Tech-Aktien im Aufwind Happy-End an den Börsen
Mit seinen Aussagen zu künftigen Zinserhöhungen hat Fed-Chef Jerome Powell die Anleger beruhigt. Die Wall Street und Europas Börsen erholten sich kräftig. Besonders Tech-Aktien waren zum Wochenschluss gefragt.
Seit Tagen lasten Zins- und Konjunktursorgen auf den Weltbörsen. Anleger befürchten, dass die Fed im Kampf gegen die anhaltend hohe Inflation aggressivere Zinserhöhungen beschließen wird. So könnte die US-Notenbank bei der nächsten Sitzung im Juni die Zinsen um 0,75 Prozent statt nur um 0,5 Prozent anheben. Nun hat Fed-Präsident Jerome Powell die Sorgen über einen großen Zinsschritt gedämpft. Er bekräftigte die Erwartung, dass die Notenbank bei den kommenden beiden Sitzungen die Zinsen jeweils um einen halben Prozentpunkt erhöhen wird.
Die Aussagen haben zum Wochenschluss für Erleichterung an den internationalen Börsen gesorgt. Die Wall Street erholte sich deutlich von den jüngsten Kursverlusten. Der Dow Jones zog um 1,5 Prozent an, nachdem er gestern noch auf den tiefsten Stand seit März 2021 gefallen war. Vor allem die hart gebeutelten Tech-Aktien erlebten ein Comeback. Die technologielastige Nasdaq schoss um rund 3,7 Prozent nach oben. Auf Wochensicht schlossen die US-Börsen dennoch im Minus.
Auch an den europäischen Börsen standen die Zeichen auf Erholung. Der DAX machte kräftig Boden gut und schloss um 2,1 Prozent fester über der runden Marke von 14.000 Punkten. Auf Wochensicht gewann er 2,6 Prozent. Damit beendete der deutsche Leitindex erstmals seit Ende März eine Woche wieder im Plus.
Experten sehen aber noch keinen echten Anlass für eine Trendwende. "Es kehrt Ruhe ein, aber ohne fundamentale Neuigkeiten, die nahelegen, dass der Boden erreicht wäre", meint Fawad Razaqzada, Marktbeobachter bei Forex.com. Denn die Belastungsfaktoren, die die Kurse in den vergangenen Wochen auf Talfahrt geschickt hatten, sind nicht verschwunden: Der Ukraine-Krieg tobt weiter, die US-Notenbank Fed ist mitten in einem Zinserhöhungszyklus und China kämpft mit strengen Lockdowns gegen das Wiederaufflammen der Coronavirus-Pandemie, was Wirtschaftsabläufe weltweit belastet. "Sollte es zu einer Konjunkturabkühlung kommen, könnte es an den Märkten ungemütlich werden", warnte Marktbeobachter Christian Henke vom Brokerhaus IG.
Die Konjunkturängste wurden heute aber verdrängt. Bitcoin-Anleger nutzten die jüngsten Kursverluste ebenfalls zum Wiedereinstieg. Die älteste und wichtigste Cyber-Devise gewann gut sieben Prozent auf 30.542 Dollar. "Abzuwarten bleibt, ob sich der Erholungsversuch nachhaltig ausgestaltet", sagte Analyst Timo Emden von Emden Research. "Sämtliche zuletzt zu beobachtende Gegenbewegungen waren temporärer Natur und wurden regelmäßig wieder abverkauft."
Die Diskussion über ein EU-Embargo russischer Öl-Lieferungen trieb erneut die Öl-Preise. Die Sorte Brent aus der Nordsee verteuerte sich um drei Prozent auf 110,78 Dollar je Barrel (159 Liter). Allerdings bremsten Spekulationen auf eine geringere Nachfrage beim wichtigsten Abnehmer China wegen der dortigen Konjunkturrisiken den Anstieg. Anhaltende Lockdowns in Shanghai belasten die Wirtschaft und die Lieferketten.
Die Wahrscheinlichkeit einer Konjunkturabkühlung oder gar Rezession in Deutschland nimmt zu. Heute wurde vom Statistikamt Eurostat mitgeteilt, dass die Industrieproduktion in der Eurozone im März um 1,8 Prozent gegenüber dem Vormonat gesunken sei. Den Industriebetrieben macht neben weiter gestiegenen Energiepreisen infolge des Ukraine-Krieges noch immer der akute Mangel an wichtigen Vorprodukten wie Halbleitern zu schaffen. Auch dieses Problem wurde durch den russischen Einmarsch teilweise verschärft, da beispielsweise in der Ukraine gefertigte Kabelbäume in der Autoproduktion der Eurozone fehlten.
Spekulationen auf ein Aus für die Übernahme durch Elon Musk schickt Twitter auf Talfahrt. Die Aktien von Twitter brechen um elf Prozent ein. Tesla-Chef Elon Musk legte seine 44 Milliarden Dollar schwere Übernahme auf Eis und begründete dies mit noch fehlenden Informationen zur Zahl der Spam- und Falschkonten bei dem Kurznachrichtendienst. Die Papiere von Tesla gewannen sechs Prozent.
Der Energiekonzern EnBW teilt mit, das bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) sei im ersten Quartal um rund 46 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro gestiegen. Positiv hätten höhere Strompreise, bessere Windverhältnisse bei den Windenergieanlagen an Land und auf See sowie neu in Betrieb genommene Solarparks zu dem Ergebnis beigetragen. Der Konzern komme auch gut damit voran, den Bezug von russischen Gas und Kohle zu ersetzen. Bereits ab Mitte August werde EnBW keine Kohle mehr aus Russland beziehen.
Der Mobilfunk-Anbieter Freenet hält nach einem durchwachsenen Jahresstart an seiner Prognose für 2022 fest. Der Umsatz sei im ersten Quartal zum entsprechenden Vorjahreszeitraum leicht auf 616,8 Millionen Euro gesunken. Damit verfehlte Freenet die durchschnittlichen Erwartungen von Analysten. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) stieg hingegen auf 118 Millionen Euro und übertraf den Konsens.
Im ersten Quartal stieg der Umsatz der Deutschen Telekom um 6,2 Prozent auf gut 28 Milliarden Euro. Dabei profitierte Europas größter Telekom-Konzern von seinen Service-Umsätzen, die überproportional stark wuchsen. Der Nettogewinn lag mit 2,2 Milliarden Euro fast doppelt so hoch wie noch vor einem Jahr.
Der auf Einkaufszentren spezialisierte Immobilienkonzern Deutsche Euroshop hat im ersten Quartal von Lockerungen der Corona-Beschränkungen profitiert. Während der Umsatz im ersten Quartal im Jahresvergleich nur um 0,3 Prozent auf 52,1 Millionen Euro zulegte, stieg das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) um fast ein Viertel auf 39,3 Millionen Euro, da deutlich geringere Wertberichtigungen auf Mietforderungen vorgenommen wurden. Unter dem Strich erhöhte sich der Gewinn um fast zehn Prozent auf 24,5 Millionen Euro.
Der Elektronikhändler Ceconomy hat im zweiten Quartal des Geschäftsjahrs 2021/22 ebenfalls von der Erholung seines stationären Geschäfts profitiert. Der Umsatz stieg von 4,3 Milliarden auf fünf Milliarden Euro, wie die Holding der beiden Ketten Media Markt und Saturn mitteilte. Währungs- und portfoliobereinigt war dies ein Wachstum von 18,8 Prozent. Im ersten Quartal hatten coronabedingte Marktschließungen noch zu einem Rückgang geführt. Der um Sondereffekte bereinigte operative Verlust (Ebit) sank von 146 Millionen Euro auf 62 Millionen Euro.
Der Autozulieferer Vitesco kommt beim Einsammeln von Aufträgen für seine Elektroantriebssparte gut voran. Im ersten Quartal machten die Bestellungen für Elektrokomponenten mit knapp 3,7 Milliarden Euro den Löwenanteil der eingegangenen Bestellungen in Höhe von 4,5 Milliarden Euro aus. Die Sparte für E-Antriebe macht bei dem vom Autozulieferer Continental abgespaltenen Unternehmen noch relativ geringe Umsätze und schreibt weiter rote Zahlen, soll aber in der Zukunft das Hauptstandbein sein.