Inflationsdaten beflügeln Ein seltenes Schauspiel
Dass die Aktienmärkte eine Inflationsrate von über acht Prozent feiern, darf durchaus als außergewöhnlich gelten. Zur Wochenmitte wurde diese scheinbare Paradoxie zur Realität.
Schon seit Tagen hatten die Märkte die amerikanischen Inflationsdaten für den Juli mit Spannung erwartet, und sie wurden positiv überrascht. Mit 8,5 Prozent lag die Jahresteuerungsrate zwar noch erschreckend hoch, aber unter den Erwartungen von 8,7 Prozent und unter dem Juni-Wert von 9,1 Prozent, der vorläufig das höchste Niveau seit 40 Jahren markiert hatte. Die schwächere Inflation wurde unter anderem mit dem Rückgang der Benzinpreise in den USA erklärt.
Das nimmt tendenziell etwas Druck von der US-Notenbank Federal Reserve (Fed), den Leitzins aggressiv zu erhöhen. Die Wall Street eröffnete eine Stunde nach Bekanntgabe der Daten deutlich höher, und bis zum Handelsschluss konnte der Dow Jones ein Plus von 1,6 Prozent halten. Tatsächlich erwartet nun wieder eine deutliche Mehrheit der Marktteilnehmer in den USA einen Zinsschritt von "nur" einem halben Prozentpunkt, wenn die Fed Ende September tagt.
Die zinssensitiveren Technologietitel konnten noch stärker zulegen. Der Nasdaq 100 schloss 2,85 Prozent höher. Ob sich die Euphorie des Marktes bis September aufrechterhalten lässt, dürfte von nun an auch wieder stärker von den Unternehmensdaten abhängen.
Der deutsche Aktienmarkt wurde ebenfalls von den um 14.30 Uhr deutscher Zeit veröffentlichten US-Daten beflügelt. Mit 13.700 Punkten, einem Plus von 1,2 Prozent, schloss der DAX nur knapp unter seinem Tageshoch. "Der heutige Tag könnte eine Zeitenwende sein", sagte Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners. "Es gibt gute Chancen, dass der Inflationsgipfel überschritten ist."
Auch die deutsche Inflation hat sich im Juli leicht abgeschwächt. Die Verbraucherpreise stiegen verglichen mit dem Vorjahresmonat um 7,5 Prozent, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Morgen mitteilte. Damit bestätigte die Behörde ihre ersten Schätzungen von Ende Juli. Angetrieben wurde die Teuerung erneut von den Preisen für Energie und für Nahrungsmittel.
Am Devisenmarkt sorgten die US-Inflationsdaten ebenfalls für heftige Kursbewegungen. Der Euro schoss zeitweise um über einen US-Cent nach oben. Am Abend notierte die Gemeinschaftswährung bei 1,03 Dollar. Die Ölpreise erholten sich. Ein Barrel der Nordseesorte Brent kostete am Abend 97,80 Dollar. Der Preis für die Feinunze Gold zog zeitweise stärker an, fiel bis zum Abend aber wieder auf 1789 Dollar zurück.
Tesla-Chef Elon Musk hat Aktien des US-Elektroautobauers im Milliardenwert verkauft und will sich damit für eine mögliche Niederlage im Rechtsstreit um die Twitter-Übernahme wappnen. So verkaufte Musk Aktien im Wert von 6,9 Milliarden Dollar, wie aus Mitteilungen an die US-Börsenaufsicht SEC vom Dienstag (Ortszeit) hervorgeht. Das ist sein größter Aktienverkauf am Unternehmen überhaupt. Mit dem Kurznachrichtendienst steckt Musk in einem Rechtsstreit, weil er die 44 Milliarden Dollar schwere Übernahme des Dienstes abblasen will. Die Aktie legte in New York dennoch zu. Musks Transaktion schütze davor, dass später ein Blitzverkauf notwendig werde, sagte Matt Britzman, Analyst bei Hargreaves Lansdown.
Nach Börsenschluss legte Metro die Bilanz zu seinem dritten Geschäftsquartal (bis Ende Juni) vor. Diese war von den Belastungen in Russland und dem Verkauf des verlustträchtigen Belgien-Geschäfts geprägt. Während der Umsatz im Jahresvergleich um 26,6 Prozent auf gut 7,9 Milliarden Euro zulegte, blieb unter dem Strich einen Verlust von 290 Millionen Euro, nach einem Gewinn von 63 Millionen Euro ein Jahr zuvor. Die Anfang Juli zum zweiten Mal erhöhte Prognose bestätigte der Konzern. Im laufenden Geschäftsjahr bis Ende September soll der Umsatz währungsbereinigt um rund 17 bis 22 Prozent wachsen.
Die Adidas-Aktie gehörte zeitweise zu den größten Kursverlierern. Konzernchef Kasper Rorsted hatte in einem Interview einen längerfristigen Ausfall von China als Wachstumsmarkt für den Sportartikelkonzern als möglich dargestellt. Damit würden auch die Umsatz- und Gewinnziele von Adidas für die Jahre bis 2025 in Frage gestellt.
E.ON-Aktien waren die größten Verlierer im DAX. Bei dem Energieversorger ging im zweiten Quartal das bereinigte Ergebnis um 15 Prozent auf 4,1 Milliarden Euro zurück. Der Konzernüberschuss sank um ein Fünftel auf 1,4 Milliarden Euro. Anders als im Auftaktquartal konnte E.ON nun einen Teil seiner gestiegenen Kosten an die Kunden weitergeben. Im Ergebnis werde dies jedoch erst vollständig in der zweiten Hälfte des Jahres sichtbar werden, so das Unternehmen.
Ein kräftiges Ergebnisplus im abgelaufenen Quartal verhalf der Aktie von Heidelberger Druck zu einem Plus von 18,5 Prozent. Neben dem operativen Ergebnis hätten auch der Auftragseingang und der Umsatz die Erwartungen übertroffen, sagte ein Händler. Im abgelaufenen ersten Geschäftsquartal stieg der Umsatz zum Vorjahr um ein Fünftel auf 530 Millionen Euro, das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) betrug 35 Millionen Euro, was einer Verdopplung entspricht.
Auch die Aktie von Kontron konnte im SDAX deutlich zulegen. Der österreichische IT-Dienstleister hat mit der französischen Vinci einen Käufer für einen Großteil des IT-Servicegeschäfts gefunden. Der Transaktionswert liege bei rund 400 Millionen Euro. Kontron aktualisierte zudem die Prognose für 2022. So sollen die fortgeführten Bereiche im diesem Jahr 1,12 Milliarden Euro umsetzen und dabei auf eine Marge gemessen am Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von mehr als zehn Prozent kommen. Das Unternehmen, das bis zum 1. Juni unter dem Namen S&T firmierte, will das Geld aus dem Verkauf in den Ausbau des Kerngeschäfts rund um das sogenannte Internet der Dinge vorantreiben. Mit der Umfirmierung auf Kontron hatte der österreichische Konzern den Namen des deutschen Unternehmens wiederbelebt, das er 2017 übernommen hatte.
Gefragt waren auch Papiere von Jenoptik. Der Technologiekonzern wird nach einem starken zweiten Quartal und dank gut gefüllter Auftragsbücher zuversichtlicher für das Gesamtjahr und peilt einen Umsatz zwischen 930 und 960 Millionen Euro an. Im zweiten Quartal kletterte der Umsatz im Jahresvergleich um ein Drittel auf 239 Millionen Euro. Dabei profitierte der Konzern weiter von der hohen Nachfrage aus der Halbleiterindustrie. Unter dem Strich schrumpfte der Gewinn allerdings wegen höherer Kosten um rund 32 Prozent auf 22,5 Millionen Euro.
Auf der Verliererseite des SDAX fiel die Aktie von Secunet mit einem Minus von 8,8 Prozent auf. Der IT-Sicherheitsdienstleister hat für das erste Halbjahr einen Rückgang des operativen Ergebnisses (Ebit) um gut 38 Prozent auf knapp 15 Millionen Euro gemeldet. Wegen geringerer Nachfrage fiel der Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, als Secunet noch Rekordwerte eingefahren hatte, um mehr als acht Prozent auf 135,5 Millionen Euro. Für das kommende Quartal erwartet das Unternehmen, das traditionell das meiste Geschäft im zweiten Halbjahr macht, einen überdurchschnittlichen Auftragseingang. Secunet bekräftigte die Jahresziele, die einen Umsatz von rund 320 Millionen Euro und ein Ebit von etwa 50 Millionen vorsehen. Voraussetzung dafür sei aber, dass sich die Beschaffungslage nicht wesentlich verschlechtere.
Der Logistikkonzern HHLA profitiert weiter von hohen Einnahmen durch lagernde Container. Die sogenannten Lagergelderlöse sorgten für Zuwächse bei Umsatz und Ergebnis. Die Erlöse stiegen im ersten Halbjahr um knapp zehn Prozent auf fast 780 Millionen Euro. Davon blieben als Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) mit 101,3 Millionen Euro knapp zwölf Prozent mehr als im vergangenen Jahr. HHLA erwartet den Containerumschlag 2022 nun auf dem Niveau des Vorjahres, während bislang mit einem moderaten Anstieg gerechnet wurde.
Der weltgrößte Reisekonzern TUI rechnet trotz der Engpässe an vielen Flughäfen in diesem Sommer mit Urlauberzahlen nahe dem Vorkrisenniveau. Derzeit hätten die Buchungen mit 11,5 Millionen Gästen rund 90 Prozent des Niveaus von 2019 erreicht, so das Unternehmen. Im dritten Geschäftsquartal bis Ende Juni legte der Umsatz im Vergleich zum pandemiebelasteten Vorjahreszeitraum von 650 Millionen auf 4,4 Milliarden Euro zu. Weil der Konzern wegen Flugausfällen und -verspätungen vor allem in Großbritannien Sonderkosten von 75 Millionen Euro schultern musste, lag das bereinigte operative Ergebnis noch mit 27 Millionen im Minus.
Hohe Kosten für Rohstoffe und Logistik sowie Materialengpässe haben den dänischen Windkraftanlagen-Hersteller Vestas im zweiten Quartal weiter stark belastet. Der Umsatz des Konkurrenten von Nordex und Siemens Gamesa ging im zweiten Quartal um sieben Prozent auf 3,3 Milliarden Euro zurück. Der Nettoverlust betrug 119 Millionen Euro. Vor einem Jahr hatte das Unternehmen noch einen Gewinn von 83 Millionen Euro erzielt.