Sommer-Börsenrally geht weiter Anleger bleiben gelassen
Trotz schwacher Konjunkturdaten aus China und den USA bleiben die Anleger zuversichtlich. Die Wall Street setzte ihren sommerlichen Höhenflug fort - zur Überraschung vieler Marktstrategen.
Schlechte Nachrichten werden an den Börsen derzeit mit einem Schulterzucken abgeschüttelt. Selbst ernüchternde Wirtschaftsdaten werden positiv interpretiert. So rutschte zwar der Empire State Index, der die Stimmung im verarbeitenden Gewerbe misst, deutlich ins Minus. Damit steigt aber die Wahrscheinlichkeit, dass die Fed ihre Geldpolitik weniger stark strafft und die Zinsen nicht so deutlich anhebt wie noch vor ein paar Monaten befürchtet. Der abnehmende Preisdruck in den USA hatte bereits in der vergangenen Woche Spekulationen angeheizt, dass die US-Notenbank Fed das Tempo im Zinserhöhungszyklus etwas zurückfahren könnte, und die Aktienkurse angetrieben.
Die Wall Street begann denn auch die neue Börsenwoche ähnlich wie sie die alte beendet hatte: mit Kursgewinnen. Der Dow Jones schloss um 0,5 Prozent höher und erreichte den höchsten Stand seit Mai. Auch der breiter gefasste S&P 500 und die technologielastige Nasdaq legten zu. Seit Juli haben sich die US-Börsen kräftig erholt. "Das Ausmaß dieser Bärenmarktrally hat viele überrascht, uns eingeschlossen", schrieben die Marktstrategen von Morgan Stanley in einem aktuellen Kommentar.
Im Sog der festeren Wall Street schaffte auch der DAX noch ein Happy-End. Nach zwischenzeitlichen Verlusten drehte er ins Plus und schloss rund 0,2 Prozent fester. Damit setzt sich die Sommer-Rally fort - wenn auch mit angezogener Handbremse. Seit seinem Jahrestief Anfang Juli bei 12.391 Zählern ist der DAX um rund 1400 Punkte gestiegen. "Während sich die hohen Temperaturen draußen in Gewittern entladen, lassen sich die Anleger an der Börse nicht aus ihrer sommerlichen Ruhe bringen", meinte Marktbeobachter Konstantin Oldenburger vom Broker CMC Markets. Er sieht den Dax schon kurz vor dem Ausbruch über die Marke von 13.800 Punkten, was das Börsenbarometer "dann direkt zur psychologischen Schallmauer 14.000 Punkte führen könnte“.
Schwache Daten aus China trübten zeitweise die Börsenstimmung. Sowohl die Einzelhandelsumsätze im Juli als auch die Industrieproduktion wuchsen im Vorjahresvergleich langsamer als von Experten erwartet. Um der Wirtschaft neuen Schwung zu geben, hat Chinas Zentralbank erstmals seit Januar den Zinssatz für einjährige Refinanzierungsgeschäfte mit den Banken gesenkt.
Die Nachrichten aus China seien, "gelinde gesagt, sehr enttäuschend", meint Oanda-Analyst Craig Erlam. Sie zeichneten ein düsteres Bild der Inlandsnachfrage und der Wachstumsaussichten. "Der ewige Optimismus der Anleger kollidierte mit der Realität der chinesischen Wirtschaftsdaten", sagt Erlam. Es mache den Eindruck, als ob das Aufleben der chinesischen Wirtschaft nach dem Ende der Lockdowns nur von kurzer Dauer gewesen sei. Das Land vermeldete heute mit 2478 Corona-Fällen den höchsten Stand seit drei Monaten. Lockdown-Maßnahmen haben China seit Beginn der Pandemie immer wieder lahmgelegt und auch die Weltwirtschaft negativ beeinflusst. China verfolgt eine strikte Null-Covid-Politik.
Die China-Daten setzten vor allem den Rohstoffpreisen zu. Die Preise für Eisenerz in der Volksrepublik fielen um fast drei Prozent. Investoren fürchten eine Nachfrageflaute. Der Kupferpreis gab um 2,5 Prozent auf 7890 Dollar pro Tonne nach.
Besonders groß waren die Verluste an den Rohölmärkten. Die Sorte Brent sowie das US-Rohöl WTI verbilligen sich jeweils um vier Prozent auf 94,35 Dollar und 88,50 Dollar pro Barrel. Die Ölnachfrage schwäche sich ab, da die rekordhohen Ölpreise sowohl die Verbraucher als auch heimische Logistikunternehmen abschreckten, sagte Heron Lin, Ökonom bei Moody's Analytics. Auch für den Rest des Jahres könne die Nachfrage weiter unter Druck bleiben, da drohende Corona-Beschränkungen zu vorsorglichem Sparen ermutigten und den Ölverbrauch verringerten.
In Deutschland ist heute mit 2,419 Cent/kWh die Höhe der von der Regierung beschlossenen Gasumlage bekannt gegeben worden, die alle Haushalte tragen müssen. Experten erwarten nun eine weiter steigenden Inflation und einen massiven Kaufkraftverlust der privaten Verbraucher. Auch Industrieverbände sprechen bereits von erheblichen Zusatzkosten.
"Die Gasumlage dürfte die Inflation inklusive der Mehrwertsteuer um knapp einen Prozentpunkt erhöhen. Zusammen mit dem Wegfall des Neun-Euro-Tickets und des Tankrabatts könnte dies die Inflationsrate im Oktober und November auf deutlich über neun Prozent steigen lassen. Das ist für die Verbraucher ein massiver Kaufkraftverlust. Das ist neben der Unsicherheit, die von Putins Nervenkrieg ums Gas ausgeht, ein wichtiges Argument, warum die deutsche Wirtschaft im Winterhalbjahr schrumpfen, also in eine Rezession abgleiten sollte", kommentierte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.
Angesichts der schwachen China-Daten flüchteten Anleger in den sicheren Hafen Dollar. Der Kurs des Euro schwächte sich nach weiter ab. Die Gemeinschaftswährung rutschte auf 1,0156 Dollar Richtung Parität. Die Europäische Zentralbank hatte den Referenzkurs zuletzt auf 1,0195 Dollar festgesetzt. Am Freitag hatten positiv aufgenommene Daten zur Stimmung der US-Verbraucher den Dollar gestützt und den Euro belastet.
Der Anstieg der Großhandelspreise in Deutschland hat sich den dritten Monat in Folge abgeschwächt. Die Verkaufspreise lagen im Juli um 19,5 Prozent höher als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt heute in Wiesbaden mitteilte. Im Juni war noch ein Zuwachs um 21,2 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat verzeichnet worden. Verglichen mit dem Vormonat Juni sanken die Großhandelspreise im Juli zum ersten Mal seit Oktober 2020 um minus 0,4 Prozent.
Der Kochboxen-Versender HelloFresh bekommt die hohe Inflation und den weltweiten Wirtschaftsabschwung zu spüren. Im zweiten Quartal fiel das bereinigte Betriebsergebnis (Ebitda) um 7,5 Prozent auf knapp 146 Millionen Euro. Die Zahl der Kunden in den 17 Ländern, in denen HelloFresh aktiv ist, fiel im Vergleich zum vorigen Quartal um etwa 500.000 auf acht Millionen, lag aber im Vergleich zum Vorjahresquartal immer noch um vier Prozent im Plus.
"Am wichtigsten ist, dass wir mit den Inflationseffekten erfolgreich umgegangen sind, ohne die höheren Kosten in Gänze an unsere Kunden weiterzugeben", sagte Firmenchef Dominik Richter. Der Umsatz kletterte im zweiten Quartal währungsbereinigt um 16 Prozent auf bisher im Juni-Quartal noch nie erreichte 1,96 Milliarden Euro. Im vergangenen Monat hatte das Unternehmen mit Verweis auf die getrübte Verbraucherstimmung seine Jahresziele eingedampft. Vor allem die höheren Umsätze kamen an der Börse gut an, die HelloFresh-Aktie gewann rund 2,6 Prozent.
Der Konsumgüterkonzern Henkel hat im ersten Halbjahr den Umsatz dank florierender Geschäfte mit Klebstoffen und Waschmitteln deutlich gesteigert. Die kriselnde Kosmetiksparte konnte organisch nur minimal wachsen. Seine Umsatzprognose für 2022 schraubte der DAX-Konzern deshalb in die Höhe. Steigende Material- und Logistikkosten lasten aber auf den Gewinnen der Düsseldorfer: Henkel arbeitete deutlich weniger profitabel.
"Die Umsatzentwicklung in den ersten sechs Monaten liegt in einem außerordentlich schwierigen Umfeld über den bisherigen Erwartungen für das Gesamtjahr", sagte Konzernchef Carsten Knobel. Von Januar bis Juni schraubte der Hersteller von Pritt, Loctite und Persil den Umsatz um 9,9 Prozent auf rund 10,9 Milliarden Euro in die Höhe, organisch wuchsen die Erlöse um 8,9 Prozent. Das bereinigte operative Ergebnis (Ebit) sank durch die gestiegenen Kosten, die durch Preiserhöhungen nicht gänzlich aufgefangen werden konnten, auf 1,16 Milliarden Euro.
Hohe Steuerzahlungen haben beim Solar- und Windpark-Betreiber Encavis aus dem MDAX im zweiten Quartal den Gewinn gedrückt. Operativ läuft es bei den Hamburgern aber weiter rund, sodass auf Halbjahressicht die Erzeugungskapazitäten in Kombination mit hohen Strompreisen ordentlich Geld in die Kasse spülen. Die Anleger greifen daher auch zu, die Aktie gehört am Mittag zu den größten Gewinnern im Index. Zu Börsenschluss stand ein Plus von mehr als fünf Prozent zu Buche.
"Wir sind weiterhin klar auf Wachstumskurs", teilte das Management heute bei der Vorlage seiner endgültigen Halbjahreszahlen in Hamburg mit. Die Anfang August vorläufig vorgelegten Halbjahreszahlen wurden ebenso bestätigt, wie die auf Basis der Geschäftsentwicklung der ersten sieben Monate erhöhte Prognose. Unterm Strich verdiente Encavis im zweiten Quartal mit gut 37 Millionen Euro vor allem aufgrund der höheren Steuerzahlungen rund 15 Prozent weniger als letztes Jahr.
Die Aktien von Uniper trotzen dem Umfeld anhaltend hoher Gaspreise und den Auswirkungen der niedrigen Pegelstände des Rheins. Die Papiere des angeschlagenen Energiekonzerns zogen zeitweilig um sechs Prozent an,bei Börsenschluss standen die Papiere immer noch mit fast drei Prozent im Plus. Sie knüpften damit an ihre jüngste Erholung an, der Kurssprung beschert ihnen ein Hoch seit etwa drei Wochen.
Die Suche nach Auswegen aus der Gaskrise geht bei Großverbrauchern wie Uniper weiter. Die heute bekannt gegebene Gasumlage soll ab Oktober zur Rettung systemrelevanter Gasimporteure beitragen. Beim Füllen der Gasspeicher macht Deutschland derweil Fortschritte, das verordnete 75-Prozent-Ziel wurde zwei Wochen früher als vorgeschrieben erreicht.
Der Immobilienkonzern Grand City hat den Gewinn dank Mietsteigerungen und Zukäufen gesteigert und bestätigt seine Prognose. Das für die Branche entscheidende operative Ergebnis FFO I stieg im ersten Halbjahr um drei Prozent auf 97 Millionen Euro, wie das MDAX-Unternehmen mitteilte. Die Netto-Mieteinnahmen kletterten um sechs Prozent auf 195 Millionen Euro. Der Konzern sehe sich aufgrund seiner verbesserten Vermögensqualität und des starken Finanzprofils in einer guten Position, die Ziele für das Gesamtjahr zu erreichen, erklärte Firmenchef Refael Zamir.
Der angeschlagene Immobilieninvestor Adler greift seiner kriselnden Tochter BCP finanziell unter die Arme. Ein Darlehen der Konzernmutter an das Tochterunternehmen von bis zu 200 Millionen Euro werde um sieben Monate verlängert, erklärte der im SDAX gelistete Konzern in einer Pflichtmitteilung. Der Kredit sei nun erst im Dezember kommenden Jahres statt bereits im Mai fällig.
Adler steht an mehreren Fronten unter Druck. So hatten die Wirtschaftsprüfer der KPMG ein Testat für den Jahresabschluss 2021 verweigert und wollen nicht mehr mit dem Konzern zusammenarbeiten.
Der Windturbinenhersteller Nordex bestätigt trotz eines Umsatzeinbruchs und Millionenverlusten im ersten Halbjahr seine Prognose. Der Umsatz sank infolge rückläufiger Installationen von Windkraftanlagen um 21 Prozent auf 2,1 Milliarden Euro, wie das Unternehmen aus dem TecDAX gestern mitteilte. Operativ entstand ein Verlust (Ebitda) von 173 Millionen Euro nach einem Gewinn von 68 Millionen Euro vor Jahresfrist.
Im zweiten Quartal seien die Installationen vor allem außerhalb Europas und Lateinamerikas geringer gewesen. Wie andere Unternehmen kämpft auch Nordex nach eigenen Angaben mit Verwerfungen an den Energie-, Rohstoff- und Logistikmärkten infolge der Corona-Pandemie und des Kriegs in der Ukraine. Nordex bestätigte die Erwartung, im laufenden Jahr einen Umsatz von 5,2 bis 5,7 Milliarden Euro und damit in der Größenordnung des Vorjahreswerts sowie eine Ebitda-Marge von minus vier bis null Prozent zu erreichen. Im ersten Halbjahr belief sich die Marge auf minus 8,1 Prozent. Mittelfristig erwartet das Unternehmen nach eigenen Angaben unverändert eine Marge von acht Prozent.
Die Aktien von Walt Disney schlossen zwei Prozent höher. Grund ist der Wiedereinstieg des aktivistischen Investors Dan Loeb bei dem Unterhaltungskonzern. Loeb gab bekannt, seine Investmentfirma Third Point habe in den letzten Wochen einen "bedeutenden Anteil" an Walt Disney erworben. Zugleich hatte er größere Veränderungen beim Unternehmen gefordert, einschließlich einer Ausgliederung des Sportnetzwerks ESPN.
Die weltweit anziehenden Energiepreise lassen den Gewinn des Ölkonzerns aus Saudi-Arabien kräftig sprudeln. Das staatlich kontrollierte Unternehmen wies am Sonntag für das zweite Quartal einen Anstieg des Nettoergebnisses von 90 Prozent auf 181,64 Milliarden Riyal (rund 47,2 Milliarden Euro oder 48,4 Milliarden Dollar) aus und übertraf damit die Analystenerwartungen. Dafür sorgten neben den gestiegenen Ölpreisen auch höhere Verkaufsmengen und Raffineriemargen.