Gebäude der US-Notenbank
Marktbericht

Die Fed macht Ernst US-Zinserhöhungen werden immer konkreter

Stand: 06.04.2022 22:14 Uhr

An der Wall Street müssen sich die Investoren auf zügige Zinsschritte der Notenbank einstellen. Das ging aus dem jüngsten Sitzungsprotokoll der Federal Reserve hervor. Die Märkte gaben nach.

Sorgen der Anleger über schnell steigende Zinsen haben erneut die Technologieaktien überproportional belastet. Hinzu kamen weiterhin Konjunkturängste, die durch den anhaltenden Ukraine-Krieg ausgelöst werden.

Die Nasdaq verlor am Ende eines erneuten Verlusttages deutlich um 2,22 Prozent auf 13.888 Punkte. Auch der Auswahlindex Nasdaq 100 sackte um 2,17 Prozent ab auf 14.498 Zähler. Bereits am Vortag hatte die Technologiebörse überdurchschnittlich in der gleichen Größenordnung nachgegeben. Denn höhere Zinsen lassen insbesondere bei den stark wachstumsorientierten Tech-Unternehmen die Finanzierungskosten steigen.

Der Leitindex Dow Jones hielt sich wie schon am Vortag deutlich besser und schloss bei 34.496 Zählern um 0,42 Prozent tiefer. Der marktbreite S&P-500-Index gab 0,97 Prozent nach auf 4481 Stellen.

Die jüngsten Ängste, dass die US-Notenbank Fed stärker als bislang erwartet auf die hohe Inflation reagiert, waren bereits am Vortag von Aussagen des Fed-Vorstandmitglieds Lael Brainard befeuert worden. Sie kündigte eine "Serie" von Zinserhöhungen an und deutete an, dass eine Anhebung um 0,5 Prozentpunkte auf dem Tisch liegt. Mehr Aufschluss gab hierzu heute das Sitzungsprotokoll der Fed vom 16.3., auf dem ein erster Zinsschritt von 25 Basispunkten beschlossen worden war.

Wie aus dem Sitzungsprotokoll, das im Fachjargon "Minutes" genannt wird, hervorgeht, halten es viele der Währungshüter für angebracht, dass ein großer Zinsschritt von einem halben Prozentpunkt oder auch mehrere solche Erhöhungen künftig angemessen sein könnten. Dies gelte, falls Inflationsrisiken erhöht bleiben oder sich gar noch intensivieren sollten.

Bereits bei der März-Sitzung waren viele Mitglieder des für die Zinspolitik zuständigen Offenmarktausschusses dafür, einen solch großen Zinsschritt zu gehen. Schon auf der letzten Sitzung sprachen sich viele Mitglieder sogar für eine Zinserhöhung um 0,50 Prozentpunkte aus, wie aus dem Protokoll hervorgeht. Man entschied sich angesichts des Ukraine-Kriegs allerdings für einen kleinen Zinsschritt.

Zudem wird eine zügige Rückführung der Bilanzsumme der Notenbank signalisiert. Man wolle monatlich Anleihen im Wert von bis zu 95 Milliarden US-Dollar auslaufen lassen, ohne neue nachzukaufen, heißt es weiter im Protokoll. Eine Entscheidung soll auf der kommenden Sitzung Anfang Mai getroffen werden. Begründet wird diese Straffung der Geldpolitik mit der zuletzt sehr hohen Inflation.

Die Bilanzsumme beläuft sich derzeit auf rund neun Billionen US-Dollar. Das ist etwa das Zehnfache der Summe, die vor der Finanzkrise 2008 üblich war. Wie schon in der Finanzkrise hatte die Fed während der Corona-Pandemie massiv Anleihen gekauft. Damit sollte die schwächelnde Konjunktur gestützt werden. Durch die Verkürzung der Bilanzsumme entzieht die Fed den Märkten Kapital. Die Börsenhausse der letzten Jahre war maßgeblich eine von der Fed induzierte Liquiditätshausse.

Mit deutlichen Verlusten ist der DAX zur Wochenmitte aus dem Handel gegangen. Rezessionsängste im Gefolge immer weiterer Russland-Sanktionen und neue Zinsängste aus den USA sorgten weiterhin für ein extrem ungünstiges Umfeld.

Der DAX schloss letztlich bei 14.151 Punkten um 1,89 Prozent leichter. Im Tagestief sackte der deutsche Leitindex im Handelsverlauf dabei bis auf 14.027 Punkte ab. Dabei startete der Index am Morgen trotz schwacher internationaler Vorhaben noch robust und schaffte dabei sogar knapp den Schwenk in die Pluszone. Das Tageshoch lag bei 14.437 Punkten.

Aber die bittere Realität holte die Anleger auch heute ein, zumal auch noch eine schwache Wall-Street-Tendenz auf den Kursen lastete. In den USA wird wegen der hohen Inflationsraten eine deutliche Verschärfung der Zinspolitik der Notenbank Federal Reserve erwartet, was für zusätzlichen Druck auf die Märkte sorgt.

"Das Zinsgespenst treibt auf dem Börsenparkett dies- und jenseits des Atlantiks sein Unwesen. Eine der entscheidenden Fragen für Börsianer bleibt, wie stark die US-Notenbank in diesem Jahr an den Zinsschrauben drehen wird", erklärte Marktexperte Timo Emden von Emden Research. Alles in allem waren das heute für den DAX zu viele schlechte Nachrichten.

Vor allem die Russland-Sanktionen liegen den Anlegern wegen der großen Bedeutung der russischen Rohstofflieferungen für die heimische Volkswirtschaft schwer im Magen. "So viel steht fest: Mit jedem Eingriff nimmt das Risiko einer Rezession in Deutschland zu", sagte Konstantin Oldenburger, Marktanalyst vom Handelshaus CMC Markets.

Die USA und ihre Verbündeten wollen wegen des Ukraine-Kriegs die Daumenschrauben für die russische Wirtschaft weiter anziehen. So gibt es in der EU immer lautere Forderungen nach einem möglichen umfassenden Importstopp russischer Energieträger, also auch von Öl und Gas. Das Risiko eines bislang von der EU vermiedenen Öl- und Gasembargos steige von Tag zu Tag, was die Inflations- und Konjunkturrisiken für Europa wachsen lasse, kommentierten die Analysten der Commerzbank.

Zugleich bestätigten die deutschen Industrieaufträge im Februar das Bild einer konjunkturellen Eintrübung im Vorfeld und zu Beginn des Krieges. Gegenüber Januar gingen die Bestellungen um 2,2 Prozent zurück, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Experten hatten nur mit einem Minus von 0,2 Prozent gerechnet.

Bei den deutschen Maschinen- und Anlagenbauern sah es im Februar noch freundlicher aus. Der Branchenverband VDMA meldete ein Auftragsplus von elf Prozent. Allerdings warnte Verbandssprecher Ralph Wiechers, die Zahlen hätten nur wenig Aussagekraft: "Wir werden erst im weiteren Jahresverlauf sehen, wie stark die Geschäfte im Maschinen- und Anlagenbau durch den Krieg sowie die anhaltenden Material- und Personalengpässe in Mitleidenschaft gezogen werden."

Update Wirtschaft vom 06.04.2022

Samir Ibrahim/Anne-Catherine Beck, HR, tagesschau24

Ein weiterer Mosaikstein bei der schwächeren Einschätzung der Konjunktur kommt aus Italien. Die italienische Regierung blickt einem Entwurf zufolge deutlich skeptischer auf die Konjunktur in diesem und im nächsten Jahr. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde 2022 wegen des Kriegs in der Ukraine nur noch um 3,1 Prozent steigen und nicht mehr um 4,7 Prozent wie noch im Herbst erwartet. Das geht aus dem Entwurf für das jährliche Wirtschafts- und Finanzdokument (DEF) des Finanzministeriums hervor.

Die Wirtschaft sei im ersten Quartal dieses Jahres wohl geschrumpft. Im Frühjahr dürfte es bergauf gehen, hieß es. Allerdings könnte ein lang andauernder Krieg starke Auswirkungen auf die Inflation und das Wirtschaftswachstum haben. Der Konflikt sorge für Unsicherheit. Für 2023 kappte die Regierung ihre BIP-Prognose demnach auf 2,4 Prozent Wirtschaftswachstum, nach bisher erwarteten 2,8 Prozent.

Anne-Catherine Beck, HR, mit Informationen zur Börse

tagesschau 12:00 Uhr

Unter den Einzelwerten im DAX waren defensive Aktien gefragt. Tagessieger waren mit moderaten Aufschlägen Henkel-Vorzüge, aber auch RWE oder Merck.

Kräftig bergab ging es hingegen mit Werten wie HelloFresh oder Delivery Hero, also Titeln außerhalb der "Old Economy". Auch der Online-Händler Zalando sackte deutlich ab. Die Aktien folgten der schwachen Tendenz der Technologieaktien in den USA, die derzeit wegen Zinsängsten besonders unter Druck stehen.

Titel der Windkraft- und Solarbranche standen dafür heute besonders im Fokus. Im "Osterpaket" von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, das heute vom Kabinett auf den Weg gebracht wurde, ist der Grundsatz verankert, dass die Nutzung Erneuerbarer Energien "im überragenden öffentlichen Interesse liegt". Sie dienten zudem "der öffentlichen Sicherheit".

Die Ampel-Koalition will außerdem zusätzliche Flächen für Windräder schaffen. Ein neuer Prüfbericht hatte zuvor eine bessere technische Vereinbarkeit von Funknavigation und Wetterradar mit Windrädern gezeigt. Der Bundesverband Windenergie bezeichnete dies als "echten Befreiungsschlag" für den Zubau der Windenergie. Die Nordex-Aktie gehörte zu den stärksten Titeln im TecDAX.

Die forschen geldpolitischen Töne aus den USA und die enttäuschenden Auftragseingänge zehren am Euro. Die Gemeinschaftswährung notiert nah dem Fed-Protokoll im US-Handel leicht unter der Marke von 1,09 Dollar. Gestern hatte sie schon zum Teil über einen Cent gegen den Dollar verloren. Die Aussicht auf höhere Leitzinsen treibt derzeit den Greenback strukturell, zudem gilt er als Fluchtwährung in Krisenzeiten. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0923 (Dienstag: 1,0969) Dollar fest.

Die Europäische Zentralbank (EZB) wird aus Sicht von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel angesichts hochschießender Inflationszahlen möglicherweise schon rasch die Zinswende einleiten. Bis zum Juni würden bereits die Anleihenkaufprogramme auf pro Monat 20 Millionen Euro zurückgeführt, sagte Nagel dem ARD-Wirtschaftsmagazin "plusminus" in einem heute veröffentlichten Interview.

"Das ist schon eine Hausnummer im Vergleich zu den früheren Zahlen", sagte er. Im Juni werde die EZB dann auf Grundlage neuer Daten neu entscheiden. "Das, was wir jetzt sehen am aktuellen Rand, deutet darauf hin, dass möglicherweise auch der Sparer sich bald wieder über höhere Zinsen freuen kann", sagte Nagel. Der Bundesbankpräsident erwartet in diesem Jahr eine Inflationsrate, von "um die sechs Prozent".

Die Ölpreise haben bis zum späten Nachmittag ihre Verluste deutlich ausgebaut. Ein Fass der Nordseesorte Brent kostete knapp drei Prozent weniger. Belastet wurden die Ölpreise durch die am Nachmittag veröffentlichten Daten zu den Rohöllagerbeständen in den USA. Die Bestände sind in der vergangenen Woche überraschend gestiegen. Analysten hatten im Schnitt einen Rückgang erwartet. Zudem stieg auch die US-Ölproduktion.

Nach teils starken Preisschwankungen in den vergangenen Wochen haben sich die Erdölpreise zuletzt etwas stabilisiert, allerdings auf hohem Niveau. Für Verunsicherung sorgt nach wie vor Russlands Krieg gegen die Ukraine. Russland ist einer der weltgrößten Rohölförderer, der zurzeit jedoch große Probleme mit dem Verkauf seines Öls hat. Ein Grund ist die verhaltene Nachfrage aufgrund von Finanzsanktionen gegen Russland.

Post-Chef Appel will in den Telekom Aufsichtsrat

Bei der Hauptversammlung der Deutschen Telekom an diesem Donnerstag (10 Uhr) will Post-Vorstandschef Frank Appel in den Aufsichtsrat des Unternehmens gewählt werden. Der 60-Jährige will gut ein Jahr lang eine Doppelfunktion wahrnehmen und auf dem Chefsessel der Post bleiben und zugleich an der Spitze des Telekom-Aufsichtsrats stehen.

Das hatte ihm Kritik von einigen Aktionärsvertretern eingebracht, die vor einer zeitlichen Überbelastung Appels warnen. Zudem verweisen sie darauf, dass ein Regelwerk zur guten Unternehmensführung von so einer Doppelfunktion abrät. Allerdings hat besagter «Corporate Governance Kodex» nur Empfehlungscharakter. Appel wiederum betont, dass er einen Teil seiner Aufgaben bei der Post im nächsten Monat abgeben werde und dass sein Ende bei der Post im Mai 2023 absehbar sei. selbst die Kritiker räumen aber ein, dass Appels Kompetenz unbestritten sei.

Die Post und die Telekom sind Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost, die in den 90er Jahren privatisiert wurde. Der Aktionärstreff der Telekom findet am Donnerstag erstmals seit 2019 wieder in Präsenz statt und nicht als reine Online-Version.

Mercedes-Benz will angesichts der explodierenden Energiepreise seine eigene Ökostromerzeugung ausbauen. "Wir denken jetzt als ein großes Industrieunternehmen über eine Teilenergieautarkie nach", sagte Vorstandschef Ola Källenius auf einer virtuellen Konferenz der Stiftung KlimaWirtschaft und des Umweltbundesamts. Es gehe jetzt um einen massiven Ausbau der Photovoltaik. "Wir haben viele Dächer und auch andere Flächen, die man nutzen kann. Wir reden über Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe."

Das milliardenschwere Übernahmeangebot der US-Fluggesellschaft JetBlue Airways für die Konkurrentin Spirit Airlines hat zunächst auch die Lufthansa-Aktie im MDAX gestützt. Mittlerweile ist das Papier aber wieder zurückgefallen, auch weil der am Morgen gestartete 24-stündige Warnstreik einer Tochter der Lufthansa Cargo am Frankfurter Flughafen die Stimmung eintrübt.

Schwach präsentiert sich die Ströer-Aktie im MDAX. Die Aktie fällt mit Kursen von zeitweise unter 58 Euro auf den tiefsten Stand seit August 2020. Die Analysten der HSBC haben ihr Anlageurteil von "Buy" auf "Hold" heruntergestuft und das Kursziel von 97 auf 70 Euro gesenkt. Fundamental betrachtet mache der Werbeflächenvermarkter zwar vieles richtig, so die Experten. Angesichts der sich durch den Ukraine-Krieg verschlechternden wirtschaftlichen Aussichten werde es jedoch unwahrscheinlicher, dass sich die Aktie besser als der Gesamtmarkt entwickeln könne.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 06. April 2022 um 09:05 Uhr im "Update Wirtschaft".