Deutliche Kursgewinne Wall Street und DAX im Vorwärtsgang
Nach dem Zinsentscheid der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) haben die Anleger heute beherzt zugegriffen. Der DAX überspringt eine wichtige Marke, auch an der Wall Street geht es kraftvoll vorwärts.
Die Hoffnung auf ein Ende der Zinserhöhungen in den USA beflügelte die Wall Street. Der Dow Jones kletterte um 1,7 Prozent auf 33.839,08 Punkte. Für den marktbreiten S&P 500 ging es um 1,9 Prozent auf 4317,78 Zähler bergauf. Der Index der Technologiebörse Nasdaq 100 stieg ebenfalls um 1,7 Prozent auf 14.919,55 Punkte.
Fed-Chef Jerome Powell hatte gestern Abend signalisiert, dass die Zentralbank nach ihrer aggressiven Erhöhungsserie nun vorsichtiger agieren könnte. "Obwohl Powell eine weitere Zinserhöhung nicht ausschloss, rechnen die meisten Anleger nun mit einem Höhepunkt der geldpolitischen Straffung, was die Tür für eine weniger aggressive Haltung der Fed öffnen würde", äußert sich Pierre Veyret, Marktexperte beim Broker ActivTrades.
Für die Investoren stellt sich jetzt die Frage, ob sie sich bereits mit dem Thema Zinssenkungen befassen können. Für den Aktienmarkt wären sinkende Leitzinsen wünschenswert, da sie die Konjunktur stützen und Aktien im Vergleich zu Rentenpapieren wieder attraktiver machen würden. "Das wahrscheinlichste Szenario ist, dass die Fed nun mit den Zinserhöhungen fertig ist. Es kann allerdings noch dauern, bis sie sie wieder senkt", sagte Raphael Olszyna-Marzys, Ökonom bei der Schweizer Privatbank J Safra Sarasin.
Carsten Klude, Chefvolkswirt bei M.M. Warburg, erwartet dagegen, dass der Zeitpunkt für Zinssenkungen eher früher als später kommen werde. Er ist optimistisch bezüglich weiterer Kursgewinne. Laut Klude kommt Rückenwind für die Aktienmärkte bereits jetzt von den Unternehmensgewinnen. "Die Berichtssaison für das dritte Quartal läuft gut. Vor allem in den USA konnten erneut mehr Unternehmen als sonst die Gewinnerwartungen übertreffen", so der Experte.
Die Fachleute der Helaba sind zwar tendenziell ebenfalls optimistisch, aber sie sehen auch Grund zur Vorsicht: "Einerseits beginnen jetzt die traditionell eher guten Börsenmonate, die Hoffnungen auf eine Wende zum Besseren machen. Andererseits gibt es aber noch viele Unsicherheiten auch in Bezug auf den Nahost-Konflikt. Beruhigende Nachrichten sind Mangelware und so bleibt die Sorge vor einer weiteren Eskalation präsent", schreiben sie in ihrem täglichen Marktkommentar.
Zuvor hatte der DAX 1,5 Prozent fester bei 15.143 Punkten geschlossen. Die Anleger hoben den deutschen Leitindex damit erstmals seit rund zwei Wochen wieder über 15.000 Punkte. Die Charttechniker von HSBC sehen jetzt weiteres Kurspotenzial bis auf 15.300 Punkte. "Der Grundstein für eine November-Rally ist gelegt", kommentierte Marktexperte Christian Henke vom Broker IG die heutigen Kursgewinne.
Derweil machen die Spekulationen auf ein Ende der Zinserhöhungen bei der US-Notenbank dem Dollar zu schaffen, der Euro legte zu. "Der Markt wird sicherlich sehr genau darauf achten, ob der Rückgang bei der Inflation nachhaltig ist und ob erste Anzeichen eines Abkühlens der überraschend robusten US-Wirtschaft zu erkennen sind", kommentierte Michael Pfister, Devisenexperte bei der Commerzbank.
"Kommt es zu solchen Anzeichen, dürfte ein weiterer Zinsschritt zunehmend unwahrscheinlich werden, und Zinssenkungen dürften auf die Tagesordnung rücken." Darunter könnte der Dollar laut Pfister wiederum leiden.
Nach drei Verlusttagen in Folge haben die Ölpreise heute ebenfalls deutlich zugelegt. Der gestiegene Risikoappetit der Anleger aufgrund der Zinssignale der Fed gab auch den Ölpreisen Auftrieb: Sowohl Öl der Nordseesorte Brent als auch der Sorte WTI verteuerten sich. Außerdem macht der sinkende Dollar den in der US-Währung gehandelten Rohstoff billiger und erhöht deshalb die Nachfrage.
Die Erholungsrally von Siemens Energy seit dem jüngsten Kursrutsch setzte sich heute fort. Vor einer Woche waren die DAX-Titel um rund 35 Prozent eingebrochen, nachdem der Konzern von Gesprächen mit dem Bund über Garantien für Großaufträge berichtet hatte.
Die Fresenius-Aktie stieg ebenfalls. Der Gesundheitskonzern hat nach einem deutlichen Ergebnisanstieg im dritten Quartal sein Jahresziel angehoben. Von Juli bis September stieg das bereinigte operative Ergebnis (Ebit) um acht Prozent auf 519 Millionen Euro.
Der Online-Modehändler Zalando hat seine Umsatzziele für das Gesamtjahr gesenkt. Für das Gesamtjahr rechnet Zalando nun mit einem Rückgang der Konzernerlöse um 0,5 bis drei Prozent. Das Bruttowarenvolumen (GMV) dürfte bei 14,5 bis 14,9 Milliarden Euro liegen.
Stark gefragt war heute auch die Lufthansa-Aktie, ein Rekordumsatz und ein Gewinnsprung im dritten Quartal trieb die Kursentwicklung an. "Die größte deutsche Airline dürfte endgültig die Nachwehen der Corona-Pandemie hinter sich gelassen haben", sagt Jürgen Molnar von RoboMarkets.
Der Dialyseanbieter Fresenius Medical Care (FMC) blickt positiver auf die Gewinnentwicklung im laufenden Jahr. Das operative Ergebnis dürfte im Vergleich zum Vorjahr im niedrig-einstelligen Prozentbereich zulegen. Bisher war FMC davon ausgegangen, bestenfalls das Vorjahresergebnis von 1,54 Milliarden Euro zu erreichen.
Trotz des lahmenden Immobilienmarkts erhöht der Betreiber der Anzeigenplattform Immobilienscout24, Scout24, seine Gewinnprognose für das laufende Jahr. Die operative Rendite (Ebitda-Marge) werde mit 19 bis 21 Prozent höher ausfallen als bisher geplant (18 bis 19 Prozent).
Der Duisburger Stahlhändler Klöckner & Co (KlöCo) kauft nur wenige Tage nach der Ankündigung eines Sparprogramms und Stellenabbaus in den USA zu. Der Konzern übernimmt den US-Metallkomponentenhersteller Industrial Manufacturing Services (IMS). Zum Kaufpreis sei Stillschweigen vereinbart worden.
Die hohe Nachfrage nach dem Abnehmmittel Wegovy hat dem dänischen Arzneimittelhersteller Novo Nordisk ein Rekordergebnis eingebracht. Im dritten Quartal wuchs der Umsatz um 29 Prozent auf 58,7 Milliarden Dänische Kronen (7,86 Milliarden Euro), während das Betriebsergebnis (Ebit) um 33 Prozent auf 26,9 Milliarden Kronen kletterte. Das Unternehmen kann die hohe Nachfrage nach der Abnehmspritze jedoch nicht befriedigen, weshalb die Zahl der Patienten, die mit der Behandlung beginnen können, begrenzt sei.
Der Öl- und Gasmulti Shell hat im dritten Quartal von höheren Raffineriemargen und gestiegenen Ölpreisen profitiert. Der Überschuss hat sich im Vergleich zum zweiten Quartal mit gut sieben Milliarden Dollar mehr als verdoppelt. Damit traf der Konzern die Erwartungen der Experten. Das Unternehmen kündigte zudem weitere Aktienrückkäufe an.
Der Chipkonzern Qualcomm signalisiert mit seiner Prognose eine Erholung des zuletzt schrumpfenden Smartphone-Marktes. Für das laufende erste Geschäftsquartal prognostizierte Qualcomm am Abend einen Umsatz zwischen 9,1 und 9,9 Milliarden Dollar. Analysten hatten im Schnitt mit 9,26 Prozent gerechnet. Die Aktie legte im nachbörslichen Handel zeitweise um rund drei Prozent zu.