 53 Cent mehr als am Vortag. Der Preis für ein Barrel der US-amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) stieg um 47 Cent auf 88,24 Dollar. In den vergangenen Tagen haben sich die Ölpreise etwas von ihrer schwachen Tendenz in den Wochen zuvor erholt. Dazu trug eine deutliche Verknappung des Ölverbunds OPEC+ bei. Gestern hatte sich das Kartell auf die stärkste Kürzung der Ölproduktion seit Anfang der Corona-Pandemie geeinigt.
Am deutschen Aktienmarkt sind heute besonders konjunkturabhängige Werte gefragt, bei denen Experten vermehrte Übernahmen angesichts der aktuellen Probleme erwarten. Unter den größten Gewinnern im DAX sind die Papiere des Onlinehändlers Zalando mit einem Aufschlag von mehr als drei Prozent. Dazu kommen Sartorius und Porsche.
Rückversicherer-Aktien sind dagegen schwach. Hannover Rück verloren gut zwei Prozent, der Konzern kann nach den milliardenschweren Zerstörungen durch Hurrikan Ian in Florida seine Belastungen noch nicht beziffern. Munich Re verbuchten noch größere Kursabschläge von 2,6 Prozent.
Drei Jahre nach der milliardenschweren Übernahme des US-Elektronikmaterialienherstellers Versum zieht Merck wieder kleinere und mittelgroße Übernahmen in Betracht. Ab 2023 seien auch größere Übernahmen eine Option, sagte Vorstandschefin Belen Garijo zum Kapitalmarkttag des DAX-Unternehmens. Insgesamt nähere sich Merck dafür einer finanziellen Kapazität von etwa 15 bis 20 Milliarden Euro an. "Wir haben einen ganz erheblichen finanziellen Spielraum", sagte Finanzchef Marcus Kuhnert.
Volkswagen will den Aufbau seiner Software-Aktivitäten in China beschleunigen und steckt laut Insidern dafür mehr als eine Milliarde Euro in ein Gemeinschaftsunternehmen. Im Laufe der kommenden Woche solle eine bedeutende Investition in ein Joint-Venture mit einem chinesischen Partner bekanntgegeben werden, sagte eine mit den Vorgängen vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters. VW lehnte eine Stellungnahme ab.
Die begleitenden Investmentbanken haben den Aktienkurs der Porsche AG an den Tagen nach dem Börsengang des Stuttgarter Sportwagenbauers massiv gestützt. Dazu kauften sie von Donnerstag bis Dienstag knapp 3,8 Millionen Porsche-Aktien für 312,8 Millionen Euro auf, wie aus einer Pflichtmitteilung der damit beauftragten Bank of America (BofA Securities) von gestern Abend hervorgeht.
Der Übernahmeplan von Siemens Energy für seine Mehrheitsbeteiligung Siemens Gamesa verzögert sich. Ursprünglich hatten die Münchner gehofft, das offizielle Angebot Mitte September starten zu können - sofern die spanische Börsenaufsicht CNMV mitspielt. Doch deren Einverständnis stand bis gestern Abend aus. Siemens Energy hatte im Mai bekanntgegeben, seine Windkrafttochter Gamesa für rund vier Milliarden Euro komplett übernehmen und von der Börse nehmen zu wollen.
Der Piloten-Streik bei Eurowings könnte im Laufe des heutigen Tages etwa 30.000 Passagiere treffen und den Flugbetrieb von Eurowings Deutschland zur Hälfte lahmlegen. An den Airports Düsseldorf, Köln, Berlin, Hamburg und Stuttgart fielen am Morgen bereits Verbindungen aus. Die Billigflugtochter der Lufthansa ging zuletzt davon aus, dass nur rund die Hälfte des normalen Programms von gut 500 Flügen stattfinden könne.
Der österreichische Möbelriese XXXLutz will den Berliner Online-Möbelhändler Home24 übernehmen. Die XXXLutz KG teilte gestern Abend mit, sie beabsichtige den Aktionären von Home24 im Rahmen eines Übernahmeangebots 7,50 Euro je Aktie anzubieten. Die Offerte liegt damit nach Angaben von Home24 um 124 Prozent über dem Schlusskurs der Aktie am Dienstag, ist allerdings weit vom Ausgabekurs beim Börsengang im Juni 2018 von 28,50 Euro entfernt. Die Führungsspitze von Hoome24 unterstützt das Übernahmeangebot.
Der Energieriese Shell erwartet sinkende Gewinne im dritten Quartal wegen schwächerer Margen bei der Ölveredelung, im Chemiegeschäft und beim Erdgashandel. Der britische Konzern hatte im ersten und zweiten Quartal 2022 dank steigender Öl- und Gaspreise jeweils Rekordgewinne erzielt. Doch im dritten Quartal halbierten sich die vorläufigen Raffineriemargen im Vergleich zum Vorquartal nahezu auf 15 Dollar pro Barrel, wie der Ölproduzent heute im Vorgriff auf die Veröffentlichung der Quartalsbilanz am 27. Oktober mitteilte.
Der kriselnde Sportartikel-Spezialist Peloton kommt bei seiner Sanierung nicht wie erhofft voran und streicht Hunderte weitere Stellen. Wenn in den kommenden sechs Monaten kein Umschwung gelinge, werde Peloton wahrscheinlich nicht als eigenständiges Unternehmen fortbestehen können, sagte der seit Februar amtierende Vorstandschef Barry McCarthy dem "Wall Street Journal". Um die verlustreiche Firma wieder auf Kurs zu bringen, habe McCarthy den Beschäftigten mitgeteilt, dass der Abbau weiterer 500 Jobs nötig sei, heißt es in dem Bericht. Danach werde das Unternehmen weltweit nur noch rund 3800 Mitarbeiter haben. Im vergangenen Jahr seien es zeitweise noch doppelt so viele gewesen.