Ölpreise klettern weiter Anleger auf dem Rückzug
Die andauernden Zins- und Inflationssorgen erhalten vom derzeitigen Höhenflug der Ölpreise neuen Schub. Auch zur Wochenmitte stießen daher viele Anlegerinnen und Anleger ihre Aktien ab.
An der Wall Street geht der am vergangenen Donnerstag eingeleitete Kursrückgang weiter. Im Verein mit unerwartet robusten Wirtschaftsdaten heizte der jüngste Höhenflug der Ölpreise die Inflationssorgen wieder an. Eine anziehende Teuerung könnte die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) dazu zwingen, die Zinsen noch für eine längere Zeit auf ihrem hohen Niveau zu lassen, und so die ohnehin schon schwächelnde Konjunktur zusätzlich bremsen.
Diese Sorgen kosteten den Leitindex Dow Jones weitere 0,57 Prozent.
Die Technologietitel gaben noch deutlicher nach. Der Nasdaq 100 fiel um 0,88 Prozent zurück.
Die Stimmung im US-Dienstleistungssektor hat sich im August überraschend aufgehellt. Der Einkaufsmanagerindex des Instituts for Supply Management (ISM) stieg zum Vormonat um 1,8 Punkte auf 54,5 Punkte. Volkswirte hatten mit einem Rückgang auf 52,5 Punkte gerechnet. Der Indexwert liegt damit den achten Monat in Folge über der Expansionsschwelle von 50 Punkten, was auf eine Ausweitung der wirtschaftlichen Aktivitäten hindeutet.
Auch die US-Handelsbilanz für den Juli fiel etwas besser als erwartet aus. Zwar hat sich das Außenhandelsdefizit erneut ausgeweitet. Zum Vormonat stieg es um 1,3 Milliarden Dollar auf 65 Milliarden Dollar. Analysten hatten im Schnitt aber ein höheres Defizit von 68 Milliarden Dollar erwartet. Das Handelsdefizit der USA ist chronisch, weil die Vereinigten Staaten ein Nettoimportland sind. Finanziert wird das Defizit durch Auslandsverschuldung.
Der am Abend veröffentlichte Konjunkturbericht der Fed ("Beige Book") stützte den Markt ein wenig. Nach Einschätzung der Währungshüter hat sich die Wirtschaft in den Vereinigten Staaten zuletzt nur verhalten entwickelt. Das Wachstum sei in den Monaten Juli und August mäßig gewesen. Der Anstieg des Preisniveaus habe sich in den meisten Distrikten der Fed verlangsamt. Das kann als weiterer Hinweis darauf gedeutet werden, dass die Notenbank den Leitzins auf ihrer geldpolitischen Sitzung am 20. September unverändert lässt.
Betrachtet man die Entwicklung an der Wall Street, zog sich der deutsche Aktienmarkt zur Wochenmitte noch recht gut aus der Affäre. Der DAX ging 0,19 Prozent tiefer aus dem Handel und verbuchte damit seinen vierten Verlusttag in Folge.
"Der Deutsche Aktienindex bietet charttechnisch gerade den Eindruck, als dass die Tiefs aus dem Sommer bei 15.450 Punkten in den kommenden Tagen erneut getestet werden sollten", urteilte Marktanalyst Jürgen Molnar von RoboMarkets. Die Käufer befänden sich seit einigen Tagen im Streik, Dynamik auf der Oberseite sei Fehlanzeige.
Die Statistik zu den Industrieaufträgen bestätigte das derzeit trübe Konjunkturbild. Im Juli gingen im deutschen Verarbeitenden Gewerbe 11,7 Prozent weniger Bestellungen ein als im Vormonat, teilte das Statistische Bundesamt mit. Analysten hatten im Schnitt nur mit einem Rücksetzer um 4,3 Prozent gerechnet. Der starke Rückgang folgt jedoch auf einen kräftigen Anstieg im Juni, der mit 7,6 Prozent sogar etwas deutlicher ausfiel als bisher bekannt. Vor allem sorgte ein "sehr umfangreicher Großauftrag" im Juni für die Belastung im Folgemonat, wie die Statistiker weiter mitteilten.
Rund eine Woche vor dem nächsten Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank (EZB) hat das Ratsmitglied Klaas Knot die Möglichkeit einer weiteren Straffung betont. Angesichts hoher Inflationsprognosen sei es eine "enge Entscheidung", ob es eines weiteren Zinsschritts bedürfe, sagte er der Nachrichtenagentur Bloomberg.
Knots Aussagen überraschten, weil am Finanzmarkt tendenziell von einer Zinspause der Währungshüter ausgegangen wird. Der Euro geriet angesichts der aktuellen US-Wirtschaftsdaten dennoch unter Druck und notierte am späten Abend bei 1,0724 Dollar. Der Goldpreis gab nach auf 1.917 Dollar pro Feinunze.
Trotz der derzeitigen Konjunktursorgen markierten die Ölpreise weitere zehnmonatige Höchststände. Am späten Abend kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im November 90,75 Dollar. Am Rohölmarkt gehen weiter Sorgen über ein mangelndes Angebot an Öl um. Saudi-Arabien und Russland kündigten gestern an, ihre Lieferkürzungen bis zum Jahresende zu verlängern.
Die Amazon-Aktie büßte in New York rund 1,5 Prozent ein. Die US-Kartellbehörde FTC will laut einem Zeitungsbericht noch in diesem Monat ihre Klage gegen die Geschäftspraktiken des Internetkonzerns einreichen. Die Klage richtet sich gegen das Logistikprogramm des Unternehmens, die Preisgestaltung auf der Webseite von Drittanbietern und werde "strukturelle Abhilfemaßnahmen" vorschlagen, die zur Zerschlagung des Konzerns führen könnten, so das "Wall Street Journal".
Die Telekom-Tochter T-Mobile US weitet ihre Aktienrückkaufpläne aus. Nach den bisherigen freigegebenen 14 Milliarden Dollar will Unternehmenschef Mike Sievert weitere 19 Milliarden Dollar frei machen. Das habe ein höherer freier Mittelzufluss (Free Cashflow) möglich gemacht, begründete er das Vorhaben.
Zugleich will die Deutsche Telekom Aktien über den Markt verkaufen, ohne die eigene Mehrheitsposition bei T-Mobile US zu gefährden, wie das DAX-Unternehmen in einer eigenen Pressemitteilung mitteilte. Der genaue Umfang stehe noch nicht fest. Stand Mitte Juli hielt die Deutsche Telekom 51,4 Prozent an T-Mobile US. Die US-Tochter ist maßgeblich für den jüngsten Erfolg des deutschen Konzerns verantwortlich und macht den Löwenanteil der Bilanz aus.
Einer der stärksten DAX-Titel war Siemens Energy. Die britische Investmentbank Barclays hat den DAX-Konzern mit "Overweight" und einem Kursziel von 19 Euro in die Bewertung aufgenommen. Siemens Energy werde am Markt nicht angemessen gewürdigt und sei unterbewertet, so Analyst Vladimir Sergievskiy. Er bleibt generell skeptisch für Hersteller von Windkraftanlagen wie die Tochter Siemens Gamesa, aber ein 50-prozentiger Kursverfall in den zurückliegenden drei Monaten sei nicht gerechtfertigt
Der Unternehmer Klaus-Michael Kühne hat die Führung der Hamburger HHLA scharf kritisiert und zugleich seine Bereitschaft zu einer größeren Beteiligung an der Hafengesellschaft signalisiert. "Ich mache mir ernsthaft Sorgen um den Hafen: Er ist schlecht strukturiert, schlecht gemanagt und kann mit der Konkurrenz in einigen anderen Seehäfen nicht mithalten", sagte der in der Schweiz lebende Milliardär dem "Hamburger Abendblatt". Die Hamburger Hafen und Logistik AG ist zu 69 Prozent im Besitz der Stadt Hamburg.
Kühnes Holding, zu der außer der Kühne+Nagel-Gruppe auch Beteiligungen an Hapag-Lloyd und der Lufthansa gehören, würde gern eine größere Investition tätigen. "Dafür würde ein Hafenterminal sehr gut passen", sagte Kühne und fügte hinzu: "Ich überlege mir, ein offizielles Übernahmeangebot für die HHLA-Aktienmehrheit zu machen, weiß allerdings, dass es bei der Stadt zurzeit kaum Anklang finden wird." Ein Senatssprecher sagte dazu: "Wir können bestätigen, dass der Senat nicht beabsichtigt, die Mehrheit der HHLA an Investoren zur Verfolgung privater Geschäftsinteressen zu verkaufen."
Der Telekomkonzern Saudi Telecom steigt beim spanischen Anbieter Telefónica ein. Wie das saudi-arabische Staatsunternehmen gestern Abend mitteilte, hat es über den Kauf von Aktien und Finanzinstrumenten für 2,1 Milliarden Euro eine Beteiligung von 9,9 Prozent an dem spanischen Telekomkonzern erworben. Damit würde Saudi Telecom zum größten Aktionär des Konzerns. Allerdings gilt Telefónica in Spanien als Teil der kritischen Infrastruktur. Die Regierung könnte eine Beteiligung in dieser Größenordnung noch verhindern.
Der Mainzer Spezialglashersteller Schott will seine Pharmasparte noch in diesem Jahr an die Börse bringen. Der Handel der Aktien an der Frankfurter Börse solle bis Ende 2023 aufgenommen werden. Laut einer mit der Sache vertrauten Person soll sich das Emissionsvolumen auf mehr als 800 Millionen Euro belaufen. Schott Pharma stellt unter anderem Spritzen, Ampullen und Fläschchen für den Medizinbereich her. Die im August 2022 ausgegliederte Sparte profitiert von dem starken Wachstum bei Medikamenten, die per Injektion verabreicht werden.