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Marktbericht

Dow & Co weiter auf Talfahrt Zinsangst an den Börsen

Stand: 14.06.2022 22:56 Uhr

Einen Tag vor dem mit Spannung erwarteten Fed-Zinsentscheid hat sich die Stimmung an den Börsen weiter eingetrübt. Der Dow Jones fiel auf den tiefsten Stand seit eineinhalb Jahren.

Wie tief geht’s noch? Die US-Börsen haben ihre Talfahrt heute weiter fortgesetzt. Der Standardwerte-Index, der Dow Jones, rutschte erneut um 0,5 Prozent ab. Zeitweise war das Minus noch größer. Ein Erholungsversuch zum Handelsauftakt misslang. In den letzten vier Börsentagen ist der Dow Jones um rund acht Prozent eingebrochen. Auch der breiter gefasste S&P 500 büßte weiter an Boden ein und fiel um 0,4 Prozent. Seit gestern befindet sich der Index offiziell im Bärenmarkt. Einzig die technologielastige Nasdaq behauptete sich knapp im Plus.

"Die Anleger sind nervös", sagte Portfoliomanager Paul Nolte vom Vermögensverwalter Kingsview. Mit Bangen blicken sie dem wichtigsten Ereignis der Woche entgegen, dem Zinsentscheid der US-Notenbank am Mittwochabend. An den Aktienmärkten gilt inzwischen als sicher, dass die Fed den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte statt der signalisierten 0,5 Prozentpunkte anhebt. Es wäre der größte Zinsschritt seit 1994. "Investoren haben erkannt, dass die Fed nicht mehr den Luxus hat, sich Zeit nehmen zu können", meint Marktbeobachter Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets.

Untermauert wurden die Zinssorgen der Investoren von neuen Konjunkturdaten. Die Erzeugerpreise in den USA signalisieren weiter kein Abklingen der hohen Inflation. Sie stiegen im Mai um 10,8 Prozent zum Vorjahresmonat. Der Anstieg blieb damit deutlich im zweistelligen Prozentbereich. Im April hatte es ein noch etwas stärkeres Plus von revidiert 10,9 Prozent gegeben. In einer ersten Schätzung war von 11,0 Prozent die Rede gewesen.

Die Inflation in den USA ist zuletzt auf 8,6 Prozent gestiegen. Mehrere Ökonomen sehen bereits eine Lohn-Preis-Spirale, die in Gang kommt, und befürchten eine Wirtschaftsabschwächung. Die Rezessionsgefahr in den USA wächst.

Auch der DAX konnte sich dem Abwärtstrend nicht einziehen. Er büßte seine anfänglichen kräftigen Kursgewinne ein und schloss um 0,9 Prozent tiefer. Es war der sechste Verlusttag in Folge. Auf Ein-Wochen-Sicht hat der DAX gut 1.300 Punkte eingebüßt. .

Ein Stimmungsumschwung sei momentan noch nicht zu beobachten, meint Analyst Christian Henke vom Brokerhaus IG. Der aktuelle Cocktail aus Inflation, Zins- und daraus resultierender Rezessionsangst schmecke den Anlegern nicht. "Das bittere Sahnehäubchen ist ein neuerlicher möglicher Lockdown in China."

Update Wirtschaft vom 14.06.2022

Dorothee Holz, HR, tagesschau24

Vor dem Hintergrund der ernsten Probleme an den Aktienmärkten wird der positiv ausgefallene ZEW-Index kaum beachtet. Immerhin haben sich die Konjunkturerwartungen deutscher Finanzexperten auf vergleichsweise niedrigem Niveau aufgehellt. Das ZEW-Stimmungsbarometer stieg im Juni gegenüber dem Vormonat um 6,3 Punkte auf minus 28 Punkte.

"Das ist ein Hauch von Besserung im roten Bereich. Im globalen Umfeld ist für Optimismus derzeit auch nur wenig Platz", meint Alexander Krüger, Chefvolkswirt bei Hauck Aufhäuser Lampe. Vor allem die stockende Lieferlogistik und der hohe Inflationsdruck lasten auf der Stimmung. Zuversicht wird erst zurückkehren, wenn die Geopolitik zurück in die Spur findet."

Der Euro hat sich am Abend wieder berappelt und notiert bei 1,0420 Dollar. Zeitweise war er kurz unter die Marke von 1,04 US-Dollar gefallen. In der Nacht kostete die Gemeinschaftswährung im Tief 1,0397 Dollar und damit so wenig wie zuletzt vor einem Monat. Mehrere Ökonomen rechnen mit einer Parität noch im Laufe des Jahres.

Der starke Dollar übt erheblichen Druck auf den Euro aus. Der Greenback profitiert derzeit von der Erwartung einer entschlossenen Zinswende in den Vereinigten Staaten.

Die Ölpreise zogen heute wieder an. Am Abend kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent 124,62 US-Dollar - gut 1,9 Prozent mehr als am Vortag. Der Ausfall russischer Lieferungen könne nicht kompensiert werden, sagte Analyst Jeffrey Halley vom Brokerhaus Oanda

Der Preis für ein Fass der US-amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) stieg um 1,8 Prozent auf über 123 Dollar. Die Erdölpreise halten sich damit auf hohem Niveau. Seit Jahresbeginn haben sie um rund 55 Prozent zugelegt.

Die Talfahrt von Bitcoin und vielen anderen Kryptowerten ging weiter. Heute fiel der Kurs der nach Marktwert größten Digitalwährung in Richtung 20.000 Dollar. Im Tief wurden auf der Handelsplattform Bitfinex rund 20.860 Dollar markiert, der tiefste Stand seit eineinhalb Jahren. Im November 2021 wurde noch ein Rekordhoch mit etwa 69.000 Dollar erreicht. Ausschlaggebend für den Kurssturz waren Inflations- und Zinssorgen. Riskante Anlagen wie Digitalwährungen werden durch die entschlossene Zinswende belastet, weil sie keine laufenden Erträge durch Zinsen abwerfen.

Die Fluggesellschaft Air France-KLM hat bei Anlegern eine Milliardensumme zur Rückzahlung von Staatshilfen aus der Corona-Krise eingesammelt. Insgesamt holte der Konzern mit der Ausgabe neuer Aktien knapp 2,26 Milliarden Euro herein. Der Großteil der Summe soll in die Ablösung nachrangiger Anleihen im Umfang von rund 1,7 Milliarden Euro fließen, mit denen der französische Staat der Gesellschaft vor gut einem Jahr unter die Arme gegriffen hatte. Die restlichen Einnahmen sind für den Schuldenabbau bestimmt.

Die Aktien von MorphoSys schossen im späten Handel um 16 Prozent nach oben. Das Biotechunternehmen gibt die Entwicklung zweier Antikörper-Präparate in neue Hände. Das Biotechunternehmen schließt mit der US-Firma Human Immunology Biosciences (HIBio) eine Lizenzvereinbarung für das Nierenmedikament Felzartamab und die Krebstherapie MOR210. Der Schritt soll Morphosys dabei helfen, seine Ressourcen auf die Weiterentwicklung wichtigerer Krebsmedikamente zu konzentrieren. Neben einer Vorauszahlung von 15 Millionen US-Dollar für MOR210 bei Vertragsabschluss haben die Bayern für beide Programme künftig Anspruch auf mögliche Meilenstein-Zahlungen in Höhe von bis zu einer Milliarde US-Dollar.

Zudem holen sich MorophoSys und sein Partner Incyte für eine neue Forschungsallianz Pfizer ins Boot. In Tests soll das Krebsmedikament Monjuvi von MorphoSys mit dem Mittel Lenalidomid und einem bestimmten Fusionsprotein von Pfizer kombiniert Blutkrebspatienten verabreicht werden, die unter einem diffusen großzelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL) leiden. Damit erweitert MorphoSys seine Forschungspipeline mit Monjuvi, das bereits unter anderem in den USA zugelassen ist und in Europa unter dem Namen Minjuvi vermarktet wird.

Das Biotechunternehmen Evotec will zusammen mit einer Tochter des US-Pharmakonzerns Johnson & Johnson an neuartigen Wirkstoffen forschen. Evotec winkten erfolgsabhängige Forschungs- und Meilensteinzahlungen von bis zu 210 Millionen Euro je Projekt aus der Kooperation, teilte das Unternehmen mit. Evotec wird Umsatzbeteiligungen an möglichen Produkten, die aus der Zusammenarbeit hervorgehen, erhalten.

Die Baumarktkettenbetreiberin Hornbach Holding blickt wegen steigender Preise und anhaltender Probleme bei den Lieferketten pessimistischer auf die Gewinnentwicklung im laufenden Geschäftsjahr. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) werde 2022/23 um einen niedrigen zweistelligen Prozentbereich im Vergleich zum Vorjahreswert von 362,6 Millionen Euro sinken. Zuvor war Hornbach nur von einem leichten Minus ausgegangen. Beim Nettoumsatz nimmt Hornbach hingegen keine Änderung an seinen Erwartungen für das laufende Jahr vor.

Die französische IT-Firma Atos reagiert auf den andauernden Gegenwind mit einer neuen Firmenstruktur. Es werde eine Aufspaltung in zwei börsennotierte Unternehmen geprüft. Zugleich kündigte Atos an, Firmenchef Rodolphe Belmer verlasse die Firma zu Ende September. Finanzchef Uwe Stelter hatte bereits im März überraschend seinen Rückzug bekanntgegeben. Atos hat zuletzt mit zwei Gewinnwarnungen innerhalb kurzer Zeit überrascht. Siemens ist Atos-Großaktionär.

Bei der Halbleiterproduktion von Samsung Electronics in China kommt es infolge des Trucker-Streiks in Südkorea zu Produktionsstörungen. Ein südkoreanisches Unternehmen, das Isopropylalkohol (IPA) für die Reinigung von Halbleiterchips herstelle, könne wegen der Blockade der südkoreanischen Lastwagenfahrer das Produkt nicht an ein chinesisches Unternehmen verschiffen, das Wafer an eine Chipfabrik von Samsung Electronics in China liefere, teilte der Handelsverband Korea International Trade Association (Kita) mit. Die Ausfuhr von 90 Tonnen IPA oder einer Wochenlieferung habe sich verzögert.

Die Trucker hatten am 7. Juni mit ihrem Ausstand begonnen, um angesichts stark gestiegener Kraftstoffpreise höhere Löhne und eine Mindestlohngarantie durchzusetzen. Das setzt die weltweit ohnehin belasteten Lieferketten weiter unter Druck.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 14. Juni 2022 um 09:00 Uhr.