Wall Street dreht ins Minus US-Anleger machen Kasse
Die großen US-Aktienindizes konnten anfängliche Gewinne nicht halten und drehten noch ins Minus. Vor dem langen Wochenende haben viele Marktteilnehmer ihre Positionen glatt gestellt.
Die Stimmung an der Wall Street bleibt trotz der heute positiv aufgenommenen Daten vom Arbeitsmarkt angesichts von Gaskrise, Inflationsschock und Rezessionssorgen angeschlagen. Alle großen Indizes konnten anfängliche Gewinne nicht halten und rutschten ins Minus. Zudem bleiben die Börsen am Montag wegen eines Feiertages geschlossen, so dass sich die Anleger vor dem langen Wochenende vorsichtiger positionierten, was nicht unüblich ist.
Die Stimmung kippte endgültig nach der neuerlichen Eskalation der Gaskrise in Europa. Durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 wird von diesem Samstag an anders als angekündigt weiter kein Gas fließen, wie der Staatskonzern Gazprom mitteilte. Grund sei ein Ölaustritt in der Kompressorstation Portowaja.
Der Dow Jones-Index, der Leitindex der Standardwerte, schloss am Ende des Tages bei 31.318 Zählern um 1,07 Prozent leichter. Im Tageshoch war der Index noch bis auf 32.026 Zähler gestiegen, ehe der Abschwung einsetzte. Verluste gab es ebenfalls an der besonders zinssensitiven Technologiebörse Nasdaq, die damit wie schon zuletzt, weiter besonders unter Druck bleibt. Der Schlusskurs lag bei 11.630 Punkten um 1,31 Prozent tiefer. Der marktbreite S&P-500-Index ging bei 3924 Zählern aus dem Handel, ein Tagesverlust von 1,07 Prozent.
Hoffnungen auf weniger aggressive Zinsschritte der US-Notenbank hatten die Kurse zunächst gestützt. In Europa hatte der DAX mehr als drei Prozent höher geschlossen. Im August entstanden mit 315.000 etwas mehr neue Stellen als erwartet. Allerdings schwächte sich der Zuwachs im Vergleich zum Vormonat wie erwartet merklich ab. Die Arbeitslosenquote stieg auf 3,7 von zuvor 3,5 Prozent, gleichzeitig legten die Löhne nicht so stark zu wie befürchtet.
Eine Entwicklung, die zunächst gut ankam an der Börse. Das sei das ideale Szenario für Anleger, die nun wüssten, dass die Notenbank Fed die Zinsen wohl kaum längerfristig aggressiv anheben werde, sagte Naeem Aslam, Chef-Marktanalyst des Brokerhauses AvaTrade. Händler sahen eine Chance von 58 Prozent für eine dritte Zinserhöhung in Folge um 75 Basispunkte im September, vor dem Bericht waren sie von 70 Prozent ausgegangen.
"Trotzdem befinden wir uns in einem langfristigen Abwärtstrend an den Börsen und sind noch nicht über den Berg", warnte Analyst Fawad Razaqzada vom Handelshaus StoneX. "Die Fed wird ihre Geldpolitik in den kommenden Monaten aggressiv straffen, was die Kurse, insbesondere im Bereich US-Technologie, deckeln dürfte." Deswegen sei ein Abverkauf vor dem langen Wochenende nicht verwunderlich
In einer kraftvollen Gegenbewegung hat sich der DAX zum Wochenschluss erholt und wieder die Marke von 13.000 Punkten erreicht. Am Ende schloss der deutsche Leitindex bei 13.050 Zählern am Tageshoch, ein deutlicher Zuwachs von 3,33 Prozent. Im Wochenvergleich steht damit noch ein leichtes Plus von 0,6 Prozent zu Buche.
Nach den positiv aufgenommenen Arbeitsmarktdaten aus den USA baute der Index seine Gewinne im Verlauf immer weiter aus und folgte dabei einer ebenfalls anziehenden Wall Street. Die großen US-Indizes hatten bereits am Vorabend im späten Geschäft kräftig zugelegt und damit das Feld für die heutigen Kursgewinne bereitet.
Noch im Wochenverlauf war der DAX nach mehreren Verlusttagen in Folge bedrohlich nahe an sein Unterstützungsniveau von 12.400 gefallen, nachdem sich Zins- und Rezessionsängste verstärkt hatten.
Nachbörslich sackte der Index aber wegen der Verschärfung der Lage am Gasmarkt und im Sog einer fallenden Wall Street wieder deutlich unter die Marke von 13.000 Punkten ab. Beim Broker Lang & Schwarz wird der DAX am späten Abend bei 12.700 Punkten gehandelt, womit die Gewinne von heute im Xetra-Handel größtenteils wieder verloren wären.
Nach Angaben des Gazprom-Konzerns würden die Lieferungen zunächst nicht wieder aufgenommen, weil bei Wartungsarbeiten ein Öl-Leck entdeckt worden sei, teilte das Unternehmen am Abend mit. Zuvor hatten zwei Insider der Nachrichtenagentur "Reuters" noch gesagt, Gazprom wolle den Gastransport über Nord Stream 1 am Samstagmorgen wieder aufnehmen.
Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte, die Sicherheit der Gasversorgung sei nicht in Gefahr. "Die Lage auf dem Gasmarkt ist angespannt, aber die Versorgungssicherheit ist gewährleistet", sagte eine Sprecherin am Abend.
Experten wollten derweil in Sachen Zinszyklus noch keine Entwarnung geben. "Der US-Arbeitsmarkt läuft auch im zweiten Halbjahr noch auf vollen Touren. An den Finanzmärkten wirft man derzeit mit zwei Zahlen hin und her: 50 und 75 sind derzeit häufig genannte Größen. Die Rede ist von den im September zu erwartenden Zinserhöhungen. Macht die EZB 50 oder 75 Basispunkte, macht die Fed 50 oder 75 Basispunkte? Mit dem heutigen guten Zahlenwerk vom US-Arbeitsmarkt dürfte die Fed-Frage geklärt sein. Eine neuerliche Zinsanhebungen um 75 Basispunkte ist wahrscheinlich", kommentiert Thomas Gitzel von der VP Bank.
Die Commerzbank-Experten Christoph Balz und Bernd Weidensteiner verweisen darauf, dass das Tempo am Arbeitsmarkt zwar etwas nachgelassen hat. Ein Stellenzuwachs von über 300.000 sei für diese Phase des Konjunkturzyklus jedoch weiterhin kräftig. Einer Faustregel folgend sei bereits ein Stellenzuwachs von rund 75.000 pro Monat ausreichend, um die wachsende US-Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter mit Jobs zu versorgen.
"Es ist daher unwahrscheinlich, dass die Notenbank die leichte Beruhigung am Arbeitsmarkt zum Anlass nimmt, die Leitzinsen im September nur um 50 Basispunkte zu erhöhen. Wir halten daher an unserer Prognose einer Zinserhöhung um 75 Basispunkte fest."
Mit einer solchen Erhöhung rechnet derzeit die Mehrheit der Marktteilnehmer. Das Zinsniveau läge dann in einer Bandbreite zwischen 3,00 und 3,25 Prozent und damit in der Nähe des Zielniveaus von rund 3,50 Prozent, das Bankchef Jerome Powell zuletzt in den Raum gestellt hatte. Der größte Teil des US-Zinsweges wäre damit zunächst gegangen. Um der ausufernden Inflation Herr zu werden, hatte die US-Notenbank den Leitzins zuletzt zwei Mal in Folge kräftig um 0,75 Prozentpunkte angehoben - auf die Spanne von 2,25 bis 2,50 Prozent.
Zum Vergleich: In Europa liegt das Niveau erst bei 0,50 Prozent, die EZB steht daher in Anbetracht des ebenfalls sehr hohen Preisdrucks in der Eurozone unter erheblichen Zugzwang nachzulegen, auch um ihre Glaubwürdigkeit nicht zu verspielen. Erwartet wird, dass am kommenden Donnerstag hart über die Stärke des Zinsschritts gerungen wird. "Es ist daher nicht auszuschließen, dass es sogar zu einer Kampfabstimmung mit einer knappen Entscheidung kommt," meinen die Experten der Helaba.
Derweil dreht sich das Preis-Karrussel in der Eurozone immer schneller. Im Juli stiegen die Preise, die Hersteller für ihre Waren erhalten, die sogenannten Erzeugerpreise, zum Vorjahresmonat um 37,9 Prozent, wie das Statistikamt Eurostat mitteilte. Das ist der stärkste Schub seit Bestehen der Währungsunion. Erzeugerpreise schlagen sich üblicherweise mit einer Zeitverzögerung auf die Verbraucherpreise nieder.
Der Euro profitierte heute lange von der freundlichen Stimmung an den europäischen Aktienmärkten und baute am späten Nachmittag seine Gewinne aus. Der Dollar als sichere Alternative war im Gegenzug weniger gefragt. Auch andere als sicher geltende Währungen wie der Schweizer Franken oder der japanische Yen gerieten unter Druck.
Zugute kam kam dem Euro dabei die Aussicht auf eine weitere Zinserhöhung durch die EZB am 8. September, dem nächsten Sitzungstermin. Die Gemeinschaftswährung handelte zuletzt im US-Handel aber bei 0,9959 Dollar und gab damit am Abend den Großteil der Tagesgewinne wieder ab. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 0,9993 (Donnerstag: 1,0004) Dollar fest
Für die deutschen Exporteure hat das zweite Halbjahr wegen der sinkenden Nachfrage ihrer beiden wichtigsten Kunden USA und China mit einem Rückschlag begonnen. Ihre Ausfuhren schrumpften im Juli um 2,1 Prozent zum Vormonat auf 131,3 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt mitteilte.
Am Energiemarkt fielen die Preise spürbar. Der europäische Erdgas-Future verlor rund elf Prozent auf 209 Euro je Megawattstunde. Vor einer Woche war er noch auf den Rekordwert von 343 Euro gestiegen. Der Strompreis fiel um knapp acht Prozent auf 500 Euro je Megawattstunde.
Die Lage könnte sich allerdings bald schon wieder verschärfen, wenn die russischen Gaslieferungen über die Ostseepipeline Nord Stream 1 nict wieder aufgenommen werden.
Spekulationen auf einen Beschluss der Opec-Länder und ihrer Verbündeten (Opec+) zu einer weiteren Förderdrosselung in der kommenden Woche trieben die Ölpreise. Die Nordsee-Sorte Brent-Rohöl verteuerte sich um 1,8 Prozent auf 95,32 Dollar je Fass, nachdem es tags zuvor um mehr als drei Prozent abgerutscht war.
Ein wichtiger Faktor seien auch die Atomgespräche zwischen dem Iran und den USA, die offenbar ins Stocken geraten seien, sagte Oanda-Analyst Craig Erlam. "Ein Abkommen war in letzter Zeit ein großes Abwärtsrisiko für die Ölpreise; etwas, dem Saudi-Arabien mit Warnungen vor Produktionskürzungen der Allianz entgegenzuwirken versuchte."
Von den 40 DAX-Mitgliedern stand nur die Aktie von Henkel nach einem negativen Analystenurteil im Minus. Alle anderen Papiere legten unter der Führung von VW-Vorzügen sowie der VW-Holding Porsche SE zum Teil deutlich zu. Die Anleger setzen derzeit weiter auf einen erfolgreichen Börsengang des Sportwagenbauers Porsche. Vorschusslorbeeren gibt es auch für den neuen VW-Chef Oliver Blume, der gestern sein Amt angetreten hatte.
Die US-Investmentbank Goldman Sachs hat Henkel von "Neutral" auf "Sell" abgestuft und das Kursziel von 67 auf 62 Euro gesenkt. Zwar honoriere er die Fortschritte in der Konsumgütersparte und sehe auch wenige Risiken für die Ergebnisse 2022, doch sei er vorsichtig hinsichtlich des Ausblicks für die Sparte Klebstoffe, schrieb Analyst Olivier Nicolai. Diese aber mache 50 Prozent des Konzernumsatzes aus. Er rechnet für diesen Geschäftsbereich mit sinkenden Margen sowie Kostendruck und verweist auf einen negativen Produktmix.
Vier Jahre nach ihrem Abstieg aus dem DAX steht die Commerzbank vor dem Wiederaufstieg in die erste deutsche Börsenliga. Das dürfte die Deutsche Börse nach ihrer Überprüfung der Index-Zusammensetzung am 5. September voraussichtlich bekanntgeben. Chancen auf einen Dax-Einzug hat zudem der Autozulieferer und Rüstungskonzern Rheinmetall. Ihre Plätze im Leitindex räumen müssten eventuell der Kochbox-Anbieter Hellofresh oder der Bauindustrie-Zulieferer HeidelbergCement.
Favoriten für einen MDAX-Aufstieg sind der Immobilienfinanzierer Aareal Bank und der Biokraftstoff-Hersteller Verbio. Ihre Plätze räumen müssen wohl die Immobilienfirma Grand City Properties und die IT-Firma Cancom. Die Änderungen werden zum 19. September wirksam.
Für ihre Index-Überprüfung erstellt die Deutsche Börse eine Rangliste gemäß der Marktkapitalisierung des Streubesitzes. Basis hierfür ist der jeweils letzte handelsgewichtete Durchschnittskurs des Monats, der dem Überprüfungstermin vorangeht.
Der japanische Kamerahersteller Nikon will für 622 Millionen Euro den 3D-Drucker-Hersteller SLM Solutions kaufen. Die Japaner bieten 20 Euro je SLM-Aktie und damit ein Plus von 75 Prozent auf den gestrigen Schlusskurs. Nikon zeichnet eine Kapitalerhöhung von SLM in Höhe von zehn Prozent und wird ein Übernahmeangebot an die restlichen Anteilseigner abgeben, das an keine Mindestannahmeschwelle gekoppelt sei. Nikon hat sich nach eigenen Angaben bereits gut 61 Prozent der Aktien gesichert.
Bayer-Aktien erholten sich heute. Händler verwiesen darauf, dass im Streit über eine möglicherweise krebserregende Wirkung des Unkrautvernichters Glyphosat mittlerweile die fünfte Klage in Folge gewonnen worden sei. Eine Jury im US-Bundesstaat Missouri hat im Streit um das Produkt Roundup in einer Haftungsklage ein positives Urteil gefällt.
"Die Ergebnisse der Jury entsprechen auch den Untersuchungen der zuständigen Regulierungsbehörden sowie vierzig Jahren wissenschaftlicher Forschung, die immer wieder festgestellt haben, dass Roundup sicher verwendet werden kann und nicht krebserregend ist", hieß es in einer Stellungnahme des Bayer-Konzerns. "Wir stehen weiterhin vollständig hinter der Sicherheit von Roundup und werden sowohl diese als auch das Verhalten des Unternehmens weiter vor Gericht verteidigen", so Bayer weiter.
Die Lufthansa ist vor dem Arbeitsgericht München mit einem Antrag auf einstweilige Unterlassung des Pilotenstreiks gescheitert. Die Fluggesellschaft hatte laut Gericht am Freitag argumentiert, dass die Forderung nach einer Erhöhung der Tarifgehälter mittels eines automatischen Inflationsausgleiches ein rechtswidriges Streikziel sei.
Dem folgte das Gericht nicht, die Durchführung des Streiks wurde nicht untersagt. Allerdings betonte die 38. Kammer auch, dass die Forderung der Vereinigung Cockpit nicht unbedenklich sei. "Jedoch hätte die Deutsche Lufthansa AG ihre rechtlichen Bedenken während der bisherigen Verhandlungen äußern müssen, damit über diesen Punkt Gespräche hätten geführt werden können." Die Vereinigung Cockpit hat nach dem Beschluss der Kammer ihre Forderung nach einem automatischen Inflationsausgleich zurückgenommen, wie ein Sprecher bestätigte. Man prüfe andere Formulierungen.
Der ganztägige Streik der Lufthansa-Piloten ließ am Freitag den gesamten Flugbetrieb der Airline nahezu stillstehen. Mehr als 800 Flüge mit 130.000 betroffenen Passagieren hatte die Lufthansa am Vortag vorsorglich abgesagt. Der Streik ist auf 24 Stunden beschränkt.
Die Aktien von Nordex profitierten von einer Kaufempfehlung der Citigroup. Die Anteile des Windkraftanlagenherstellers werden wohl im September wieder in den Nebenwerteindex SDAX aufsteigen, den sie im Juni wegen eines nicht fristgerecht vorgelegten Quartalsberichts verlassen mussten. Gewissheit wird es am kommenden Montag nach Handelsschluss geben. Dann gibt die Deutsche Börse die Index-Änderungen bekannt, welche zum 19. September, in Kraft treten.
Die irische Fluggesellschaft Ryanair hat im August zum vierten Mal in Folge so viele Fluggäste wie noch nie in einem Monat befördert. Mit 16,9 Millionen Passagieren übertraf die Fluggesellschaft den im Vormonat erreichten Rekord von 16,8 Millionen. Im August 2019, vor Ausbruch der Corona-Pandemie, lag die Anzahl bei 14,9 Millionen Reisenden. Der durchschnittliche Anteil leerer Sitze pro Flug lag wie im Vormonat auf dem Vorkrisenniveau von vier Prozent.