Händler an der New Yorker Börse
Marktbericht

Nasdaq schwächelt Ernüchterung an der Wall Street

Stand: 03.03.2022 22:34 Uhr

Schwache Technologieaktien haben heute die gesamte Wall Street noch ins Minus gezogen. Die Aussicht auf steigende Zinsen kommt bei den Tech-Investoren nicht gut an, auch wenn diese behutsam kommen.

Die Aussicht auf eine zunächst nur moderate US-Zinswende stützte lange die Standardwerte an der Wall Street, ehe sich die Abgaben zum Handelsschluss dann doch noch verstärkten. Tech-Aktien blieben den ganzen Tag im Minus und weiteten ihre Verluste im Schlussgeschäft noch stärker aus. Insgesamt fand der Markt heute keine klare Linie.

Inflationssorgen als Folge der durch den Ukraine-Krieg ausgelösten Preissteigerungen besonders im Energiesektor, aber auch die bevorstehende Zinswende bereitete den US-Anlegern Kopfzerbrechen. Hoffnungen, dass wegen der mit dem Ukraine-Krieg verbundenen Risiken die Zinswende verschoben werden könnte, wurden dabei heute enttäuscht.

Denn die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) treibt ihre Pläne für die Zinswende ungeachtet des Krieges in Europa voran. Das machte Fed-Chef Jerome Powell heute vor einem Senatsausschuss deutlich: "Es ist angemessen, dass wir uns weiter entlang der Linie bewegen, die wir vor dem Einmarsch in der Ukraine im Kopf hatten." Die Inflation sei viel zu hoch.

Powell hatte schon bei einer Kongress-Anhörung am Mittwoch für eine Zinserhöhung von einem Viertel Prozentpunkt plädiert. Damit nahm er Spekulationen auf einen doppelt so großen Schritt zwar den Wind aus den Segeln, an seiner Entschlossenheit zu handeln besteht aber keine Zweifel.

Der Leitindex Dow Jones und der marktbreite S&P-500-Index hielten sich lange im Plus, schlossen am Ende aber doch noch schwächer. Der Dow gab 0,29 Prozent nach auf 33.794 Punkte, der S&P-500, der ebenfalls mehrfach das Vorzeichen wechselte, endete bei 4363 Punkten um 0,53 Prozent tiefer.

Verlierer des Tages war die Technologiebörse Nasdaq, die 1,56 Prozent verlor und den Handel bei 13.537 Punkten beendete. Auch der Auswahlindex Nasdaq 100 sackte um 1,46 Prozent auf 14.035 Punkte ab.

Erneut haben massive Verkäufe im späten Geschäft dem DAX schwer zugesetzt. Binnen kurzer Zeit sackte der deutsche Leitindex um rund 200 Punkte ab und schloss bei 13.698 Punkten um 2,16 Prozent deutlich schwächer. Der Index setzte damit seine Talfahrt fort, die ihn seit Jahresbeginn schon über 2000 Punkte oder mehr als 13 Prozent gekostet hat.

Wie erratisch es dabei zugeht, zeigte der heutige Tag exemplarisch. Denn der Index war zwischenzeitlich sogar im Plus und markierte sein Tageshoch bei 14.057 Punkten. Lange Zeit sah es so aus, als ob das Niveau um 14.000 Punkte gehalten werden könnte, eher die neue Verkaufswelle über den Markt rollte.

Es bleibt damit dabei: Der Krieg in der Ukraine und die immer weiter steigenden Energiepreise belasten den Aktienmarkt weiterhin massiv. Vor allem die ungebremste Energiehausse schürt die ohnehin im Markt vorhandenen Inflationssorgen. Hinzu kommen historische Preisaufschläge für Lebensmittel wie etwa Weizen oder Mais. Neue Unternehmensberichte im Rahmen der weiter laufenden Berichtssaison traten wie schon zuletzt in den Hintergrund.

"Der Ukraine-Konflikt erhöht den zuvor bereits weltweit spürbaren Inflationsdruck massiv", sagte Finanzmarkt-Experte Russ Mould vom Brokerhaus AJ Bell. Zugleich bringe er die Notenbanken in die Bredouille, da sie in solch unsicheren Zeiten vor allzu aggressiven Zinserhöhungen zurückschreckten.

Anders als die US-Notenbank, die das Nullzinsniveau bald verlassen wird, denkt die EZB offiziell noch gar nicht an Zinserhöhungen und ist im Zyklus weit zurück. Lediglich unverbindliche Gedankenspiele einiger Ratsmitglieder gibt es bisher, frühestens Ende des Jahres könnten die Sätze auch in der Eurozone steigen. Derweil steigen die Inflationsraten unerbittlich.

Die steigenden Energiepreise schüren zudem auch die Ängste der Investoren vor einer Stagflation, also vor einer Inflation in Kombination mit einer stagnierenden Wirtschaftsleistung. Neues Futter haben derartige Ängste heute durch die Veröffentlichung der Erzeugerpreise im Euro-Raum erhalten, die im Januar um den Rekordwert von 30,6 Prozent zum Vorjahresmonat zulegten und als Vorläufer für die Verbraucherpreise gelten.

Die fortgesetzten Kriegshandlungen Moskaus und damit einhergehende Sanktionen des Westens trieben die Ölpreise weiter nach oben. Der Preis für ein Barrel der Nordseesorte Brent stieg heute in der Spitze auf fast 120 Dollar, was dem höchsten Niveau seit fast zehn Jahren entspricht. Die US-Sorte WTI verteuerte sich auf 116,50 Dollar je Barrel - das höchste Niveau seit September 2008.

"Auch ohne direkte Sanktionen schrecken mehr und mehr Marktteilnehmer vor dem Kauf von russischem Öl zurück", so Commerzbank-Rohstoffexperte Carsten Fritsch zudem. Ein russischer Ölproduzent sei in dieser Woche zum wiederholten Male daran gescheitert, Abnehmer für sein Öl zu finden.

Im Gefolge gaben die Ölpreise aber wieder nach, da der Ölmarkt auf eine Einigung im Atomstreit mit dem Iran spekuliert. Damit würde iranisches Öl wieder auf den Markt kommen, was das Angebot erhöht und den Preis drückt.

Angesichts der großen Unsicherheiten im Ukraine-Krieg bleiben auch an den Devisenmärkten die "sicheren Häfen" Schweizer Franken und US-Dollar gefragt. Der Euro weitete im Gegenzug am späten Nachmittag seine Verluste aus und wird im US-Handel derzeit bei 1,1062 Dollar um knapp 0,6 Prozent leichter gehandelt.

Auch die zögerliche Haltung der EZB-Zinspolitik im Vergleich zur Fed und zur Bank of England lastet auf der Gemeinschaftswährung. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,1076 (Mittwoch: 1,1106) Dollar fest. Der Goldpreis gibt derweil anfängliche Gewinne ab und stand zum Handelsschluss wenig verändert bei 1932 Dollar je Feinunze.

Der Rubel verlor derweil wegen des Ukraine-Kriegs weiter rasant an Wert, hat sich aber heute von seinen Tiefs etwas gelöst. Der Dollar wertete im späten Handel "nur noch" um rund sieben Prozent auf 110 Rubel auf, im Tageshoch wurden über 116 Rubel bezahlt. Vor der Krise lag der Kurs noch bei 74 Rubel je Dollar.

Der Ratingagentur Fitch zufolge wird das von der USA und der EU ausgesprochene Verbot jeglicher Transaktionen mit der russischen Zentralbank eine viel größere Auswirkung auf die Kreditgrundlagen Russlands haben als alle früheren Sanktionen.

Die US-Industrieunternehmen haben im Januar mehr Aufträge erhalten als erwartet. Die Bestellungen seien zum Vormonat um 1,4 Prozent gestiegen, teilte das US-Handelsministerium am Nachmittag in Washington mit. Analysten hatten mit einem Zuwachs um 0,7 Prozent gerechnet. In diesem Ausmaß waren die Bestellungen im Vormonat gestiegen.

Die Geschäfte der US-Dienstleister haben dagegen im Februar überraschend an Fahrt verloren. Der Einkaufsmanagerindex fiel auf 56,5 Punkte von 59,9 Zählern im Januar, wie aus der Firmen-Umfrage des Institute for Supply Management (ISM) hervorgeht. Von Reuters befragte Experten hatten mit 61,0 Punkten gerechnet. Das Barometer hält sich trotz des Rückgang weiter deutlich über der Wachstumsschwelle von 50.

Helaba-Ökonom Ralf Umlauf geht davon aus, dass die Notenbank Fed an dem avisierten Kurs festhalten und in diesem Monat die erste Zinserhöhung seit der Corona-Krise beschließen wird. Für den 16. März sei eine Erhöhung um einen Viertelpunkt zu erwarten: "Auch wenn der Ukraine-Krieg für Verunsicherung über den sich anschließenden Zinspfad sorgt, dürften weitere Zinsschritte wahrscheinlich sein."

Am Abend wurden noch Änderungen in den Indizes der Deutschen Börse bekannt gegeben. So ersetzen Daimler Truck und Hannover Rück die Aktien von Siemens Energy und Beiersdorf im deutschen Leitindex DAX, die dafür in den MDAX rücken. Knapp drei Monate nach der Erstnotiz hat Daimler Truck damit den Sprung in die erste deutsche Börsenliga geschafft.

Im MDAX, dem Index der mittelgroßen Werte, kommt es darüber hinaus zu weiteren Veränderungen. So verlassen die Softwarefirma Compugroup, der Autozulieferer Hella und der Online-Gebrauchtwagenhändler Auto1 den Index in Richtung SDAX, dafür ziehen der TV-Wert RTL, der Autovermieter Sixt Stämme und Chip-Zulieferer Siltronic ein. In den Kleinwerteindex zieht zudem der IT-Berater Adesso ein, Global Fashion fallen heraus. Die Änderungen werden zum 28. März wirksam.

Die Aktien von Uniper kamen schwer unter die Räder und verloren am Ende knapp 18 Prozent auf 20,50 Euro. Am DAX-Ende fielen RWE um rund 8,5 Prozent. Börsianer führen die hohen Verluste zuvorderst auf den Krieg in der Ukraine zurück. Vor allem Uniper sei ein bedeutender Importeur von Erdgas aus Russland, heißt es im Handel.

Volkswagen stoppt wegen des Kriegs in der Ukraine seine Geschäfte in Russland. Die Fertigung an den Standorten Kaluga und Nischni Nowgorod werde bis auf weiteres eingestellt, teilte das Unternehmen am Mittag mit. Ebenfalls werde mit sofortiger Wirkung der Fahrzeugexport nach Russland gestoppt. Betroffen von dem Lieferstopp sind alle Marken des Konzerns.

VW folgt dem Vorbild anderer Autohersteller wie Mercedes-Benz und BMW, die ebenfalls keine Autos mehr nach Russland verkaufen und ihre Produktion vor Ort gestoppt haben. Nach Angaben des Branchenverbandes VDA verkauften deutsche Hersteller im vergangenen Jahr rund 35.600 Autos nach Russland, das entspricht einem Anteil von 1,7 Prozent aller aus Deutschland heraus exportierten Pkw.

Dank guter Geschäfte der Laborsparte mit Impfstoffentwicklern und -herstellern wuchs der Pharma- und Technologiekonzern Merck 2021 so stark wie nie. Der Umsatz kletterte um gut 12 Prozent auf knapp 19,7 Milliarden Euro. Unter dem Strich verdiente Merck 3,1 Milliarden Euro, ein Zuwachs von knapp 54 Prozent. Merck arbeitet mit weltweit über 80 Impfstoffentwicklern zusammen und ist Lieferant von Lipiden für den Covid-19-Impfstoff von BioNTech und Pfizer.

Der deutsche Softwareriese SAP und der US-Rivale Oracle setzen eigenen Angaben zufolge alle Aktivitäten in Russland aus. "Wir stellen unsere Geschäfte in Russland im Rahmen der Sanktionen ein und pausieren darüber hinaus alle Verkäufe von SAP-Dienstleistungen und Produkten in Russland", teilte SAP-Chef Christian Klein mit.

Der Lufthansa-Konzern stimmt seine Kunden auf steigende Ticketpreise ein. Wichtige Treiber seien der Ölpreis sowie steigende Gebühren an Flughäfen und bei den Flugsicherungen, sagte Finanzvorstand Remco Steenbergen bei der Bilanzvorlage des Konzerns. Die Lufthansa hatte auch im zweiten Jahr der Corona-Pandemie rote Zahlen geschrieben.

Der Chef des Rüstungskonzerns Rheinmetall, Armin Papperger, rechnet laut einem Zeitungsbericht damit, dass die zusätzlichen Verteidigungsausgaben des Bundes von etwa 100 Milliarden Euro schon in wenigen Wochen Wirkung zeigen. Die Industrie habe Material auf Lager, so dass sie kurzfristig liefern könne, sagt Papperger dem Magazin "Wirtschaftswoche". Zudem könnten Auslieferungen aus Aufträgen anderer Länder teils für die Bundeswehr verfügbar gemacht werden.

Der US-Finanzinvestor KKR nutzt den steilen Anstieg des Aktienkurses von Hensoldt zu einem weiteren Teilausstieg bei dem Hersteller von Rüstungselektronik. KKR biete Hensoldt-Aktien zu einem Preis von 21 bis 23 Euro an, teilte die mit der Platzierung betraute Bank mit. Das ist ein Abschlag von zehn bis 18 Prozent zum Xetra-Schlusskurs von 25,65 Euro vom Mittwoch.

Der Fernsehkonzern ProSiebenSat.1 schloss 2021 mit einem Rekordumsatz ab. Der Gesamterlös des Unternehmens stieg um elf Prozent auf 4,5 Milliarden Euro. Im laufenden Jahr soll der Umsatz im besten Fall um bis zu sechs Prozent auf rund 4,7 Milliarden Euro steigen, wie das im MDAX notierte Unternehmen mitteilte. Das hänge aber davon ab, wie sich der Werbemarkt in Deutschland, Österreich und der Schweiz entwickle.

Der Schweizer Lebensmittelkonzern Nestlé öffnet seine Fabriken und Lagerhäuser in der zentralen und westlichen Ukraine nach rund einer Woche bereits wieder. Damit wolle der Weltmarktführer die Versorgung des vom Krieg zerrütteten Landes mit Lebensmitteln und Getränken sicherstellen. Nestlé betreibt in der Ukraine drei Fabriken und beschäftigt rund 5000 Mitarbeiter.

Der japanische Autoriese Toyota stellt die Produktion in seinem Werk im russischen St. Petersburg bis auf Weiteres ein. Als Begründung gab der Konzern Störungen der Lieferkette an. Man beobachte die Lage in der Ukraine mit großer Sorge um die Sicherheit der Menschen im Land, erklärte der Autokonzern. Toyotas Fabrik in St. Petersburg hat eine Fertigungskapazität von 100.000 Fahrzeugen pro Jahr.

Der Schweizer Pharmakonzern Roche startet eine neue Phase-III-Studie zur Bekämpfung von Alzheimer. Dabei solle untersucht werden, ob der Wirkstoff Gantenerumab bei Menschen mit den frühesten biologischen Anzeichen der Krankheit zu einer Verlangsamung des Krankheitsverlaufs führe, bevor zu viele bleibende neurologische Schäden entstünden.

Leichte und kompakte Datenbrillen, in denen sich zusätzliche Informationen ins Blickfeld einblenden lassen, werden nach Einschätzung des Chipkonzerns Qualcomm noch fünf bis zehn Jahre auf sich warten lassen. Am Ende der Entwicklung stünden aber Brillen, die anfangen könnten, Smartphones und PCs zu ersetzen, sagte Qualcomm-Manager Hugo Swart auf dem Mobile World Congress in Barcelona. Man werde diese Brillen den ganzen Tag tragen können.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 03. März 2022 um 09:00 Uhr in der Börse.