Wall Street dreht nach oben Eine Prise Zuversicht
Die Börse kommt dieser Tage ziemlich monothematisch daher. Auch zur Wochenmitte bestimmten Rezessionsängste das Geschehen. Am Nachmittag kamen beschwichtigende Töne aus Washington.
Es ist eine Diskussion, welche die Börse noch lange beschäftigen wird: Schaffen es die Notenbanken dies- und jenseits des Atlantiks, die Inflation wirksam einzudämmen, ohne gleichzeitig die wichtigsten Volkswirtschaften in eine schwere Rezession zu stürzen?
Geht es nach Jerome Powell, soll genau das gelingen. In seiner mit Spannung erwarteten Anhörung vor dem Bankenausschuss des US-Senats fand der Präsident der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) für die Märkte beruhigende Worte. Powell bekräftigte zwar die Entschlossenheit der Währungshüter zu weiteren zügigen Zinserhöhungen. Doch zeigte er sich zuversichtlich, dass die amerikanische Wirtschaft stark sei und eine straffere Geldpolitik verkraften könne. Über weitere Zinsschritte werde von Treffen zu Treffen entschieden.
Das waren genau die Worte, die die Aktienmärkte in der aktuellen Diskussion am nötigsten brauchten. Der Dow Jones, der gut ein Prozent tiefer eröffnet hatte, erholte sich in der Folge deutlich und notierte die meiste Zeit im Plus. Am Ende schwand die Zuversicht aber doch wieder und der Leitindex verabschiedete sich mit einem Minus von 0,15 Prozent.
Auch die zinssensitiven Technologietitel konnten ihre zwischenzeitlichen Gewinne nicht halten. Der Nasdaq 100 ging 0,16 Prozent tiefer aus dem Handel.
Auch dem deutschen Aktienmarkt setzten die akuten Rezessionsängste stark zu. Mehrmals unterschritt der DAX die runde Marke von 13.000 Punkten, konnte sich zuletzt aber mit einem Minus von 1,1 Prozent darüber halten. Doch die Skepsis der Marktteilnehmer bleibt: "Mit der rapide sinkenden Halbwertszeit von Erholungen wächst die Gefahr, dass der Markt in den kommenden Tagen nochmal sein Tief aus dem März bei 12.500 Punkten testen wird", kommentierte Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets das aktuelle Marktgeschehen. Die Konjunkturaussichten blieben mau, so der Experte.
Ein weiteres wichtiges Konjunkturbarometer deutet auf eine mögliche Kontraktion auch in Europa hin. Die Stimmung der Verbraucher in der Eurozone hat sich im Juni angesichts der rekordhohen Inflation weiter eingetrübt. Das Barometer für das Konsumklima, das aus einer Umfrage der EU-Kommission hervorgeht, fiel überraschend um 2,4 Punkte auf minus 23,6 Zähler. Von Reuters befragte Ökonomen hatten einen leichten Anstieg auf minus 20,5 Punkte erwartet. Damit verharrt das Niveau des Barometers weiter unter seinem langfristigen Durchschnitt von minus 11,0.
Der Euro konnte sich im Verlauf erholen. Auch die als vergleichsweise milde eingeschätzte Rede des Fed-Chefs stützte die europäische Gemeinschaftswährung. Nachdem die Notierung zwischenzeitlich mehrfach unter die Marke von 1,05 Dollar gerutscht war, lag sie zuletzt bei 1,0565 Dollar.
Die Ölpreise sind heute auf die tiefsten Stände seit rund einem Monat gefallen. Am Nachmittag kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zeitweise weniger als 108 Dollar. Am Markt wurde auch hier die Rezessionsangst als Grund genannt. Im Moment liegen die Ölpreise aber noch rund 40 Prozent höher als zu Jahresbeginn.
Ein mögliches Aus für die E-Zigarette Juul in den USA schickte die Aktie von Altria auf Talfahrt. Laut dem "Wall Street Journal" steht die US-Gesundheitsbehörde FDA kurz davor, die E-Zigaretten vom US-Markt zu verbannen. Kritiker werfen Juul vor, mit seinen Produkten viele Kinder und Jugendliche nikotinabhängig gemacht zu haben. Altria hatte 2018 fast 13 Milliarden Dollar für einen 35-Prozent-Anteil an Juul Labs bezahlt.
Die Aktie von Fresenius Medical Care (FMC) tendierte etwas besser als der Markt. Das Unternehmen sieht nach der Entscheidung des Obersten US-Gerichts gegen seinen Konkurrenten DaVita keine finanziellen Auswirkungen auf das laufende Geschäftsjahr. Für dieses Jahr sieht FMC sich abgesichert, da die Verträge privater Krankenversicherungen von Arbeitgebern bereits zum 1. Januar oder 1. Juli starteten. Der Supreme Court hatte gestern eine Klage von DaVita zurückgewiesen, mit der das Unternehmen höhere Vergütungen für Behandlungen durch die private Krankenversicherung eines US-Hospitals erreichen wollte.
Schwächster DAX-Wert war die Aktie des Chemiekonzerns BASF. Sie verlor 5,8 Prozent, nachdem Vorstandschef Martin Brudermüller die Investoren gestern auf einer Konferenz auf schwierigere Zeiten eingestellt hatte. BASF werde im zweiten Halbjahr nicht mehr von den bislang angespannten Lieferketten bei der Konkurrenz profitieren, hinzu kämen die hohen Energiekosten, sagte er. "Das klingt sehr vorsichtig und pessimistisch, obwohl keine Zahlen genannt wurden", kommentierte ein Händler.
Die juristische Schlappe in den USA im Streit um den Unkrautvernichter Glyphosat machte der Aktie von Bayer weiter zu schaffen. Das Oberste Gericht der USA hatte gestern den Berufungsantrag des Pharma- und Agrarchemiekonzerns abgelehnt. Wäre es zur Verhandlung gekommen und Bayer hätte gesiegt, hätten die Leverkusener einen Schlussstrich unter den teuren Rechtsstreit um angebliche Krebsrisiken glyphosathaltiger Unkrautvernichter ziehen können.
Der Lkw-Hersteller Daimler Truck hält trotz wachsender Konjunktursorgen an seinen Wachstumszielen für das laufende Jahr fest. Der Absatz des Weltmarktführers für Schwerlaster soll um mehr als zehn Prozent auf bis zu 520.000 Fahrzeuge steigen, so der DAX-Neuling auf seiner ersten Hauptversammlung als selbstständiges Unternehmen. Beim Umsatz peilen die Schwaben weiterhin einen Anstieg um bis zu ein Viertel auf 48 bis 50 Milliarden Euro an. "Wir gehen also mit Optimismus und Zuversicht in das restliche Jahr", sagte Konzernchef Martin Daum.
Die Aktie der Modefirma Hugo Boss trotzte dem allgemeinen Trend. Der britische Sportartikel-Händler Frasers hatte mitgeteilt, seine Beteiligung erhöht zu haben und nun 4,9 Prozent der Aktien direkt zu halten und Optionen auf weitere 26 Prozent zu besitzen.
Einen bewegten Tag erlebte die Salzgitter-Aktie. Der SDAX-Titel stand nach einer Herabstufung deutlich unter Druck. Die Analysten von JPMorgan hatten die Bewertung der Aktie von "Neutral" auf "Underweight" und das Kursziel von 44 auf 31,60 Euro gesenkt. Am Nachmittag aber erhöhte der Stahlkonzern wegen der anhaltend guten Nachfrage seine Jahresziele erneut. Das Management rechnet nun mit einem Jahresumsatz von 13 Milliarden Euro. Vor Steuern dürfte damit ein Gewinn zwischen 1,0 und 1,2 Milliarden Euro hängen bleiben. In der zweiten Jahreshälfte dürften die überdurchschnittlichen Gewinnmargen allerdings zurückgehen. Zudem setzt das Unternehmen für seine Prognose voraus, dass Erdgas verfügbar bleibt. Auch seien die Auswirkungen des Ukraine-Krieges kaum quantifizierbar. Diese Einschränkungen trugen wohl dazu bei, dass die Prognoseerhöhung am Markt schließlich weitgehend verpuffte.