Nach Inflationsdaten Wall Street im Wechselbad der Gefühle
Moderate Preisdaten haben heute die Anleger an der Wall Street zunächst zu Käufen motiviert. Hoffnungen auf ein Ende der Zinserhöhungen durch die Notenbank Federal Reserve wurden dann aber jäh beendet.
Die großen Wall-Street-Indizes sind heute Achterbahn gefahren und haben am Ende des Tages kaum verändert geschlossen. Erleichterung nach den mit Spannung erwarteten Inflationsdaten, die nur einen kleinen Zuwachs der Teuerungsrate gezeigt haben, sorgte zunächst für gute Laune an der Wall Street, ehe die Gewinne bröckelten und mahnende Worte einer führenden Fed-Bankerin für Ernüchterung sorgten.
Der Dow-Jones-Index der Standardwerte notierte am Ende um 0,15 Prozent leicht höher bei 35.176 Punkten. Der breiter gefasste S&P 500 ging nahezu unverändert bei 4468 Zählern aus dem Handel. Der Index der Technologiebörse Nasdaq gewann 0,1 Prozent, der Auswahlindex Nasdaq 100 0,2 Prozent.
Die Verbraucherpreise stiegen im Juli um 3,2 Prozent nach 3,0 Prozent im Juni. Experten waren von 3,3 Prozent ausgegangen. Daher hofften die Anleger, dass die US-Notenbank Fed trotz des Rücksetzers eine Pause bei ihren Zinserhöhungen im Kampf gegen die Inflation einlegt. Auch die Analysten zeigten sich optimistisch. "Nichts in dieser Veröffentlichung deutet darauf hin, dass die Fed etwas anderes tun wird, als die Zinssätze genau so zu belassen, wie sie sind", sagte etwa Neil Birrell, Manager beim Finanzdienstleister Premier Miton.
Ob der Optimismus der Experten berechtigt ist, muss sich aber erst zeigen. Denn trotz der an den Finanzmärkten positiv aufgenommenen US-Preisdaten hat die Fed den Kampf gegen die Inflation laut einer Notenbankerin noch nicht gewonnen. Die Zentralbank habe noch mehr Arbeit vor sich, sagte die Chefin des Fed-Bezirks San Francisco, Mary Daly, heute in einem Interview auf Yahoo Finance.
"Die Fed ist fest entschlossen, die Inflationsrate auf ihr Zwei-Prozent-Ziel zu drücken", fügte sie hinzu. Ob es im September eine weitere Zinserhöhung oder eine Pause geben sollte, ließ sie offen. Es sei noch viel zu früh, sich darauf festzulegen. Denn bis zur nächsten Sitzung seien noch weitere Daten auszuwerten. "Ob wir die Zinsen ein weiteres Mal erhöhen oder die Zinsen über einen längeren Zeitraum stabil halten - diese Dinge müssen noch entschieden werden." Ähnlich hatte sich zuletzt auch Notenbankchef Jerome Powell geäußert, der das weitere Vorgehen der Währungshüter offen gelassen hatte.
Nicht nur am Aktienmarkt, auch am Anleihemarkt kamen diese Bemerkungen nicht gut an. Die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen stieg mit 4,11 Prozent wieder deutlich über die Marke von 4,00 Prozent. In einer ersten Reaktion waren die Kurse gestiegen und die Rendite unter 4,00 Prozent gerutscht. Der Dollar machte hingegen Boden gut.
In der US-Luxusmodebranche bahnte sich derweil eine milliardenschwere Übernahme an: Der Modekonzern Tapestry will sich den Michael-Kors-Eigentümer Capri für insgesamt rund 8,5 Milliarden Dollar einverleiben. Die Tapestry-Aktie verlor nach der Ankündigung fast 15 Prozent. Capri schossen dagegen um 55 Prozent in die Höhe. Den Capri-Aktionären bietet Tapestry 57 Dollar pro Aktie in bar - ein Aufschlag von fast 65 Prozent auf den Schlusskurs des Vortages.
Mit dem Rückenwind aus New York im Gepäck hat der DAX heute nach einem ereignisreichen Handelstag zugelegt. Am Ende schloss der deutsche Leitindex bei 15.996 Punkten um 0,91 Prozent höher und damit knapp unter der Marke von 16.000 Punkten. Diese war am Nachmittag zwischenzeitlich übersprungen worden, das Tageshoch lag bei 16.060 Punkten.
Neben dem Fortgang der heimischen Berichtssaison, zahlreiche Schwergewichte aus dem DAX öffneten heute ihre Bücher, standen vor allem die US-Preisdaten für den Juli im Fokus der Anleger. Diese fielen mit einem Anstieg der Inflationsrate auf 3,2 Prozent etwas besser aus erwartet, was für Erleichterung sorgte. Die Wall Street reagierte im frühen Geschäft positiv, da Zinsängste abebbten. Dies schob auch den Frankfurter Aktienmarkt an. Der MDAX, der Index der mittelgroßen Werte, legte um 1,1 Prozent auf 28.334 Punkte.
Der leichte Anstieg der Gesamtinflationsrate sollte nach Einschätzung der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) nicht überbewertet werden. "Die Entwicklung auf den Vorstufen lässt darauf hoffen, dass sich in den kommenden Monaten der abwärts gerichtete Trend fortsetzen wird", kommentierte Helaba-Ökonom Ulrich Wortberg.
Einige Experten setzen nun zunehmend darauf, dass die US-Notenbank Federal Reserve ihren Leitzins nun nicht noch weiter anheben wird. Die Daten sollten laut Wortberg die Fed nicht unter Druck setzen, die Zinsen weiter zu erhöhen. Zumal auch die zeitgleich veröffentlichten Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe stärker gestiegen sind als erwartet.
Der Kurs des Euro ist heute im europäischen Handel teils deutlich über 1,10 US-Dollar gestiegen. Zuletzt wurde die Gemeinschaftswährung im US-Handel aber bei 1,0980 Dollar wieder unter 1,10 Dollar gehandelt. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,1019 (Mittwoch: 1,0968) US-Dollar fest.
Am Devisenmarkt reagierte der Euro zunächst mit deutlichen Kursgewinnen auf die US-Preisdaten. Grund dafür war, dass die nachlassende "Zinsfantasie" für den Dollar. Die insgesamt freundliche Stimmung an den Finanzmärkten stützte zudem den Euro. Der als sicher geltende Dollar war weniger gefragt.
Die Ölpreise weiteten ihre Verluste am Abend deutlich aus, bleiben aber insgesamt auf hohem Niveau. Nach den jüngsten Kursaufschlägen setzte heute eine Gegenbewegung ein. Am Mittwoch waren die Preise für Brent und WTI jeweils auf die höchsten Stände seit November geklettert. Der jüngste Anstieg der Ölpreise wurde am Markt mit der Sorge begründet, dass russische Öllieferungen durch den Krieg gegen die Ukraine leiden könnten.
Ein weiteres Thema am Aktienmarkt war heute ist der Fortgang der heimischen Berichtssaison. Eine Reihe von DAX-Konzernen hat am Morgen ihre Bilanzen des zweiten Quartals und Geschäftsausblicke veröffentlicht. Unterschiedliche Kursreaktionen sind die Folge.
Zu den größten DAX-Gewinnern gehörten die Allianz-Aktie und die Titel des Rückversicherers Münchener Rück. Die Allianz, die sogar als Tagessieger durchs Ziel ging, hat nach Zuwächsen im zweiten Quartal ihre Gewinnprognose für das Gesamtjahr bekräftigt. Das operative Ergebnis soll nun 14,2 Milliarden Euro erreichen. Im zweiten Quartal stieg die Ergebnisgröße um 7,1 Prozent auf 3,8 Milliarden Euro, was etwas über den Schätzungen der Analysten lag.
Bei der Münchener Rück sank im ersten Halbjahr das Konzernergebnis zwar um 21 Prozent auf 2,43 Milliarden Euro, nach 3,066 Milliarden Euro im Vorjahreszeitraum. Der Konzern bekräftigte aber seine Prognose, wonach das Konzernergebnis im laufenden Jahr 4,0 Milliarden Euro erreichen soll. Im Gefolge der Münchener Rück-Aktie gewann auch die Hannover Rück, die ebenfalls im DAX notiert.
Dagegen rutschte die Siemens-Aktie mit einem Minus von rund 4,8 Prozent an den Schluss des Index. Beim Konzern legten die Erlöse in den drei Monaten bis Ende Juni zwar um sechs Prozent auf knapp 18,9 Milliarden Euro zu. Damit schwächte sich aber das Wachstum im Vergleich zum Vorquartal ab. Unter dem Strich erzielte Siemens einen Gewinn nach Steuern von 1,4 Milliarden Euro. Auch Aktien der Tochter Siemens Energy rutschen im DAX Prozent ab.
Im Fokus stand die schwächere Entwicklung der Sparte Digital Industries, welche das Geschäft mit der Digitalisierung der Industrie bündelt. Dieses war in den vergangenen zwei Jahren noch sprunghaft gewachsen und zeigt nun Analysten zufolge eine Normalisierung. Die Ziele für das Geschäftsjahr bestätigte Siemens insgesamt zwar, erwartet bei Digital Industries aber ein geringeres Umsatzwachstum als bisher. Auch die Marge dürfte hier leicht niedriger ausfallen als zunächst in Aussicht gestellt
Der Konsumgüterhersteller Henkel wächst dank Preiserhöhungen weiter und erhöht seine Prognosen für das laufende Jahr. Der Konzernumsatz lag in den ersten sechs Monaten bei 10,9 Milliarden Euro. Das entspricht einem organischen Wachstum von 4,9 Prozent. Der bereinigte Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) kletterte um 7,6 Prozent auf 1,25 Milliarden Euro. Für 2023 erwartet das DAX-Mitglied Henkel ein organisches Umsatzwachstum von 2,5 bis 4,5 Prozent liegen. Die bereinigte Ebit-Marge soll nun zwischen 11 und 12,5 Prozent liegen.
Der Umsatz des Rüstungskonzerns Rheinmetall kletterte im zweiten Quartal um 6,4 Prozent auf knapp 1,5 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis legte um 3,5 Prozent auf 118 Millionen Euro zu. Beide Kennzahlen entsprachen den Erwartungen der Analysten. Unter dem Strich fuhr Rheinmetall wie im Vorjahreszeitraum einen Gewinn von 73 Millionen Euro ein. Die Auftragsbücher sind nach Unternehmensangaben gut gefüllt.
Die T-Aktie hat anfänglich größere Verluste im Verlauf eingrenzen können, und schloss letztlich noch ganz leicht im Plus. Die Deutsche Telekom erwartet nach Vorlage der Zahlen zum zweiten Quartal für 2023 ein Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen inklusive Leasingkosten (Ebitda AL) von 41,0 Milliarden Euro. Das ist minimal mehr als bislang erwartet. Die Telekom gewann in Deutschland im zweiten Quartal unter eigenen Marken 319.000 Mobilfunkkunden für sich - fast zwei Drittel mehr als von Analysten erwartet. Auf Konzernebene ging der Umsatz des zweiten Quartals gegenüber dem Vorjahr um 2,4 Prozent auf 27,2 Milliarden Euro zurück.
Weiter macht das US-Geschäft den Löwenanteil der Bilanz aus. Wie Konzernchef Höttges bekannt gab, hielt die Telekom Ende Juni 51,3 Prozent an T-Mobile US. "Wir sind froh, am wertvollsten Mobilfunkunternehmen der Welt die Mehrheit zu halten", sagte er bei der Vorstellung der Quartalszahlen. Eine mögliche Abhängigkeit von Übersee verneinte der Manager. Nur durch das starke Amerika-Geschäft habe die Deutsche Telekom so einen großen Spielraum für Investitionen. "Ich sage aus voller Überzeugung: Ich würde in den USA alles genauso wieder machen", sagte er. Im ersten Halbjahr hatte der Konzern 9,2 Milliarden für Investitionen in die Hand genommen.
Der Kochboxenversender hat im abgeschlossenen Quartal wegen der weltweiten Konsumflaute einen deutlichen Nachfragerückgang hinnehmen müssen. Die Zahl der Bestellungen ging um sieben Prozent auf 30 Millionen zurück. Dank einer strikten Kostenkontrolle steigerte der Kochboxenlieferant allerdings das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) um fast ein Drittel auf knapp 192 Millionen Euro. Der Umsatz ging infolge eines schwächeren Kundeninteresses leicht auf 1,92 Milliarden Euro zurück.
Pilotenstreiks bei der Lufthansa sind in den kommenden Jahren vom Tisch: Die Pilotengewerkschaft Cockpit teilte heute mit, dass eine große Mehrheit ihrer Mitglieder für ein Ende Juli ausgehandeltes Tarifpaket gestimmt habe.
Medienberichten zufolge waren in den Verhandlungen unter anderem ein Gehaltsplus von 7,5 Prozent ab 2024, eine einmalige steuerfreie Inflationsprämie von 3000 Euro sowie Verbesserungen an der Dienststruktur vereinbart worden. Die Verträge laufen laut Cockpit bis Ende 2026. Die Lufthansa-Aktie legt im MDAX über ein Prozent zu.
Der Chemiekonzern Evonik leidet unter der schwachen konjunkturellen Entwicklung in Deutschland. Das operative Ergebnis des Unternehmens brach im zweiten Quartal um 38 Prozent auf 450 Millionen Euro ein. Dabei hätten sich "strikte Sparmaßnahmen" ergebnisstützend ausgewirkt, erklärte Firmenchef Christian Kullmann. Unter dem Strich machte Evonik einen Verlust von 270 Millionen Euro infolge von Wertminderungen in Höhe von 390 Millionen auf Anlagen in Europa und Nordamerika.
Trotz eines deutlichen Wachstums bei Umsatz und Ergebnis rutschte die SMA-Aktie im TecDAX um fast sieben Prozent ab. Offenbar reichen die Ergebnisse nicht an die Markterwartungen heran. Bei einem Umsatzanstieg um rund 65 Prozent auf 778,9 Millionen Euro schnellte das operative Ergebnis (Ebitda) auf 125,3 Millionen Euro nach oben, gegenüber 15,9 Millionen vor Jahresfrist.
Auch Papiere des Gabelstapler-Herstellers Jungheinrich im MDAX verloren deutlich. Händlern zufolge hat der Markt mehr als eine Bestätigung der Prognose für das Gesamtjahr erwartet. Dabei ist Jungheinrich ist trotz Konjunkturflaute gewachsen und profitiert dabei auch von einem Zukauf. Der Umsatz legte um 21 Prozent auf 2,658 Milliarden Euro, das operative Ergebnis (Ebit) um 46 Prozent auf 236 Millionen Euro zu.
Die rückläufige Nachfrage nach Transporten auf See haben Umsatz und Gewinn der Hamburger Containerreederei Hapag-Lloyd auch im zweiten Quartal einbrechen lassen. Das Konzernergebnis sackte auf gut eine Milliarde Euro ab, ein Rückgang um rund 75 Prozent. Der Umsatz halbierte sich in etwa auf 4,42 Milliarden Euro. Grund ist die Normalisierung der jahrelang gestörten Lieferketten auf den Weltmeeren. Die durchschnittliche Frachtrate sank Hapag-Lloyd zufolge im zweiten Quartal von 2935 auf 1533 Dollar je Standardcontainer.
Die Kauflaune chinesischer Schnäppchenjäger hat Alibaba den größten Umsatzschub seit fast zwei Jahren beschert. Dank der alljährlichen Rabattaktion "618" stiegen die Erlöse im abgelaufenen Quartal um 14 Prozent auf umgerechnet 29,5 Milliarden Euro, teilte der Online-Händler heute mit. Das bereinigte operative Ergebnis sei sogar um 32 Prozent auf 5,7 Milliarden Euro gestiegen. Die in den USA notierten Titel des Amazon-Rivalen stieg um 3,6 Prozent.
Es waren allerdings die letzten Quartalsergebnisse des chinesischen Großkonzerns in dieser Form. Er spaltet sich in sechs eigenständige Unternehmen auf. Jedes davon soll die Möglichkeit von Börsengängen oder anderen Formen der Kapitalbeschaffung ausloten. Alibaba selbst wird künftig als Holding unter der Leitung des bisherigen Konzernchefs Daniel Zhang agieren. Dieser soll außerdem das Cloud-Geschäft führen.
Der US-Unterhaltungsriese Disney hat seine Verluste im Videostreaming-Geschäft im vergangenen Quartal halbieren können. Die Sparte mit dem Netflix-Konkurrenzdienst Disney+ verbuchte allerdings immer noch operativ rote Zahlen von 512 Millionen Dollar (466,5 Mio Euro). Im vergangenen Quartal sanken die Erlöse des Bereichs um sieben Prozent auf 6,7 Milliarden Dollar. Das operative Ergebnis fiel um 23 Prozent auf 1,9 Milliarden Dollar.
Die gestern nach Börsenschluss veröffentlichten Ergebnisse von Walt Disney kamen bei den Anlegern gut an. Die Aktie des US-Unterhaltungskonzerns rückte um 4,9 Prozent vor, nachdem sie am Vorabend im nachbörslichen Handel noch nachgegeben hatte. Disneys Quartalsumsatz von 22,33 Milliarden Dollar verfehlte zwar knapp die Analystenerwartungen. Allerdings fiel sein Gewinn pro Aktie mit 1,03 Dollar über der durchschnittlichen Expertenprognose von 0,95 Dollar aus. Zudem teilte das Unternehmen mit, es sei auf dem besten Weg, sein Ziel für Kostensenkungen in Höhe von mehr als 5,5 Milliarden Dollar zu erreichen.