Vorsichtiger Optimismus US-Anleger tasten sich vor
Vor neuen Inflationsdaten, die erwartet werden, haben sich die Anleger an der Wall Street zaghaft vorgewagt. Gefragt waren aber primär Standardwerte, die Nasdaq fiel ab.
An der Wall Street warfen wichtige Wochentermine ihre Schatten voraus. Die Inflationsdaten für den Juni, die am Mittwoch auf der Agenda stehen, aber auch der Beginn der Berichtssaison der Banken ab Freitag, standen im Fokus der Investoren.
Profitiert hat vom heutigen Kaufinteresse allerdings primär der Dow Jones, der Leitindex der Standardwerte. Er gewann 0,93 Prozent auf 34.261 Punkte und knüpfte damit an die Gewinne des Vortages an. Die Technologiebörse Nasdaq konnte da nicht mithalten, sie ging bei geringeren Schwankungen bei 13.760 Zählern aus dem Handel, ein Gewinn von 0,55 Prozent. Auch der Auswahlindex Nasdaq 100 gewann in der gleichen Größenordnung hinzu. Der marktbreite S&P-500-Index rückt um 0,67 Prozent auf 4439 Zähler vor. Vor allem im späten Geschäft griffen die Anleger noch verstärkt zu, nachdem es zuvor nur geringe Schwankungen gegeben hatte.
Bei den am Mittwoch erwarteten Inflationszahlen hofften die Investoren auf eine Abschwächung, was der Notenbank Fed signalisieren könnte, dass die Zinserhöhungen funktionieren und dass es zu einem früheren Ende künftiger Zinserhöhungen kommen könnte, sagte Peter Andersen, Gründer von Andersen Capital Management.
Für Belastung sorgen jedoch immer wieder Kommentare von Vertretern der US-Notenbank Fed, die die Notwendigkeit einer weiteren Straffung der Geldpolitik in diesem Jahr bekräftigt hatten. Dies nährt die Befürchtung, dass die größte Volkswirtschaft der Welt in eine Rezession abgleiten könnte. "Die US-Aktienmärkte haben eine weiche Landung oder eine freundlichere Rezession eingepreist, aber eigentlich besteht das Risiko, dass die Rezession härter ausfällt als erwartet", sagte Managerin Cecilia Chan vom Vermögensverwalter HSBC Asset Management.
Impulse dürften auch die zum Wochenschluss erwarteten Bankenbilanzen bringen, bei denen Analysten zufolge angesichts steigender Zinseinnahmen einige Institute positiv überraschen könnten. Die Aktien von Platzhirsch JP Morgan gewannen 1,56 Prozent, nachdem die Analysten von Jefferies eine Kaufempfehlung aussprachen. Die Großbank habe einen stabilen Gewinnausblick, auch wenn der Sektor mit vielen Unsicherheiten konfrontiert sei, argumentierten sie.
Unter den Einzelwerten fiel die Aktie des Videospiele-Spezialisten Activison Blizzard ins Auge, die deutlich um 10,0 Prozent zulegte. Denn Microsoft ist der Übernahme des Unternehmens einen wichtigen Schritt näher gerückt. Eine Richterin in San Francisco wies am Dienstag den Antrag der US-Regierung ab, den Deal mit einer einstweiligen Verfügung zu blockieren.
Damit könnte Microsoft die rund 69 Milliarden Dollar teure Übernahme aus US-Sicht zunächst vollziehen, auch wenn die Gerichtsverfahren darüber weiterlaufe. Der Xbox-Konzern Microsoft will sich mit dem Zukauf beliebte Videospiele wie "Call of Duty", "Overwatch" und "Candy Crush" sichern.
Die US-Wettbewerbsaufsicht FTC hatte bereits im Dezember eine Klage eingereicht, um den Deal zu verhindern. Die FTC ist der Ansicht, dass Microsoft dadurch zu viel Marktmacht im Videospiele-Geschäft bekommen würde. Richterin Jacqueline Scott Corley kam jedoch zu dem Schluss, die FTC könne dies nicht ausreichend belegen.
Der deutsche Leitindex DAX hat heute seine Erholung fortgesetzt und höher geschlossen. Schwächere heimische Konjunkturdaten traten dabei in den Hintergrund.
Am Ende schloss der Index bei 15.790 Punkten mit einem Tagesgewinn von 0,75 Prozent. Er bleibt damit vorerst über seiner charttechnischen Unterstützung in der Region 15.600-15.700 Punkte, die er am Freitag erfolgreich getestet hatte. Auch der MDAX, der Index der mittelgroßen Werte, legte 1,04 Prozent zu auf 27.317 Zähler.
Experten warnen trotz der Aufschläge heute aber davor, schon auf eine Trendwende am Aktienmarkt zu setzten. Der DAX hatte in der Vorwoche rund 3,5 Prozent verloren und damit so manchen Anleger auf dem falschen Fuß erwischt. Grund waren gestiegene Rezessions- und Zinsängste, die vor allem an der Wall Street weiterhin das Geschehen bestimmen.
"Der Kampf um die ehemalige Unterstützungszone um 15.700 Punkten ist eröffnet und dürfte noch einige Tage anhalten", meint Marktexperte Jürgen Molnar von RoboMarkets. Bislang handele es sich lediglich um eine technische Gegenreaktion auf die Verluste der Vorwoche.
Positiv nahmen Börsianer heute allerdings die ausgedehnte Unterstützung des strauchelnden chinesischen Immobiliensektors auf, die sie auf weitere Hilfen spekulieren lässt. "China will seinen leidenden Immobiliensektor weiter unterstützen", konstatierte Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners. "Das kommt am Markt gut an."
Die Erholung bleibt aber fragil, denn am Mittwoch werden in den USA Inflationsdaten veröffentlicht. Diese dürften wie stets die Zinserwartungen an den Märkten beeinflussen - und somit auch die Börsen bewegen.
Im Vorfeld macht sich nach den starken Daten vom US-Arbeitsmarkt in der Vorwoche zumindest etwas Zuversicht breit, dass der Kurs der Federal Reserve nunmehr beginnt, Früchte zu tragen. Eine weitere Zinserhöhung im Juli um 25 Basispunkte gilt als beschlossene Sache, die Hoffnung der Bullen (Käufer) beruht aber ganz darauf, dass der Zinsgipfel damit erreicht sei. "Werden die Erwartungen allerdings enttäuscht, droht eine nächste Verkaufswelle an der Börse", sagte Jochen Stanzl, Marktanalyst vom Broker CMC Markets.
Die Lebenshaltungskosten in Deutschland erhöhten sich derweil um 6,4 Prozent zum Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt am Morgen mitteilte und damit eine frühere Schätzung bestätigte. Von Mai auf Juni verteuerten sich Waren und Dienstleistungen um 0,3 Prozent. Durch die Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung aus dem Jahr 2022, dem 9-Euro-Ticket und Tankrabatt, ergab sich ein Basiseffekt, der die aktuelle Inflationsrate erhöht.
Die Konjunkturerwartungen von Finanzexperten in Deutschland haben sich im Juli wieder eingetrübt. Das Stimmungsbarometer des Forschungsinstituts ZEW fiel gegenüber dem Vormonat um 6,2 Punkte auf minus 14,7 Zähler. Analysten hatten mit einer moderateren Verschlechterung auf im Schnitt minus 10,6 Punkte gerechnet. Im Vormonat hatte sich die Stimmung noch aufgehellt.
"Die Hoffnungen auf eine konjunkturelle Erholung im zweiten Halbjahr schmelzen in der Sommerhitze dahin", schrieb Volkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank mit Blick auf die ZEW-Umfrage. "Der Zustand einer vor sich hin dümpelnden deutschen Wirtschaft wird uns wohl noch längere Zeit begleiten."
Der Euro hat im US-Handel wieder nach oben gearbeitet und wurde zuletzt bei 1,1000 Dollar wieder nahe seines Tageshochs gehandelt. Er bleibt damit trotz des fundamentalen Gegenwinds aus Deutschland heute auf hohem Niveau zum Greenback. Devisenexperten erklären die Euro-Stärke mit der Unsicherheit über den künftigen Kurs der amerikanischen Geldpolitik. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0989 (Montag: 1,0956) Dollar fest.
Auch Öl bleibt derzeit teuer, nachdem die großen Förderländer Saudi-Arabien und Russland zuletzt eine weitere Einschränkung ihres Angebots angekündigt hatten. Ein Barrel der Nordseesorte Brent kostete 79,33 Dollar, 2,1 Prozent mehr als gestern.
Im DAX hatten Autowerte teils einen schweren Stand. Größter Kursverlierer war die BMW-Aktie, die auf eine Abstufung durch das Bankhaus Metzler reagierte. Auch Papiere von Mercedes Benz verloren zunächst, erholten sich dann aber im Verlauf und schlossen im Plus. Denn der schwäbische Autobauer hat dank der hohen Nachfrage nach seinen Elektroautos und Luxuswagen deutlich mehr Fahrzeuge verkauft. Im zweiten Quartal wurden mit 515.700 Einheiten sechs Prozent mehr ausgeliefert. Der Absatz rein batteriegetriebener Autos erhöhte sich dabei um 123 Prozent auf 56.300 Einheiten.
Gewinne verbuchte auch die Aktie von Daimler Truck. Der Lkw-Hersteller hatte gestern Abend seine Prognose für dieses Jahr erhöht. 2023 werde im Industriegeschäft bei einem Umsatz von 54 bis 56 Milliarden Euro eine bereinigte Rendite zwischen 8,5 und 10,0 Prozent erwartet. Bislang waren ein Umsatz zwischen 53 und 55 Milliarden Euro und eine Rendite von 7,5 bis 9,0 Prozent erwartet worden.
20 Jahre nach dem Start der eigenen Camper-Produktion ist bei Volkswagen Nutzfahrzeuge in Hannover am Dienstag der 200.000. VW-California vom Band gerollt. Das Modell sei "eine echte Erfolgsgeschichte", sagte Produktionsvorstand Josef Baumert.
Allein im vergangenen Jahr seien 21.900 zum Wohnmobil umgebaute VW Transporter ausgeliefert worden, so viele wie nie zuvor. In diesem Jahr sollen es 31.000 werden. Die Nachfrage nach dem Wohnmobil war seit Beginn der Corona-Pandemie 2020 sprunghaft angestiegen. Derzeit werden 150 Fahrzeuge pro Tag produziert.
Der California wird seit 2004 in einem eigenen Werk in Hannover umgebaut. Zuvor hatte VW das Wohnmobil seit 1988 beim Fahrzeugumrüster Westfalia produzieren lassen. Auch die kommende Generation auf Basis des neuen VW Multivan soll ab 2024 in Hannover gebaut werden, kündigte VW am Rande des Produktionsjubiläums an. Das aktuelle Modell läuft Mitte 2024 aus.
Die Aussicht auf höhere Finanzziele und steigende Ausschüttungen hat heute den Aktienkurs der Commerzbank auf ein den höchsten Stand seit April geschoben. Die Nachrichtenagentur Bloomberg hatte zuvor unter Berufung auf informierte Kreise berichtet, Konzernchef Manfred Knof wolle der Bank künftig ein Ziel von mehr als zehn Prozent Eigenkapitalrendite setzen, was deutlich mehr wäre als die für das kommende Jahr angestrebten 7,3 Prozent. Auch erwäge das Management, die Anleger stärker zu beteiligen, da das Institut von den steigenden Zinsen profitiere.
Commerzbank-Papiere sprangen auf die Nachrichten hin am frühen Nachmittag um bis zu 4,3 Prozent auf knapp 10,95 Euro an, nachdem sie zuvor lediglich ein moderates Kursplus verzeichnet hatten. Zuletzt kamen die Papiere zwar wieder etwas zurück, hielten sich aber noch immer mit einem Plus von rund 3,6 Prozent deutlich über dem Vortagsniveau.
Seit einem Zwischentief Ende Juni ging der Kurstrend zuletzt generell wieder aufwärts. Seit Jahresbeginn haben die Anteilscheine bereits um gut ein Fünftel zugelegt.
Tagessieger im MDAX war das Evotec-Papier mit einem Plus von 4,6 Prozent. Evotec hat im Zuge seiner Partnerschaft mit dem US-Pharmakonzern Bristol Myers Squibb eine Lizenzvereinbarung getroffen. Diese umfasst ausgewählte Forschungsprogramme, die im Rahmen der Zusammenarbeit entwickelt und weit vorangeschritten seien, so Evotec.
Das Biotechunternehmen aus dem TecDAX und MDAX erhält danach eine Zahlung von 40 Millionen Dollar, leistungsbasierte Meilensteinzahlungen und gestaffelte Lizenzgebühren bis zum niedrigen zweistelligen Prozentsatz auf Produktverkäufe. Evotec war die Partnerschaft mit dem US-Pharmakonzern 2018 eingegangen. Die Anleger machten das Papier im MDAX zum Tagessieger.
Die Nordex-Aktie reagierte ebenfalls positiv auf die Nachricht von weiteren Aufträgen für Windparks im Mittelmeerraum. Der Windturbinenbauer hatte mitgeteilt, zum Ende des zweiten Quartals Aufträge in Spanien, Serbien, Frankreich, Italien und Portugal mit einer Gesamtleistung für 363 Megawatt erhalten zu haben.
Die Gewerkschaft ver.di hat im Tarifkonflikt mit dem Onlinehändler Amazon Beschäftigte für Dienstag bis Donnerstag zu Warnstreiks an mehreren Standorten in Deutschland aufgerufen. Anlass für den Warnstreik ist der von Amazon heute gestartete Schnäppchentag "Prime Day". Gestreikt wird den Angaben zufolge deutschlandweit in neun Verteilerzentren.
Der französische Versicherungskonzern Axa, Erzrivale der Allianz, erwägt Insidern zufolge die Trennung von seiner Sach-Rückversicherungssparte XL Re. Damit wolle der Konzern seine Anfälligkeit für Naturkatastrophen wie Hurrikane reduzieren, sagten drei mit der Lage vertraute Personen. Erwogen würden verschiedene Strategien, darunter neben einem Verkauf auch ein Börsengang der Sparte. Die Diskussionen seien noch in einem frühen Stadium. Axa wollte sich nicht zu den Informationen äußern.
Nach dem starken Start der Twitter-Alternative Threads gibt es Alarmzeichen für das Original. Zahlen von zwei Webanalyse-Unternehmen zeigen einen Rückgang des Datenverkehrs zu Twitter. Ein Analyst schätzt unterdessen, dass Threads für den Facebook-Konzern Meta schnell zu einem Milliarden-Geschäft werden könnte. Threads erreichte in nur fünf Tagen die Marke von 100 Millionen Nutzern - ohne in der Europäischen Union verfügbar zu sein.